55 Mach dich locker

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Am nächsten Morgen klingelten gleich einige Wecker um mich herum. Müde schlug ich die Augen auf und stand langsam auf. Gott sei Dank kannte ich keinen Kater. Andere leider schon. So einige der Damen stöhnten und hielten sich den Kopf. Ich grinste siegessicher bei der Erinnerung an die Auseinandersetzung gestern. Scheinbar war etwas in mir geplatzt. Ich fühlte mich stark und gut. "Du strahlst ja so" bemerkte Amira, als wir beide zusammen zur Halle gingen, um uns fertig zu machen und dann zu frühstücken. Es war ziemlich glatt draußen und wir rutschten mehr in Richtung Tür. Dann schlitterte es neben mir und ich griff nach Amiras Arm. Sie war ins Rutschen gekommen und hatte gerade noch so die Kurve bekommen. "Alles klar? Ist was passiert?" Sie schüttelte lachend den Kopf und hielt sich an mir fest. Wir gingen hinein und ich würdigte Chris keines Blickes. "Du hast sowas von ein Problem, Bruder" hörte ich Andreas nuscheln. Ich sah meine Mädels an und wir lachten uns halb tot, als wir Richtung Waschräume gingen. Ich brauchte eine Dusche. Und Kathrin war scharf auf meine Haare. Ich rollte mit den Augen, als sie mir die Haare machte, während ich mit einem Kaffee wenig später am Tisch saß. Jeder, wirklich jeder, grinste mich wissend an. Und ich grinste zurück. Bloß Chris ist das Grinsen scheinbar vergangen. Er zog sich zurück. Langsam kam das Leben in der Arena wieder auf Hochtouren. Die Pannen vom Vortag mussten aufgearbeitet werden. Ich setzte mich mit Kathrin auf die Ränge. Wir telefonierten leise mit Janin und berichteten bis ins kleinste Detail von gestern Abend. Die Arme musste leider arbeiten. Aber sie nahm sich natürlich die Zeit für den Anruf. Sie stand selbstverständlich auf unserer, also meiner, Seite und feierte es total, dass ich ihn zum Schluss auch noch so provoziert hatte. "Man, du kriegst ja langsam richtig Temperament!" Kathrin stimmte dem auch zu. Als wir aufgelegt hatten, strahte mich Kathrin an. "So gefällst du mir besser. Und Chris noch mehr. So musst du sein und bleiben!" Ich sah sie unsicher an. "Schau jetzt nicht so! Du kommst langsam dem Nahe, was wir in dir sehen. Du bist viel mehr, als du denkst!" Ich schluckte, denn diesen Satz hatte ich schon so oft gehört. Und immer hatte ich es abgetan und mich gewehrt. Aber gestern ist irgendwas in mir geplatzt. Irgendwas war anders.

Nach dem Mittagessen wurde es ernst. Es ging auf die Vorbereitungen zu der Show zu. Ich wollte gerade wieder nach vorne zum Merchstand gehen, als ich sehr laut in meinem Ohr meinen Namen hörte und das ich SOFORT in die Garderobe sollte. Ohje, hatte ich was gemacht? Oder vergessen? Immerhin war ich noch da. Die Anderen haben mir solange zugeredet, bis ich hier blieb. Kathrin flatterte auf mich zu, glühende Wangen und ein Kostüm in der Hand. Chris sah mich ziemlich bescheuert an und Andreas zog ein Gesicht. Mir wurde berichtet, dass die Tänzerin für die Tanzillusion draußen in der Glätte ausgerutscht sei. Knöchel verstaucht oder so. Sie kann nicht raus heute. "...du kennst ja die Abfolge der Schritte... die Choreo....." Das war jetzt nicht wahr! Meine Gesichtszüge entglitten mir. "Könnt ihr nicht stattdessen was Anderes machen?" "Nein, wir haben doch dich" setzte Chris zwar vorsichtig, aber mit Nachdruck an.

Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, loderte in ihren Augen wieder etwas Unheimliches auf. Das war ihm gestern schon aufgefallen. Und seit gestern hatte er auch Respekt davor. Gehörig sogar. Denn am Schluss hatte sie ihn vorgeführt. Sie hatte den Spieß umgedreht. Und das sie jetzt noch hier war und selbst nach diesem Satz nicht sofort rausgerannt war, zeugte von einer Stärke, die er bei Allem, was er  in ihr bislang gesehen hatte, nie erwartet hatte. Dass sie tatsächlich zustimmen würde, glaubte keiner. Aber Andreas hatte darauf bestanden, es wenigstens zu versuchen, bevor sie die Nummer rausnehmen mussten, bis Ersatz gefunden wäre. Andrea schaute ihn aus schmalen, sehr dunklen Augen an. Ihre blaugrünen Augen waren wirklich sehr dunkel und sie starrte ihn förmlich an. Die Stille war unerträglich. Das war ein Fehler. Sie wird einfach nein sagen und noch mehr gegen ihn erheben können. Hilflos sah er seinen Bruder an, der Andrea aber nur erwartungsvoll anschaute. Chris sah, dass etwas in ihren Augen aufblitzte. Die kleinen Falten an ihren Augen zuckten. Ihre Lippen lösten sich aus der schmalen, starren Linie. Was nun folgte, hat niemand, wirklich niemand, vermutet.

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