#36 Das Sex-Führer-Prinzip

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Perspektive Thomas "Tommi" Schmitt

Das neue Geräusch des Wasserhahns reißt mich aus meiner fast gefühlslosen Trance. Meine Augen gewöhnen sich wieder an die eigentliche Umgebung, als ich sie von der Tür löse und ich bemerke, dass ich mich ablenken und etwas Anderes tun muss. Erbärmlich vor dem Badezimmer zu warten bringt mich und auch Felix nicht weiter, also ringe ich mich dazu durch, in die Küche zu gehen und ihm die versprochene Suppe zuzubereiten.

Die Zutaten, die ich finde, versprechen eine Kartoffelsuppe. Und warum auch immer er welchen da hat, könnte Zimt potentiell das Gemisch noch verfeinern; Feinschmecker-Tommi sieht aber lieber davon ab.

So gut ich es kann, koche ich, mit einem Ohr und einem Auge aber immer auf die Badezimmertür fokussiert. Wie lang Felix braucht, kann ich nicht einschätzen, für meinen Geschmack ist es jedoch viel zu lang.

Als ich gerade dabei bin, alle Zutaten im Topf mit einem Stabmixer zu zerkleinern, höre ich, wie das Schloss der Badezimmertür geöffnet wird. Ehe ich mich umdrehen kann, steht Felix hinter mir und legt das Kinn auf meine Schulter. "Hey. Geht's dir besser?" frage ich besorgt und er nickt leicht. Mein Gegenüber trägt ein T-Shirt und eine weite, lockere und bequeme Boxershort. Erleichtert lächele ich und gebe ihm die Information, dass seine Suppe gleich fertig und die Schmerztablette schon beziehungsweise noch im Schlafzimmer ist. "Danke, Tommi, man." sagt er ehrlich, streicht einmal über meine Schulter und wir lächeln einander an. Dass ich das gerne für ihn tue, muss ich wohl nicht erwähnen.

Bis ich einigermaßen mit der homogenen Masse in dem großen Topf zufrieden bin, steht Felix neben mir an die Küchenzeile gelehnt und beobachtet mein Werk. Erst, als ich die Flamme ausstelle und den Topf auf eine kalte Herdplatte schiebe, holt er zwei Suppenteller aus einem Schrank, der sich einige Zentimeter über meinem Kopf befindet. Eigentlich gefällt es mir nicht, dass er sich so viel bewegt, jedoch kann ich ihn genauso wenig davon abhalten. Mit skeptischem und noch unentschlossenem Blick betrachte ich den zweiten Teller in seiner Hand, den er gerade neben das Ceranfeld stellt, sodass ich sie beide befüllen kann. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger und die Küche mit der reinen Intention betreten, für Felix etwas zu kochen. Die Gedanken an meinen knurrenden Magen sind in meinem Eifer verschwunden und auch jetzt kann ich nur schlecht rational einschätzen, ob ich etwas essen sollte.

Um mich erst einmal davon abzulenken, schicke ich Felix zurück in sein Bett, sodass er nicht direkt kommentieren kann, dass mein Teller leer bleibt und mir eventuell noch eine Erklärung einfällt, die ihn überzeugt.

Als ich ihm den vollen Teller bringe, läuft eine Folge Bares für Rares und ich muss schmunzeln, wenn ich Felix' belustigtes Gesicht dabei sehe. Vorsichtig stelle ich die Suppe auf den Nachttisch und verschwinde sofort wieder, mit der Rechtfertigung, ihm noch einen Tee machen zu wollen. Hätte er sich wegen meines Tellers erkundigt, hätte ich ihm nämlich immernoch keine Ausrede liefern können und auch die Zweifel daran, dass er mir "Kein Hunger" glaubt, wachsen mehr und mehr.

Bestimmt zwei Minuten stehe ich in der Küche vor dem leeren Teller und dem vollen Topf. Ich müsste nur die Kelle nehmen und mir eine Portion auftun– normalerweise keine schwere Sache. Die Hemmungen, etwas zu essen, sind aber gerade stärker, als dem Reiz "Hunger", den ich nur teilweise spüre, nachzugehen. Eigentlich habe ich kein Problem mit Essen und mir ist auch nicht schlecht, aber der Gedanke, meinen Magen zu füllen, kommt mir auf einmal so exorbitant berfremdlich vor, dass die Kartoffelsuppe vor mir mich zwangsweise an Erbrochenes erinnert, was rein rational total irrsinnig und kontrovers ist. Ich will Felix aber auch nicht mit sich anbahnender Essstörung belasten, die ich ehrlicherweise schon seit längerer Zeit bei mir feststelle. Ihm während seiner Bauchschmerzen davon zu erzählen, wäre rein kontraproduktiv, außerdem haben wir ausgemacht, dass wir die verbliebene Zeit so gut es geht genießen wollen. Seine Schmerzen schränken uns diesbezüglich schon genug ein. 

Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt