#44 Heteronormatives Hack

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1. Januar 2020, 02:34 Uhr

Perspektive Thomas "Tommi" Schmitt

"Das is' süß." gebe ich zurück, nicke und zwinge mich dazu, nicht weiter darüber nachzudenken.

Doch es will nicht funktionieren. Unweigerlich schwirrt Felix durch meinen Kopf, während Selina in meinen Armen liegt.

"Bist du nicht müde?" frage ich und streichle dabei über ihre Haare. "Doch." murmelt sie und vergräbt ihr Gesicht an meiner Brust. In meinem Kopf liefern sich die Gedanken an Felix und das Verdrängen von dem, was zwischen uns passiert ist, einen unermüdlichen Kampf. Irgendwo zwischendrin spielt die Hoffnung, dass die Frau neben mir so schnell wie möglich schläft, ebenfalls mit ein. Mein innerer Zwiespalt ist jedoch im Moment zu aktiv, um an Schlaf überhaupt denken zu können.

09:25 Uhr

Ich bin müde, unkonzentriert, wenig aufnahmefähig und das Verlangen nach Koffein beherrscht meinen Körper. Aber alles für Selina: Sie wollte heute schon früh los, um am frühen Nachmittag in Köln sein zu können. Gleichzeitig alles für Felix: Ich erbarme mich dazu, wertvolle zwei bis drei Euro für 100 Milliliter schwarze, lauwarme Brühe an einer Tankstelle unterwegs auszugeben, um ihm keinen frisch gebrühten, heißen Kaffee vorzutrinken. 
Dass dieser Kampf, der mir schon die Nacht raubte, nun auch den Tag über begleiten und ihn womöglich versauen wird, vermag ich selbst kaum zu glauben.

Wir stehen zu zweit vor unserem Gastgeber, ich die Hand an meinen gepackten Koffer geklammert und sie ihre Hand-, sowie Reisetasche tragend. Sie greift nach meiner Hand, als Felix zum Wort ansetzen will. "Tschüss. Und danke." kommt sie ihm zuvor, es klingt gepresst. Felix nickt, jedoch ohne ein Fünkchen Anerkennung oder anderem Gegenstück zu ihrer gezwungenen Dankbarkeit. Nach einige Sekunden Schweigen, die uns seit gestern regelmäßig begegnen, kann ich mich zu einem "Ciao, man." durchringen. Ein "Danke."kriege ich nicht hin, löse dafür jedoch meine Hand von Selinas und lasse den Koffer neben mir stehen, mache zwei Schritte auf ihn zu und umarme ihn. Verhältnismäßig fest legt Felix auch seine Arme um mich und ohne sie zu sehen, spüre ich die eifersüchtigen Blicke von Selina und wie sie Felix´ Körper wie ein Maschinengewehr mit Löchern versieht. Er legt seinen Kopf seitlich auf meine Schulter, doch für wenige Sekunden. Diese reichten mir allerdings, um zu  spüren, wie kalt er ist. Außerdem glaube ich, ein Zittern zu vernehmen, was jedoch auch meiner Müdigkeit geschuldet sein kann. Der Fakt, dass es ihm schwer fallen zu scheint, loszulassen, bestätigt jedoch die Antithese.
Ein nur leises, beinahe gehauchtes "Ich brauche dich." hinterlässt mich viele Minuten danach mit einer Gänsehaut, als sich die Wohnungstür hinter uns schließt und wir die Treppen nach unten Richtung Auto laufen.
Mit jeder Stufe wird das Fortbewegen schwerfälliger und nachhängender, als wären die wenigen überwundenen Zentimeter viele tausende Kilometer wären, die ich mich von Felix entferne. 
Warum mich das gerade so berührt, kann ich selbst nicht erklären.

Auch Selinas Aufforderung, den Golf aufzuschließen, gehe ich erst einige Sekunden verzögert nach.
"Tommi? Schatz?"
Auf einmal steht sie vor mir.
"Was ist denn los?"
"Nichts." antworte ich und lüge. "Ich hab' nur wenig geschlafen."
Sie nickt, da sie das von mir gewöhnt ist und schließt den Kofferraum.
"Soll ich fahren?"
"Lass erstmal noch bisschen spazieren gehen. Ich bin noch nicht bereit, Berlin zu verlassen."
Ich lächle gezwungen und korrigiere mich innerlich: Ich bin noch nicht bereit, Felix zu verlassen.

Ohne, dass ich es veranlasse oder Selina einen Plan von dieser Stadt hat, ist unser Weg genau so, wie ich ihn mit Felix gegangen bin. Unweigerlich sehe ich ihn an der Brücke stehen und hinunterschauen, als wir sie überqueren. Ich höre den einzigartigen Klang seiner Schritte mit dem Wasser neben uns eine Melodie bilden. Ich sehe seine Gestalt im aufgehenden Sonnenlicht, als wir durch den Park laufen.
Und ich erkenne die Schlägertruppe, wie sie auf uns zugelaufen kommt. Nur leider bilde ich mir diese nicht ein-  auch Selina nimmt die Männer wahr und klammert sich stärker an meine Hand. Ich beschließe, nicht den selben Fehler zu machen wie vor einigen Tagen und meine Fresse zu halten.
Damit, dass mich die Typen erkennen, hätte ich trotzdem rechnen müssen.

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