#33 Sonnenkopf

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Perspektive Thomas "Tommi" Schmitt

"Bloß deine blauen Augen machen mich so sentimental - so blaue Augen
Wenn du mich so anschaust wird mir alles andre egal - total egal
Deine blauen Augen sind phänomenal - kaum zu glauben
Was ich dann so fühle ist nicht mehr normal"

Die schrille Stimme der Ideal-Sängerin kommt aus meinem Handylautsprecher und ich hebe meinen Kopf langsam vom Bildschirm zu Felix.
"Was fühlst du denn?" fragt er mit sanfter Stimme und nimmt meine Hand. Ob er mir mit Absicht in die Augen sieht oder das einfach sein starrer Blick in einer solchen Situation ist, weiß ich nicht. Es ist auf jeden Fall nicht wirklich hilfreich, auch nicht, um meinen Gedanken einen angemessenen Ausdruck zu verleihen.
"Ich glaube, es ist einfach zu viel, irgendwie."
Fragend schaut Felix mich an, sagt aber Nichts.
"Ich glaube, ich fühle zu viel." erkläre ich genauer.
"Ich hab' immer Selina noch im Kopf, aber gleichzeitig auch das mega gute Gefühl, wenn wir uns halt...küssen."
Auf einmal scheint es, als würde das Verb, welches doch etwas so Schönes beschreibt, zu den Tabu-Wörtern gehören und ich kann es nur schwer aussprechen.
Eigentlich will ich mir die Magie des Wortes und das, was dahintersteckt, nicht versauen lassen, aber neuerdings denke ich dabei immer an Felix, was an sich nichts Schlechtes ist. Aber ich bin verdammt nochmal mit Selina in Köln zusammen. Nicht mit Felix in Berlin.
Ich wohne in Köln. Aber momentan halte ich mich in Berlin auf.
Auf einem kalten Badezimmerboden und einen hübschen Mann vor mir, der sich gerade um meinen Hals kümmert.

Wo und mit wem ich gerade lieber bin oder sein würde, kann ich wirklich nicht sagen.
Noch nie war ich so zwiegespalten.

"Wie...sieht's bei dir aus...so...gefühlstechnisch?" frage ich unsicher und muss innerlich kurz über die typisch deutsche Endung "-technisch"' schmunzeln.
"Ich bin...unentschlossen." antwortet Felix und es klingt wirklich so.
"Und verliebt." ergänzt er. Dass er das ernst meint, glaube ich ihm anhand seiner Mimik sofort.

Er hat es zugegeben.
Er kann es sich eingestehen.
Er weiß, was er für mich fühlt.
Er will mehr als eine Bromance.
Er hat aber auch keine Freundin.
Warum und seit wann ist Liebe so schwer?


Seufzend lasse ich mich nach hinten auf das Bett fallen und starre gegen die Decke.
Soll ich ihm direkt auch noch erzählen, dass die Schweine mir Geld abgezogen haben?
Wenn ich ihm schon nicht meine Gefühlslage ordentlich beschreiben kann, sollte ich wenigstens ehrlich sein und Alles berichten.
"Ich muss dir noch 'was sagen." setze ich an, schockierte Blicke treffen mich.
"Die haben mir noch fünfzig Euro abgezogen..." beichte ich, zu meiner Verwunderung nickt er.
"Du hast auch irgendwie vorhin im Schlaf geredet." sagt Felix und ich werde hellhörig.
"Was und wie viel hab' ich denn erzählt?" will ich wissen und schaue ihn an.
"So genau weiß ich das gar nicht mehr. Irgendwas, dass du nicht mehr hast oder sowas.". Ich nicke und verdamme meine Rede im Schlaf. Das mache ich zu oft und auch so bin ich dann fast unerträglich, wenn ich einen scheiß Tag hatte.

Immernoch den Blick gegen die Decke gerichtet, spüre ich, wie Felix sich neben mich legt und die Matratze beschwert.
Unsere Arme berühren sich leicht und ich bemerke, wie er Gänsehaut bekommt.
"Mach dir keinen Kopf um das Geld...das kriegst du wieder." behauptet er und in seiner Stimme höre ich, dass er mir das von sich geben will.
"Quatsch, hör auf. Du kannst dafür ja Nichts."
"Aber es ist meine Schuld."
Eigentlich stimme ich ihm darin nicht zu, widerspreche aber auch nicht, weil er eh von seiner Schuldigenrolle überzeugt ist und sich nicht von seiner Meinung abbringen lässt.
"Du musst mir das nicht geben, wirklich nicht."
"Hm."
Seine linke Hand wandert langsam zu meiner Rechten und verschränkt unsere Finger fest.
Ich bewege mich nicht; will ihn nicht abweisen, mich aber auch auf Nichts einlassen.
Ich bin schon so ohne Berührungen überfordert, weshalb ich meine Augen etwas zusammenkneife.

Felix drückt meine Hand und streichelt kurz einmal mit dem Daumen über den Handrücken. Ich höre ihn schniefen.
Auf seine liebevollen Bewegungen kann ich nicht eingehen und ob ich will, weiß ich nicht.

Wir sitzen uns gegenüber im Schneidersitz auf seinem Bett.
Vorsichtig nimmt Felix mein Gesicht in seine Hände und lehnt die Stirn an Meine. Dabei schauen wir uns tief in die Augen.
"Ich liebe Selina."
Tränen laufen über seine ausgeprägten Wangen.
"Ich weiß." sagt er leise, ohne sich auch nur die kleinste Mühe zu geben, seine Gefühle zu verstecken.
"Es tut mir leid."

Ich beiße mir auf die Lippe, ich will nicht auch noch weinen.
Nicht schon wieder.
Nicht vor ihm.
Obwohl ich mehr als das Bedürfnis dazu habe.
Ich mag ihn ja auch sehr, nur weiß ich nicht, wie sehr.

"Tommi, man. Ich will einfach nur 'ne geile Zeit mit dir haben und dich....küssen, wann ich will. So ganz entspannt halt. Ich will nicht, dass es so anstrengend ist, weil du bist echt ein cooler Typ. Ein richtig korrekter Typ.
Ich mag dich, man."
Vor dem letzten Satz macht er einige Sekunden Pause.
Dass er es "nur" so meint, bezweifle ich.
"Wäre es okay, wenn wir uns nicht mehr küssen?" frage ich leise.
Dieser Satz tut aber troztdem weh.

Erschöpft lasse ich meinen Kopf fallen, es fühlt sich an, als würde er 100 Kilogramm wiegen.
Felix fährt mit einer Hand von vorn durch meine Haare und vorsichtig über meinen Nacken.
Unsere Knie berühren sich, Felix wippt mit ihnen auf und ab.
Eine Hand legt er auf mein Knie und streichelt darüber.
Ich unterdrücke es, gedanklich auf meine entstandene Gänsehaut einzugehen und meinen Kopf mit dem zu konfrontieren, was mein Körper bei Felix' Berührungen aussagt.

Die Sonne geht gerade unter und scheint durch die Fenster in Felix' Wohnung.
Wir sitzen uns immernoch gegenüber, unsere Stirnen hängen wieder aneinander und wir schauen nach unten.
All unsere Tränen sind mittlerweile getrocknet, auch ich konnte mich dann nicht mehr zurückhalten. Taschentücher sind aber nie zum Einsatz gekommen, dafür waren wir beide zu gelähmt.
Luft trocknet auch.
Meine Wangen kleben und es fühlt sich komisch an, wenn ich mein Gesicht bewege.
An den Stellen, an denen sich unsere Gesichter berühren, sind unsere Tränen zusammengeflossen.
Sind wir nach Außen wirklich "Gemischtes Hack" und intern "Gemischte Tränen"?
Ersteres schmeckt auf jeden Fall deutlich besser.

Felix hebt seinen Kopf, als Reaktion aus Interesse tue ich es ihm gleich und sehe ihn an.
Er küsst mich sanft auf die Stirn und verweilt mit seinem Kopf ein Stück an meinen Haaren.
Danach lächelt er mich an.
Ich versuche es auch, jedoch sieht es bestimmt zu gezwungen aus.
Wirklich glücklich fühle ich mich gerade nicht.
Mein Herz tut wörtlich weh.

Die Sonne blendet mich und ich kneife das rechte Auge zusammen.
"Mein kleiner Sonnenkopf." kommentiert Felix lächelnd, klingt aber traurig und seine hochgezogenen Mundwinkel werden von seinen unglücklichen Augen überschattet.

"Mein Wuschelkopf" ergänzt er und es sieht aus, als würde er unterdrücken, mir durch die Haare zu wuscheln.

Von weiteren Kosenamen werde ich überhäuft, die teilweise so kontext- und zusammenhangslos erscheinen, dass ich bezweifle, dass er sie nur aus Spaß meint.
Ich glaube, er will damit kompensieren, dass wir uns nicht mehr küssen.

Es tut mir leid, aber da müsst ihr jetzt durch.
Es kommen auch wieder bessere Zeiten...bestimmt. Irgendwann ;)
Das nächste Kapitel wird auch wieder ETWAS länger ;)
Knv!

Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt