Im Gegensatz zu allen anderen taucht Jaemin trotz Aussetzen der Uniformregel, trotz hoher Temperaturen in langärmliger Kleidung auf – denn die beschützt ihn vor unabsichtlichen Berührungen, dämpft den Kontakt. Ein weiterer Grund, weshalb er immerzu als seltsam abgestempelt wird; nie trägt er etwas anderes als Hemd oder Hoodie, egal, wie warm es ist.
So steht er von Anfang an abseits, folgt nur den Anweisungen seiner Lehrer oder Mitschüler, und hat bis zum Start der Spiele nicht einen Menschen berührt, eine Fähigkeit, die er mittlerweile problemlos beherrscht.
Nur tritt nun das Problem auf, dass vor wenigen Minuten ein Mitspieler sich den Knöchel verstaucht hat, ein weiterer krank ist, und Jaemin somit nur noch einer von zwei Auswechselspielern ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass er teilnehmen muss, ist also hoch. Trotzdem hofft er, dass es nicht so sein wird.
Erfolglos. Bereits im zweiten Spiel steht er auf dem Feld, hält sich weit außen, doch bei gerade einmal vier Spielern auf beiden Seiten muss er sich wohl oder übel beteiligen. Also schaltet er einfach ab, ignoriert so gut es geht die Leben, die ihn sofort überfallen, und landet gleich darauf auf dem Fußboden, nachdem jemand förmlich in ihn hineingerannt ist. So zierlich wie er eben ist, hält er dem nicht stand, die Wucht lässt seinen Körper schmerzen, aber er vergisst das über einen Gedanken: Wer auch immer gerade mit ihm in Kontakt gekommen ist, liefert ihm nur Informationen über seine Vergangenheit. Und als Jaemin sich aufrichten kann, die Stimme seines Gegenspielers hört, wäre es ihm lieber, so aufgekommen zu sein, dass er das Bewusstsein verloren hätte.
Denn es ist niemand anderes als der beliebte Lee Jeno.
"Das tut mir so leid, alles okay? Ich hab dich irgendwie voll übersehen." Er ist der Einzige, der keinen Abstand von Jaemin hält, als dieser aufsteht, mit dröhnendem Kopf, wackeligen Knien. Seine Hand schwebt noch verloren zwischen ihnen, er senkt sie und mustert den Jüngeren, so verloren, den Kopf gesenkt. Hinter ihm entsteht eine Diskussion mit dem Sportlehrer als Schiedsrichter, und so steht nur noch Jeno vor ihm.
"Hast du Kopfschmerzen? Du solltest aussetzen. Vielleicht ist es eine Gehirnerschütterung. Scheiße, hoffentlich hast du dir nichts geprellt. Kannst du allein laufen oder brauchst du Hilfe?" Jaemin schüttelt heftig den Kopf, doch sein Kreislauf flippt davon völlig aus, er stolpert beinahe rückwärts, kann sich gerade so abfangen.
"Ich hol dir was zum Kühlen", sagt Jeno, verschwindet gleich darauf, denn er sieht, wie Jaemin humpelt, auch wenn der es zu verstecken versucht. Er bekommt Jenos Worte nicht mit, ist noch zu durcheinandergebracht.
Die einzigen Personen, bei denen es ähnlich ist, sind seine Eltern, war sein bester Freund aus der Grundschule, denn ihre Leben überschneiden sich mindestens teilweise mit Jaemins, sodass diese Teile fehlen. Warum das also auch für Jeno gilt, noch darüber hinaus, warum bei Jeno also nichts ist, kann Jaemin sich beim besten Willen nicht erklären.
Als Jeno zurück ist, muss er erst einmal mit seinen Teammitgliedern diskutieren, da sie im Gegensatz zu ihm nicht einsehen wollen, warum er aussetzen muss, schließlich ist er ihr bester Spieler, aber bald hat er Jaemin erreicht und hält ihm das Kühlpack hin. Das bleibt nicht ungesehen, natürlich nicht, aber Jeno ist es egal.
Wortlos nimmt Jaemin es ihm aus der Hand, hoffend, dass er ihn einfach in Ruhe lässt, aber Jeno setzt sich neben ihm auf den Fußboden.
