"Wir müssen unbedingt zusammen Sport machen, wenn du morgen wieder hier bist."
bestimmt Felix, als er sein Handy gerade an einer Obstschale anlehnt und sich auf den Stuhl vor dem Tisch setzt, um seinen Freund im Videoanruf besser sehen zu können. Tommi nickt, muss grinsen und nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Felix beginnt genüsslich sein Spiegelei zu essen.
Sie haben sich mittlerweile damit arrangiert.Was beiden jedoch nicht gefällt, ist Tommis Aufenthalt in Köln. Traurig legt dieser die Unterarme auf den Tisch und die Hände übereinander, sodass er seinen Kopf darauf legen und seinem Freund wenigstens etwas näher sein kann. Mit Hundeblick schaut er in die Kamera seines Handys und macht einen Schmollmund.
"Ich vermisse dich auch, Hase." sagt Felix und streicht mit dem Daumen auf seinem Bildschirm über Tommis Haare.
"Ich will dich umarmen und mit dir kuscheln können. Jetzt. Das ist so scheiße, wenn du einfach nicht da bist." murmelt der Kölner und schaut nach unten.
"Morgen. Morgen früh kommst du zu mir, ich hole dich vom Bahnhof ab. Dann sind wir wieder richtig zusammen und können erstmal so richtig viel kuscheln." versucht Felix, seinen Freund etwas aufzubauen und lächelt milde. So richtig überzeugt ist er selbst nicht.Ihr Videoanruf hatte bereits vor zwei Stunden kurz nach dem Aufwachen in den jeweiligen Betten gestartet. Seitdem hatten sie sich ständig begleitet- auch beim Duschen und fertig machen. Dass das kein vollwertiger Ersatz ist, haben sie bereits nach wenigen Sekunden gespürt. Felix musste gähnen, seine kurzen Haare waren total zerstrubbelt und der Drang in Tommi, ihn zu berühren und durch die Haare zu fahren wuchs mit jeder Sekunde. Auch sein nackter Oberkörper vor der Dusche in dem Badezimmer, in dem bereits diverse zwischenmenschliche Ereignisse stattgefunden haben, lenkt ihn nicht davon ab. Zu gerne wäre er in diesen Momenten in Berlin.
"Ich muss jetzt aber bald los." meint Felix und schaut auf seine Uhr. Tommi nickt traurig, macht aber keine Anstalten zum Verabschieden. Der Berliner lässt sich dazu verleiten, sich wie Tommi kurz vor seinem Handy auf den Tisch zu legen. Dabei kann er sich ebenfalls nicht entscheiden, ob er in die Kamera oder auf das Display schauen soll. Tief und tiefer starrt er, als könne das die gefühlt unendliche Distanz zwischen ihnen überbrücken, die dank FaceTime nur wenige Millimeter betragen zu scheint. Umso schmerzlicher die gegenteilige Realität, die ihm wieder in den Kopf schießt, als er sich zurücklehnt und seufzt.
"Nico wartet bestimmt schon. Und du musst doch bestimmt auch bald arbeiten. Bist ja nicht umsonst in Köln."
Zugegeben interessiert Tommi seine Arbeit in diesem Moment herzlich wenig. Stattdessen ist er eifersüchtig und schaut grimmig.
"Was? Wegen Nico?"
Der Größere nickt.
"Ach, komm schon. Der braucht mir keine Hilfestellung geben. Und wenn, dann nicht so, dass sich mein Herr Schmitt Sorgen machen muss. Außerdem ist das eine total unsexy Situation. Auch, wenn er ziemlich krass trainiert ist, brauch' ich dem nicht hinterhergucken. Oder auf'n Arsch. Ich hab' deinen Körper. Den will ich. Ich will nicht Nicos Arsch. Ich will deinen Arsch."
Er grinst, scheint seinen Freund jedoch nicht überzeugt haben. Distanz trifft.
"Alter, jetzt mal ehrlich. Bei dem sind sogar die Lippen trainiert. Die zerquetschen dein Gesicht beim Küssen. Da sind mir deine weichen und zarten Lippen lieber." ergänzt er und fährt sich lasziv über den eigenen Mund.
"Außerdem hat er Frau und Kind und Hund und ist glücklich mit denen. Und ich muss trotzdem los."
"Hm. Na gut." pflichtet Tommi mürrisch bei. Überzeugt ist er auch diesmal nicht."Warte. Ein was will ich dir noch zeigen." fährt er fort und steht plötzlich auf, nimmt sein Handy in die Hand und läuft durch die Wohnung.
Felix sieht viel T-Shirt, ein Zimmerwechsel, Licht, das angeht, dann die Außenkamera.
Ein Spinning Bike steht mitten im Raum. Darauf liegt eine dunkelblaue Jeans.
Tommi lacht. Felix seufzt.
"Willst du mir jetzt die Hose zeigen?"
"Hm, auch. Die ist neu. Aber schau mal, hier!"
Der Kölner deutet unfehlbar auf das irgendwie ausladend designte Fahrrad.
"Tommi, ick seh dit Ding."
Felix ist mittlerweile aufgestanden.
"Beziehungsweise nur fast, weil da viel Hose ist. Die sollte da nich' sein. Wirklich nich'. Ziehst du die jetzt an? Oder belastet die weiterhin diesen übertrieben Fehlkauf?"
Wortlos wechselt Tommi die Kamera erneut, befestigt das Handy in der integrierten Halterung und setzt sich auf den Sitz des Sportgerätes. Sein Gesicht drückt dabei keinerlei Motivation aus. Er schaut nur stumm seinen Freund an."Schatz, das schreit nach einem gemeinsamen Training. Du musst unbedingt ganz schnell wieder herkommen. Mein Homegym-Keller wartet auch schon."
