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Wie das eben so ist mit dem Fahrradfahren; man verlernt es nicht. Und auch wenn Jaemin schon vorher unsicher war und sich nicht wirklich traut, auch nur ansatzweise schnell zu fahren, kriegt er es doch hin. Da die Zwillinge das gleiche Fahrrad besitzen, kann Jeno ihm aushelfen, wenn er Schwierigkeiten hat, und so hat Jaemin sich schnell eingefunden.

Jeno wählt eine abgelegenere Route, um Jaemin vom Verkehr fernzuhalten, und so brauchen sie etwas länger, doch es geht dennoch schneller als zu Fuß. Letztendlich geraten sie an mehr als nur einen Menschen, aber Jaemin hält sich an Jeno und sie können schon ein paar Meter weiter absteigen, schließen die Fahrräder an, und Jaemin schlingt seine Arme um Jeno, sobald dieser sich aufrichtet.

"Danke", murmelt er in Jenos Schulter, bevor er ihn wieder loslässt. Lächelnd hält Jeno ihm seine Hand hin, Jaemin ergreift sie und lässt sich in den Laden ziehen.

"Bei Gegenständen ist es nicht so schlimm, oder?"

"Es geht. Jieun fährt nicht viel damit und Fahrräder haben keine Gefühle. Die sind immer am stärksten. Aber es kommt immer darauf an." Jeno summt, schenkt ihm ein Lächeln, das ihn beschämt zur Seite sehen lässt, so sehr bringt es sein Herz zum Schlagen. So traut er sich nicht zu fragen, ob sie das wiederholen können.

Jaemin braucht lange, um sich zu entscheiden, so überfordert ist er, und die Auswahl ist auch nicht klein. Als sie den Laden also wieder verlassen, ist der Himmel zugezogen, entfernt erklingt Donnergrollen. Jaemin bleibt davon stehen, sieht wie hypnotisiert hoch in die beinahe dunkelblauen Wolken.

"Hast du Angst vor Gewitter?", fragt Jeno, doch Jaemin schüttelt sofort den Kopf.

"Ich liebe es", erwidert er leise.

"Je schneller wir wieder zurück sind, desto schneller kannst du zusehen", schmunzelt Jeno. Sie schließen die Räder auf, laufen ein paar Meter, bevor sie aufsteigen. Jaemin schafft es diesmal, schneller zu fahren, und sie kommen zwar nicht trocken durch, allerdings macht es keinem von beiden etwas aus, und der Controller ist in Plastik eingeschweißt.

Gerade als sie auf die Auffahrt fahren, startet der Wolkenbruch. Jaemin schmollt, als sie im Trockenen des Carports stehen und die Fahrräder wieder zurückräumen, begleitet vom prasselnden Regen.

"Du kannst gleich wieder da raus", schmunzelt Jeno.

"Was?" Der Regen ist zu laut.

"Du kannst da gleich wieder raus", wiederholt Jeno lauter, und Jaemin beginnt zu grinsen, "aber wenn wir reingehen, ziehst du dich um und ich mach dir Tee, sonst fängst du dir noch was ein."

"Kommst du mit?"

"Was?"

Jaemins Grinsen wird breiter. "Kommst du mit?!"

"Natürlich!" Jeno öffnet die Seitentür und stellt seine Tasche dort auf die Matte, lässt den Schlüssel von draußen im Schloss stecken, nimmt Jaemins Hand, und gleichzeitig rennen sie hinaus in den Regen. Er scheint beinahe noch stärker zu werden, innerhalb von Sekunden sind sie vollständig durchnässt. Das Prasseln auf der Straße und den umliegenden Dächern ist so laut, dass sie gar nicht erst versuchen, miteinander zu reden, und Jaemin strahlt so sehr, dass Jeno daran auch gar nicht denken kann.

"Ich hätte überhaupt nicht duschen müssen!", ruft der Jüngere ihm zu, er muss lachen.

"Eindeutig nicht!"

Ein Blitz zuckt durch die Luft, sofort folgt ein Donner, und Jaemin dreht sich glücklich grinsend einmal im Kreis.

Jeno verliebt sich noch mehr in ihn.

