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Am Montag ist Jaemin noch in der Schule, sagt Jeno aber, dass seine Mutter daran arbeitet, ihn rauszuholen – und am Dienstag ist er dann weg.

Jenos boyfriend-anxiety, wie Donghyuck es gerne nennt, setzt ziemlich schnell ein, er ist nervös, ständig in Gedanken, und er sagt das Treffen mit ihm und Renjun ab, um Jaemin einen Besuch abzustatten.

Seine Mutter lässt ihnen erneut nicht mehr als zehn Minuten, und Jeno füttert den Jüngeren, während er ihm eine Kurzzusammenfassung des Schultags gibt. Jaemin hört kaum zu, sitzt nur da in Jenos Hoodie und zwingt sich zum Essen, damit Jeno sich keine Sorgen macht und er nicht aus den Latschen kippt.

"Lassen sie dich morgen arbeiten?"

"Weiß nicht", sagt Jaemin leise, "glaub ja."

"Kann ich vorbeikommen oder mach ich es dann schlimmer?"

"Keine Ahnung."

"Du schreibst einen Brief. Mit allem, was du mir gerade zu sagen hast. Und den gibst du Juhyun-noona oder einer der anderen. Ich hol ihn mir dann ab."

"Schreibst du mir auch einen?", fragt Jaemin leise.

"Na klar, bunny. Ich geb ihn direkt nach der Schule ab, damit du ihn kriegst."

"Danke", flüstert er.

Den Rest der Zeit umarmen sie sich nur. Als sie sich lösen, sieht Jaemin so traurig aus, dass Jeno ihn nur nicht küsst, weil seine Mutter ihn mit imaginären Blitzen beschießt.

"Du schaffst das, bunny", flüstert Jeno, drückt seine Hand sanft, lässt Jaemin mit kalten Fingern zurück, und als er einen Blick über die Schulter wirft, ist der Jüngere schon hinter der Haustür verschwunden.

Am nächsten Tag kann Jaemin sich nur zur Arbeit schleppen, da er weiß, dass Jenos Brief auf ihn wartet. Trotzdem ist er zu spät, nur wenige Minuten, und doch kriegt er dafür von den anwesenden Drei besorgte Blicke, und die lassen auch nicht nach, als er sie nur begrüßt und danach stumm bleibt.

"Jeno hat was für dich abgegeben", versucht Yerim, ihn zum Sprechen zu bekommen. Doch er sieht sie nur an, nimmt ihr den Brief mit nicht mehr als einem gemurmelten Danke ab.

Kaum beginnt er zu lesen, ist er weg aus der realen Welt, bekommt seine Noonas gar nicht mehr mit.

Hallo bunny,
es ist etwas seltsam, dir einen Brief zu schreiben, wo wir uns gerade erst gesehen haben. Aber für dich ist das immerhin schon einen ganzen Tag her, für mich noch keine zwei Stunden.
Wie geht es dir? Hast du heute etwas essen können? Hast du schon etwas getrunken? Pass bloß gut auf dich auf und lass dich von Juhyun-noona ein bisschen umsorgen.
Ich hab mit Appa gesprochen, als ich nach Hause kam. Er sagt, wenn deine Eltern dich nicht zu mir lassen, kommt er mit mir vorbei. Alles Weitere klärt ihr zusammen. Ich kann dabei sein, muss es aber nicht, wenn du das nicht möchtest – und das ist dann auch okay. Ich will, dass du das machst, was für dich richtig ist, und wenn ich das beeinflusse, will ich nicht dabei sein. Appa hat auch eine Schweigepflicht, die er ohne deine ausdrückliche Erlaubnis auch mir gegenüber nicht brechen darf. Alles, was du sagst, bleibt zwischen euch.
Er will das möglichst bald machen, falls er damit verhindern kann, dass du auf eine andere Schule musst. Deshalb sag mir einfach, wann es für dich okay ist, und dann leit ich das an Appa weiter.
Bunny, wenn du dich schneidest, versorg das bitte danach. Ich kann das nicht machen, aber ich möchte nicht, dass das zu schlimm wird. Wenn es dir hilft, zieh danach meinen Hoodie an und kuschel dich mit einem Buch und Nono in dein Bett. Hast du noch genügend Bücher? Ansonsten leg ich dir in den nächsten Umschlag etwas Geld. Oh, und die Teebeutel hast du sicherlich auch noch nicht aufgebraucht, oder? Wenn ich dir neuen besorgen soll, sag mir ruhig Bescheid.
Ich liebe dich, bunny. Auch wenn ich dich ganz lange nicht sehe. Und ich vermisse dich noch mehr, als ich dachte. Dabei haben wir uns gerade erst gesehen...
Ich freu mich schon auf deinen Brief
Deine Blume

Gerade als Jaemin, mit Tränen in den Augen, den Brief wieder in seinen Umschlag zurückschieben will, entdeckt er in diesem einen Post-It.

Mann, ich weiß nicht, was ich hier schon wieder tu, aber ich sitz oben im Café. Juhyun-noona und ihr Bruder wissen Bescheid. Du kommst über die Treppen im Mitarbeiterbereich hoch, also werden deine Eltern, wenn sie denn da sind, dich nicht sehen. Ich sitz da irgendwo rum, du findest mich ganz sicher

"Jaemin." Er sieht auf, in Seungwans sanftes Lächeln. "Hast du den Zettel gesehen?" Er nickt hastig, wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. "Soll ich dich hochbringen?" Wieder nicht mehr als ein hastiges Nicken. Also führt Seungwan ihn die Treppen hoch, und mit jeder Stufe stauen sich mehr Tränen in ihm auf.

Als er dann Jeno sieht, und dessen Gesicht aufleuchtet, als ihre Blicke sich kreuzen, ist es endgültig vorbei, seine Sicht verschwimmt gänzlich und er bleibt stehen, seine nächste Bewegung ist nicht mehr als ein festes Umklammern seines Freundes, als dieser seine Arme um ihn legt und ihn fest an sich drückt.

"Ich hab mich nicht geschnitten", wispert Jaemin in seine Schulter, "ich hab die Klinge nicht angerührt."

"Das ist gut, bunny." Jeno klingt selbst nicht so gefasst wie sonst. "Ist es wirklich."

"Aber ich hab getrunken. Und was gegessen. Nur ganz wenig."

"Das reicht schon, Engel. Nur nicht aufhören damit. Lass es immer ein wenig mehr werden."

"Ich liebe dich auch." Jeno lächelt und drückt ihn noch etwas fester an sich, lässt ihn erst wieder los, als er nicht mehr weint.

"Hallo bunny", lächelt er dann sanft. Jaemin antwortet nicht, schnieft nur.

"Jetzt hab ich dich schon wieder angerotzt."

Jeno schmunzelt. "Das ist nicht schlimm. Fühlst du dich etwas besser?"

Jaemin nickt. Also fängt Jeno an, seine Wangen zu trocknen. "Wie ist es?", fragt er leise, besorgt. "Zu Hause, mein ich."

"Das ist schon lange nicht mehr mein Zuhause."

05.08.2020
leo❤️

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