"Hm, ja. Und du musst dich von Nico fernhalten."
Felix verdreht die Augen.
"Ich schreib' dir, wenn ich fertig bin. Viel Spaß beim Arbeiten. Wir sehen uns morgen." beendet er und legt auf, seufzt.
Danach macht er sich zügig auf dem Weg ins Fitnesstudio.Ein plötzliches Gefühl von Unmännlichkeit überkommt den Neuköllner, als er mit seiner Playlist auf den Kopfhörern durch Berlin läuft. Er kann nicht erklären, warum oder woher das auf einmal rührt.
Eigentlich weiß er, dass seine starken Empfindungen ziemlich sinnlos sind. Trotzdem ist es eines dieser komischen Gefühle, gegen die er dringend etwas tun muss. Sonst wird er ziemlich schnell ein psychisches Wrack.Nach dem erfolgreichen Training fragt er Nico nach einer Möglichkeit zum Boxen. Das hatte er das letzte Mal gemacht, da war er noch ein Jugendlicher. Aber irgendwie ergreift ihn dieser starke Drang in diesem Moment. Wenigstens ist er so vernünftig und ruft nicht einen seiner alten Rivalen aus Neukölln an, um sich auf der Straße mit ihm zu boxen.
Wie erwartet kennt Felix' Personal Trainer einige Anlaufstellen und schickt ihm die Adressen per WhatsApp.
Zügig, beinahe routiniert checkt er die Clubs und Vereine, entscheidet sich letztendlich für einen, der nur sechs Minuten Fahrzeit vom Kotti entfernt liegt.
Fast automatisch macht er sich sofort auf den Weg, schreibt Nico, für welchen er sich entschieden hat und addiert den Hinweis, dass er dem Studiobetreiber nicht mit "Unser Manu will mal bei euch vorbeischauen." seinen Besuch ankündigen muss. Das hatte er bei der Saunenanlage bereits getan.Eine weitere Gehirnerschütterung kann sich Felix eigentlich nicht leisten, deshalb ignoriert der Berliner die Kopf- und Nackenschmerzen und die Übelkeit vorerst so gut es geht.
In seiner latenten Verwirrung kann er nur feststellen, dass ihm der Kampf mit dem gänzlich unbekannten Mann gut getan hat. Ihm ist es egal, wer das war. Sowieso ging alles viel zu schnell, trotzdem hat es ihm gefallen.
Eine Art Flashback ereilte ihn. In die Zeit, in der er noch aktiv geboxt hatte. Tunnelblick davor, Tunnelblick währenddessen. Impulsive, gezielte Bewegungen in Richtung des Gegners, seine Gesichtsknochen spüren, ausweichen, die Augen zusammenkneifen.
Sich beweisen, seine Stärke und Männlichkeit zeigen. Gesten sprechen lassen.
Nach wenigen Minuten, von denen einige scheinen wie Stunden, andere wie Sekunden, völlig außer Atem, mit dem Gegener einschlagen, aus dem Ring klettern. Etwas trinken, in die Umkleidekabine wanken und auf die Bank fallen. Tunnelblick danach.
Die Augen schließen, weil das Licht stört, den Schwindel unterdrücken und tief durchatmen. Das Blut im ganzen Körper durch seine Bahnen pulsieren spüren.
Warten, bis es aufhört. Die Benommenheit, die Doppelbilder.Früher war das nach wenigen Minuten und ein bisschen Wasser wieder weg.
Jetzt, als Felix in seiner Wohnung sitzt, hält dieser Zustand noch immer an. Seine Versuche, die Situation zu verbessern, scheitern kläglich. Netflix hilft nicht, Musik hilft nicht, arbeiten auch nicht. Sport hat er schon gar nicht vor. Auch spazieren scheint zu anstrengend.
Er schafft es, auf der Couch zu liegen und mit seinem Bruder zu schreiben. Ihm erzählt er alles, tippt einen Roman über seine Motive, muss dabei öfter absetzen und neu nachdenken.Zwischendurch erreicht ihn ein Herz von seinem Freund. Er lächelt. Gleichzeitig fällt ihm schlagartig ein, dass ein FaceTime-Anruf jetzt denkbar ungünstig wäre. Seit er zu Hause war, hat er nicht einmal in den Spiegel geschaut, kann also gar nicht einschätzen, wie zugerichtet oder fertig er eventuell aussieht. Der Spiegelung seines schwarzen Handybildschirms sind seine Augen ebenfalls aus dem Weg gegangen.
Er spürt jedoch auch keinen Schmerz. Wobei das nichts bedeuten muss.
<<Wann sehen wir uns nochmal wieder?>> fragt er, weil es dem Berliner einfach nicht einfallen will.
<<Morgen. Morgen früh. Ich komme mit dem Zug zu dir, du holst mich vom Bahnhof ab>>
<<hatten wir doch aber schon ausgemacht>>
Die letzte Nachricht trifft. Er hat es wirklich vergessen. Das macht ihm Angst.Ich bitte dich, vor allem ab jetzt auf deinen Körper zu achten und zu hören.
Keine Unnormalheiten zu ignorieren, allem auf den Grund zu gehen.
Das ist wichtig, glaub mir.
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Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story
DiversosKreativerer Titel kommt vielleicht noch,aber so wisst ihr wenigstens, worum es geht. Für die Tzex-Ferkel: Kapitel 18: Felix top, Sicht Felix Kapitel 57: Felix top, Sicht Tommi Kapitel 69: Tommi top, Sicht Tommi Kapitel 100: Tommi top, Sicht Felix Ka...