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Perspektive Thomas "Tommi" Schmitt

Vor mir. Er erschreckt sich vor mir, weil er so fokussiert ist und anscheinend vergessen hat, dass ich mit ihm unterwegs bin. "Boar Tommi alter! Warum bist du hier?" schnauzt er mich an, merkt aber sogleich, dass dieser Umgangston unangebracht ist und entschuldigt sich. Der Blonde zerreibt den alten Zigarettenstummel zwischen Daume und Zeigefinger und macht sich eine Neue an. "Kannst du mir jetzt mal bitte sagen, was los ist?" frage ich ihn, doch erhalte keine Antwort. "Felix! Hallo?" werde ich etwas lauter und erziele gewissen Erfolg: Sein Kopf,welcher mitterweile wieder die Umgebung ins Visier nimmt, richtet sich zu mir: "Sorry dikka. [Ac: sorry für die Schreibweise.Bin kein Fan davon,mir ist aber nichts besseres eingefallen^^] Hab vorhin so nen Typen gesehen, den ich kannte und mit dem ich noch was zu klären hab. Das Gebiet bis zur Straße da vorn", er zeigt auf die Parallelstraße zu der, auf der wir gerade stehen und von welcher wir kommen, "verlässt er nie.Jetzt ist die Luft rein- denke ich." Ich will etwas erwidern, jedoch holt er sein Handy raus und schaut mit konzentriertem Blick irgendetwas anscheinend wichtiges nach- ich will ihn darin nicht unterbrechen. So ernst wie jetzt habe ich ihn bis jetzt nur erlebt, wenn wir in einer ruhigen Minute über seine Mutter geredet haben. Als er einen weiteren tiefen Zug von seinem Glimmstab nimmt, traue ich mich endlich, ihn zu fragen: "Wer ist dieser Typ?". Vielleicht nicht die angebrachteste oder beste Frage in dieser Situation, jedoch ist das der Fakt, der mich am meisten in dieser Situation interessiert. "Keine Ahnung"- ich bin mir sicher, dass Felix genau weiß, wer das ist, doch das ist sein Standardsatzanfang- "irgendso 'ne nachtragende Schwuchtel ausm Tempelhof...hatten vorn paar Jahren, als ich aus Marburg zurückgekommen bin und so langsamer bekannter wurde irgendwann mal mega den Stress und jetzt will der Penner das immernoch klären...". Auch, wenn seine Stimme nun resignierter klingt, sind seine wilden Gestiken, die ausgefallener als sonst sind, Beweise genug dafür, dass er noch ziemlich verkopft gerade ist und ihn das Thema nicht richtig loslässt. Mit "Willst du trotzdem noch auf den Weihnachtsmarkt?" wechsle ich das Thema, in der Hoffnung, dass wir nicht umsonst losgelaufen sind. "Ja, schon. Und zurück können wir grad eh nicht." antwortet Felix und dreht sich noch einmal nach hinten um, bevor er mich dann wieder anschaut, meine Hand nimmt und zielstrebig unsere ursprüngliche Richtung verfolgt. Gezwungenermaßen folge ich ihm- zum Glück sieht es nicht so aus, als würden wir normal Händchen halten, sondern eher so, wie es tatsächlich ist: er zieht mich mit. Nicht so, dass es wehtut, und nachdem er entschlossen ist, dass ich sicher mitkomme, lässt er los. Stumm gehen wir auf gleicher Höhe weiter,bis wir aus dem weitestgehend ruhigen Gebiet in ein belebtes kamen. "So dit müsstes jetze sein hier."untebricht Felix das etwas ungewohnte Schweigen und sieht sich um: Auf dem für Berlin relativ kleinen Platz stehen exakt 7 Buden: einer verkauft selbstgemachte Wollprodukte, einer bietet Informationen zum umweltschonenderen Leben und beim Rest kann man alle möglichen Heißgetränke und typisches Essen erwerben. Der "Weihnachtsmarkt" zählt ganze 12 Besucher,zwei davon sind Felix und ich- für einen Sonntagnachmittag in Berlin schwach. Für einen Öko-Markt in Kreuzberg jedoch wahrscheinlich Rekordzahlen. "Ick brauch wad heißes, Tommi." sagt Felix und reibt sich dabei die Hände. Ich grinse: "Ich steh doch hier!"- Meine Stimme rutscht hoch- wie immer, wenn ich einen nicht ganz so ernst gemeinten, "angeschwulten", wie Felix es nennen würde, Witz mache. Dazu lache ich dezent komisch. Er grinst auch, weil allein sein erster Satz zweideutig war, nur bin ich mir nicht sicher, ob er dabei an Männer oder an Frauen gedacht hat. "Komm, wir gehen einfach zu dem Glühweinstand, der am wenigstens öko ist, ja?" kichert Felix. Diesen hohe Ton, der entsteht, wenn er ehrlich lacht, könnte man als Zeichen seiner schwulen Seite ansehen. Ich weiß,Klischees und so, aber ist doch so. Bei der Vorstellung muss ich schmunzeln. Nicht, dass Felix schwul wäre- zumindest nicht, dass ich wüsste- aber jeder hat doch so ein paar Sachen, oder nicht? Ich versuche immer, meine so gut es geht zu verstecken, vor allem seit unserer Popularität mit Gemischtes Hack. Ich wollte nie irgendwelche Beziehungsklischees ankurbeln- auch wegen meiner Freundin hatte ich keinen Bock darauf. Vielleicht war es sogar etwas Angst, als schwul bezeichnet zu werden.
Da man von außen an den Buden nicht erkennen kann, welchen pseudo Rettet-die-Wale-Verein man wo am wenigsten unterstützt, nehmen wir einfach den erstbesten.
4,50€ pro Glühwein plus 10€ Tassenpfand.
Nachdem wir also knapp 30€ für 2 Heißgetränke ausgegeben hatten- was übrigens auch der Grund für mich ist, Weihnachtsmärkte so gut es geht zu meiden-stellen wir uns an einen offensichtlich selbstgeschnitzten Holzstehtisch. Seine Höhe reicht mir ungefähr bis zur Hüfte und es ist weder ein Sitz-, noch ein Kindertisch. Felix sieht daran noch witziger aus: nachdem wir angestoßen haben, beobachte ich ihn ein Stück und muss immer wieder schmunzeln, wenn nicht sogar grinsen.

Knv!

Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt