40 Sonntag

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"Mach weiter... Bitte" flehte ich ihn an. Er ließ seine Fingerspitzen wieder wandern. Sie wanderten schüchtern an meinen Halsmuskeln entlang, strichen an meinen Schultern entlang die Arme runter und wieder rauf. Unendlich langsam fuhren sie über mein Schlüsselbein und zwischen meinen Brüsten hindurch zum Bauchnabel. Sanft küsste er mich. Er war jetzt vorsichtig, fast schon auf der Hut. Etwas nervös begann ich erneut zu seufzen, als er meine Brüste liebkoste und an meinen Brustwarzen knabberte. Seine Hände strichen weiter an der Seite nach unten. Vor Erregung wimmernd drückte ich mich ihm entgegen. Seine Lippen streiften wieder die Meinen. Ich fing seinen fragenden Blick auf. Mit verschleiertem Blick entgegnete ich seinen braunen Augen, die sanft auf mir lagen. "Wir müssen das nicht machen" flüsterte er fast nur noch. Ich drehte mich erneut an seine Brust und sah ihn verwirrt an. "Bist du irre? Du kannst mich doch nicht so heiß machen und dann nicht weiter machen?" Meine Augen blitzten ihn herausfordernd an. Seine Augen wurden ganz klein und ganz dunkel und ein böses Grinsen ergriff seinen Mund. Er drehte mich auf den Rücken und drückte mich mit einem eingehenden Kuss wieder in die Kissen zurück. Nach Halt suchend griff ich nach seinen Armen und schlang mein Bein um ihn. Ich spürte jetzt nur zu deutlich, wie erregt er war. Wohlige Schauer liefen mir über den Rücken. Ich rieb mich an ihm, um meine Absicht zu verstärken. "Bist du dir sicher?" raunte er mit dieser ganz speziellen rauen Stimme in mein Ohr. Ich konnte nur noch nicken. Er zog sich kurz zurück und plötzlich war er da. Der Moment, in dem er nackt über mir lag und mich mit diesen wunderbaren Augen taxierte. Ein fragender Blick noch, dann küsste er mich mit solcher Hingabe, dass ich zerfloss. Als wir uns vereinten, empfand ich nichts mehr außer uns und Feuer. Später lag er schwer atmend neben mir und wir grinsten uns glücklich an. "Wieder heile" teilte ich ihm stolz mit. "Du Hexe hast mich verführt" schimpfte er gespielt. "Du hattest scheinbar nichts dagegen" sagte ich betont beiläufig, rollte mich an seine Brust und schlief ein.

Am nächsten Morgen wachten wir erst gegen Mittag auf. Ich konnte endlich eine Nacht durchschlafen. Chris war bei mir und vertrieb die ganzen Albträume um Attila. Attila! Ich schlug die Augen auf und griff nach meinem Handy. Fast zwölf. Oh Gott, ich hätte ihn längst versorgen sollen. Allerdings hatte ich Nachrichten aus dem Stall auf meinem Handy. Gespannt las ich, dass sich bereits fünf Leute um mein Pferd gekümmert haben. Ich solle mir keine Sorgen machen. Dazu ein Foto von Attila, der glücklich Möhren mampfte und ein frisch versorgtes Bein zeigte. Ich schrieb zurück und bedankte mich. Und dann kuschelte ich mich wieder an Chris. Er hatte scheinbar auch Nachholbedarf. Er schien zu schlafen und dennoch wanderte seine Hand wieder über meinen Rücken hinunter und er kniff mich in den Po. Ich schlug meine Augen wieder auf und sah, dass er grinste und mich anblinzelte. Schnell drehte ich mich weg und machte meine Augen wieder zu. Doch mein Magen knurrte sehr laut. Ich spürte Bewegung neben mir und dann einen Kuss auf den Nacken. Chris stand auf. Kurz darauf hörte ich ihn in der Küche hantieren, doch ich schlief wieder ein. Das nächste Mal wurde ich wach, als jemand meine Lippen sanft berührte. Es roch stark nach Kaffee. Und dann schmeckte ich Kaffee. Ich blinzelte und sah Chris vor mir sitzen. Er hatte eine Kaffeetasse in der Hand. Und er hatte mir Frühstück gemacht. Es stand alles neben mir auf dem Bett. Verschlafen angelte ich mir das Brötchen und biss ab. Dann nahm ich die Kaffeetasse entgegen und trank einen Schluck.

Andrea saß nun aufrecht im Bett und frühstückte seelig. Chris saß ihr gegenüber und trank seinen Kaffee. Sie war zwar nicht mehr ganz so blass, aber sie hatte deutlich abgenommen. Er machte sich Sorgen. Aber in einer Woche würde sie wieder in die Heimat kommen und über Weihnachten bleiben. Er war sich sicher, dass das ganze Essen ihr wieder zusetzen würde. Mit Marco würde er erst am Abend zurückfahren. Und er hatte vorhin mit Andreas telefoniert und ihm alles Neue von Attila erzählt. Andreas war geschockt. Er konnte das irgendwie garnicht glauben. Er hatte natürlich nach Andrea gefragt und wie es lief. Chris hatte nur am Rand eine Bemerkung zur letzten Nacht fallen lassen. Das Grinsen seines Bruders konnte er dennoch hören. Gott sei Dank war dieses Problem scheinbar überwunden. Dann fiel ihm noch ein wichtiges Detail des Gespräches ein. "Andreas hat vorhin mit mir telefoniert. Er lässt dich grüßen und er hat erzählt, dass er das mit Attila einem Anwalt gegeben hat. Wunder dich also nicht, wenn da jemand anruft." Sie wollte protestieren, hielt aber dann doch ihren Mund. Sehr gut, dachte Chris. Dann öffnete sie ihn allerdings doch. "Ich kann mir das nicht auch noch leisten!" "Das lass mal unsere Sorge sein. Wir fühlen uns beide etwas mitverantwortlich. Und so können wir dir vielleicht helfen, dass die Behandlungskosten von der Frau gezahlt werden. Basta!" Chris ließ keine weitere Zwischenrede mehr zu. Stattdessen aß sie sogar zwei Brötchen und trank ihren Kaffee und ein Glas Saft. Als Chris alles in die Küche gebracht hatte, sah er sie erneut liegen und schlafen. Es muss die Hölle für sie gewesen sein, dachte er nur bei sich. Aber auch er war müde und wieso sollte man nicht den Tag im Bett verbringen?

Am Nachmittag wurden wir erneut durch ein klingelndes Telefon geweckt. Ich ging verpennt ran.  Da ich aber schlagartig wach war, öffnete nun auch Chris die Augen und kam hoch. Als ich aufgelegt hatte, sah er mich fragend an. "Das war die Beamtin vo gestern. Sie haben diese Frau ausfindig gemacht und direkt zum Verhör gebeten. Sie kommt aus Leipzig und heißt Bennewitz mit Nachnamen. Sie hat alles zugegeben. Die Beamtin riet mir gerade zu einem Anwalt. Du hast also alles richtig gemacht." Ich atmete tief durch. "Fahren wir noch zu Attila, bevor du fährst?" Chris nickte mich nur stumm an. Jetzt hatte das Biest also einen Namen. Auf die Erklärung waren wir alle beide gespannt. Auf dem Weg zum Stall fuhr Andrea selbst und Chris schrieb mit Marco. Sie waren scheinbar beide nicht scharf drauf, heute zu fahren. Chris sah sie irgendwann an. "Könnte ich noch eine Nacht bleiben?" "Ja klar. Aber was ist mit deinem Termin?" "Der ist erst irgendwann nachmittags. Andreas weiß Bescheid und sagt, ich soll mich erstmal um dich kümmern." Den letzten Teil betonte Chris ganz merkwürdig. Mir lief wieder das Blut in den Unterleib. Als ich den Wagen parkte und ausstieg war ich froh über die frische kalte Luft. Wir gingen Hand in Hand zum Pferd, versorgten es und standen noch ein bisschen mit Lars zusammen. Dieser fuhr noch immer aus der Haut bei dem Thema. Er plante nun mehr Kameras und ein Tor mit Schlüssel. Er war wirklich zutiefst betroffen und gab sich etwas die Schuld an allem. Dass das Quatsch war, erzählten wir ihm dann ganz eindringlich. Auf dem Weg nach Hause hielten wir noch an und holten uns wieder ganz traditionell eine Pizza. Seit dem Chris da war und ich zusammengebrochen bin, hatte ich wieder etwas Appetit und Hunger. Langsam kamen mir wieder die Gedanken an die letzte Nacht in den Sinn, als wir aus dem Auto stiegen und Chris nach meiner Hand griff. Sofort bekam ich eine Gänsehaut und schüttelte diese ab. Sein Blick ruhte auf mir, er zog seine Augenbraue hoch und ich schüttelte nur schwach den Kopf. "Alles gut" sagte ich und drückte seine Hand. "Es ist nur... also.... gestern...." "Der Glühwein hat eine ganz schöne Glut entfacht bei dir" grinste er süffisant. Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann kam doch etwas raus. "Ja."