Der Jüngere beginnt, von einer Pfütze in die nächste zu springen, und erwischt dabei eine, die doll genug spritzt, um Jenos gesamtes Bein zu erwischen. Jaemin sieht zu ihm hoch, Jeno sieht zurück, und als er losläuft, quietscht Jaemin auf und rennt vor ihm weg.

Es ist das erste Mal, dass Jeno ihn lachen hört.

Eine Weile jagt er so Jaemin hinterher, bis dieser bei einem lauten Donnergrollen wie angewurzelt stehen bleibt, lächelnd zusieht, wie der Blitz sich seinen Weg durch die Dunkelheit bahnt, gefolgt von einem Knall. Dann dreht er sich um, und für einen Moment fühlt es sich an, als pulsiere das Gewitter durch seinen Körper, und es gibt ihm das Gefühl, unbesiegbar zu sein.

"Jeno!" Er hebt eine Augenbraue, Jaemin schließt die Augen, öffnet sie wieder. "Ich glaub, ich liebe dich!"

"Ich weiß, dass ich es tue!"

Für einen Moment lächeln sie sich nur an, dann macht Jaemin einen Satz nach vorne, sodass Wasser von der Straße erneut gehen Jenos Bein spritzt, und sie küssen sich, Jaemins Arme um Jenos Schultern, Jenos um Jaemins Taille gelegt.

"Jetzt mag ich Gewitter noch mehr", murmelt Jaemin, als sie sich lösen, Jeno grinst, drückt ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor er ihn loslässt.

"Dann genieß es noch eine Weile, ich stell mich unter, aber bleib draußen." Jaemin nickt, also geht Jeno zum Carport, nur wenige Schritte trennen die beiden also, und er beobachtet mit einem niemals verschwindenden Lächeln, wie sein Freund weiter durch den Regen tanzt, wie bei jedem Donnern das Lächeln auf dessen Lippen für einen Moment etwas größer wird.

Bis er stehen bleibt, mit dem Rücken zu Jeno, und auf einmal will er schreien, all seinen Frust loswerden, dass alles danach gut ist.

Also tut er das.

Jenos Blick ruht weiter auf ihm, aber er wartet, bis Jaemin verstummt, sich umdreht, schnurstracks auf ihn zukommt, sich in eine Umarmung ziehen lässt.

"Besser?", fragt Jeno leise, erhält ein Nicken.

Beide sind sie bis auf die Knochen durchnässt, als sie das Haus wieder betreten, hinterlassen beinahe einen See auf dem Boden, und als sie beide zittern, gehen sie nach oben, ziehen sich um, werfen die nasse Kleidung in den Trockner. Jeno legt Jaemin seine Bettdecke um die Schultern, obwohl sie etwa gleich viel frieren, schiebt ihn vorsichtig aus dem Zimmer und nach unten.

"Such dir einen Tee aus", fordert er Jaemin auf, öffnet die Schublade, und der Jüngere ist mit der Menge ziemlich überfordert.

"Du kannst auch mehrere trinken", schmunzelt Jeno, "bist ja nicht nur heute hier."

Trotzdem hat Jaemin sich gerade so entschieden, als der Wasserkocher zu pfeifen beginnt. Jeno nimmt einen weiteren Beutel heraus, nimmt Jaemin seinen ab und hängt sie beide in die Thermoskanne, füllt sie mit Wasser. Der Jüngere schlingt von hinten seine Arme um ihn, wärmt ihn, lauscht seinem Herzschlag. Jeno muss lächeln, nimmt eine seiner Hände hoch und platziert einen Kuss auf Jaemins Handrücken, bevor er sich umdreht.

"Warum ist da noch so viel Neues", murmelt Jaemin, "ich hab dich doch schon so oft geküsst."

Jeno lacht leise. "Achtzehn Jahre sind ganz schön viel, bunny."

Sie gehen wieder in Jenos Zimmer, mit dem Controller, die nasse Tasche bleibt unten, und während Jaemin sich schon aufs Bett setzt und unter der Decke klein macht, in sein Heft schreibt, friemelt Jeno noch an der Verpackung herum.

"Hier." Jaemin sieht auf, nimmt den Controller zögerlich entgegen, seine Augen werden groß.

"So viele Erinnerungen", flüstert er, er rutscht ihm aus der Hand, aber Jeno fängt ihn auf, schmunzelnd.

"Dann lass uns anfangen, sie zu machen."

16.07.2020

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