"Du redest wohl echt nicht gern, wenn du dich nicht einmal bedankst. Sagst du mir wenigstens deinen Namen? Oder muss ich mich durchfragen, bis mir ihn jemand sagt?" Abwartend sieht Jeno zu ihm hoch und Jaemin gibt die Hoffnung auf, ihn loswerden zu können.
"Jaemin", sagt er leise.
"Jaemin?" Er nickt. "Schöner Name. Ich bin Jeno." Jaemin wirft ihm einen Blick zu. Ihm sollte bewusst sein, dass jeder in der Stufe seinen Namen kennt, wenn nicht sogar auch alle anderen. Er gehört ja nicht grundlos zu den Beliebtesten der Schule.
"Ja, du weißt höchstwahrscheinlich, wie ich heiße, wenn du nicht seit zwei Tagen erst hier bist, aber es ist höflich." Jeno grinst. "Was du ja nicht so gut kannst." Warum nur klingt das nicht nach einer Beleidigung, wenn er das sagt? Jaemin versteht überhaupt nichts mehr.
Jeno stützt sich auf der Bank neben ihm ab, mustert ihn noch eine ganze Weile, bevor er wieder etwas sagt. "Du hast keine Freunde, oder?" Jaemin schüttelt den Kopf. "Lässt sich leicht ändern, wenn man anfängt, mit anderen Menschen zu reden." Wieder ein Kopfschütteln. "Du willst keine Freunde?" Nicken. "Warum nicht? Jeder braucht Freunde." Ein Rufen von Jenos Namen hält diesen davon ab, auf eine Antwort zu warten. Jaemin kann nicht ausmachen, von wem es kommt, Jeno schon, denn er seufzt leise und setzt sich aufrecht hin. Eine Form von Enttäuschung überkommt Jaemin. Endlich wieder jemand, der mit ihm redet, und schon geht er wieder.
Aber Jeno hat andere Pläne. "Hast du dein Handy hier?" Überrascht sieht Jaemin zu ihm auf. Sofort hört er Kinderlachen, denn Jeno sieht ihn ebenfalls an, und so wendet Jaemin seinen Blick hastig wieder ab. Seine Tasche steht unter der Bank unter ihm, und er holt sein Handy heraus, ahnungslos, was Jeno vorhat.
"Darf ich?" Jaemins Griff um den einzigen Gegenstand, den er anfassen kann, wird fester. "Ich will dir nur meine Handynummer geben und mich selbst anschreiben, um dich weiterhin nerven können." Noch immer hält Jeno ihm geduldig die Hand hin, und zögerlich entsperrt Jaemin sein Handy, legt es auf Jenos Finger. Während der seine Nummer eingibt, wird er erneut gerufen, und so steht er auf, bevor er es Jaemin zurückgibt.
"Ich meld mich bei dir", schmunzelt er, dreht sich um und begegnet einem älteren Schüler, unterhält sich mit ihm.
Jaemin versteht es nicht. Er hat ihn erneut berührt, diesmal konzentrierter, doch da ist immer noch nichts. Nur seine Kindheit, sein Jugendalter, nicht mehr als bis zu diesem Jahr.
Jenos Leben ist das einzige, das Jaemin an dem Abend nicht vollständig aufschreibt.
27.06.2020
Wenn es irgendwelche Logikfehler gibt, bitte weist mich darauf hin! Ich hab z.B. an Jaemins Fähigkeit schon jetzt viel zwischendrin geändert und da kann es sein, dass ich an manchen Stellen vergessen habe, es zu ändern
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can't you see me? ❈ nomin ✓
Fanfiction𝙣𝙤𝙬 𝙥𝙡𝙖𝙮𝙞𝙣𝙜: can't you see me - txt 03:06 ────────────●─ 3:21 ⇆ㅤㅤ ㅤ◁ㅤㅤ❚❚ㅤㅤ▷ㅤㅤ ㅤ ㅤ↻ 𝙣𝙚𝙭𝙩 𝙛𝙧𝙤𝙢: 𝙙𝙖𝙣𝙘𝙞𝙣𝙜 𝙞𝙣 𝙩𝙝𝙚 𝙧𝙖𝙞𝙣 runaway - eric nam » Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, alles vereint in dem fast ach...