Kaum in der Wohnung, fielen wir über die Pizzen her und ich trank dazu noch ein großes Glas Saft aus. Danach fühlte ich mich satt und dick und rund und lehnte mich zufrieden zurück. Chris legte seinen Kopf in meinen Schoss und ich sah auf den Fernseher und spielte in Gedanken versunken mit seinen Haaren. Ich schloss verträumt die Augen. Wieder erinnerte ich mich an die letzte Nacht und die erlebten Momente darin. Eine wohlige Wärme machte sich breit. Als ich die Augen wieder öffnete, betrachtete ich seine von mir zerrupften Haare, seine Lippen, seinen Ohrring und seine Hände, mit denen er zaubern konnte. Vor allem zauberte er mir ein Lächeln auf die Lippen. Ich schloss nochmals die Augen. Einer Intuition folgend griff ich nach seiner Hand und etwas durchzuckte mich. Dann war es hell um mich herum. Die Sonne schien und es waren Vögel zu hören. Ich hielt noch immer Chris Hand. Wir standen in einem hellen Raum. Wie eine Kirche. Und um uns flogen Schmetterlinge. Manchmal waren Puppen dazwischen, aus denen wir Schmetterlinge schlüpfen sahen. Diese breiteten ihre Flügel dann zum ersten Mal aus und flogen hinaus in die Welt. Plötzlich schlüpfte direkt auf Chris Hand ein blauer Falter. Als er die Flügel ausbreitete, war er atemberaubend schön, denn er hatte blaugrüne Flügel und weiße Pünktchen an einer Ecke. Zwei Stück. Als er losflog, nahm es mir den Atem und im gleichen Augenblick schlug ich die Augen auf. Chris tat es im selben Augenblick. Ich formte stumm das Wort 'Schmetterling'. Er nickte. "Hast du... hast du das auch gerade gesehen?" "Ja, ich stand neben dir. Er hatte die gleiche Farbe wie deine Augen." Nachdenklich sahen wir einander an. "Drehen wir jetzt durch? Sind wir verrückt? Waren das vielleicht die falschen Pilze auf der Pizza?" "Ich weiß es nicht" sagte Chris. "Aber eines weiß ich; aus jeder Krise" fing er an und ich beendete seinen Satz wieder "geht man gestärkt hervor." Und das sollte für uns gerade jetzt sehr viel bedeuten.

Noch lange saß ich da, hörte den Stimmen im TV zu und untersuchte seine magischen Hände. Mir war immer noch völlig unklar, wie solche Hände so viel Erstaunliches zustande bringen konnten. Dann sah ich auf meine Hände. Diese brachten genau einen Kartentrick zustande. Als ich loslachte, sah Chris mich an, da er nicht verstand, warum ich lachte. Ich erklärte es ihm. "Ich bring dir noch was bei, wenn du das möchtest." Meine Augen glänzten. Natürlich wollte ich auch zaubern können. "Sehr gerne. Aber vorher würde ich dir gerne etwas zeigen, was ich mit den Händen bereits zaubern kann." Ich grinste ihn schief an und wendete mich seinen Lippen und seinem Körper zu. Ich genoss es, ihn zu berühren.

My ChangeoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt