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tw: selfharm

Da Jaemin ein Lebenszeichen von sich gibt, kreuzt Jeno erst am Nachmittag auf, und wieder schießt Jaemin an seiner Mutter vorbei in seine Arme, und wieder lässt sie ihnen zehn Minuten. In der Zeit füttert Jeno Jaemin mit dem mitgebrachten Essen, er selbst ist zu schwach dafür, sie sitzen auf dem Boden, Jaemin drinnen, Jeno draußen, und neben der Packung Gummipfirsiche nimmt Jaemin auch weiteres, vernünftiges Essen mit, das Jeno ihm geholt hat.

Es folgen Wasserflaschen, noch ein Hoodie mehr, noch mehr Essen, noch mehr Pfirsiche, Jeno treibt sogar einen Schokohasen auf.

Und da Jaemins Eltern irgendwann genug von den täglichen Besuchen haben, heben sie Jaemins Ausgehsperre auf. Sein Handy erhält er ebenfalls zurück, nachdem er Jenos erfolgreich vor ihnen versteckt halten konnte, und so macht er sich noch am gleichen Tag mit Jenos Kleidung, Handy und seinem Zimmerschlüssel auf den Weg zu seinem Freund.

Jeno blinzelt mehrmals, als er ihn in der Tür stehen sieht, er wollte gerade selbst das Haus verlassen, als Jaemin geklingelt hat.

"Träume ich?", murmelt er, schließlich strahlt ein gesunder Jaemin ihm entgegen.

"Nein." Er schlingt seine Arme um Jeno, der drückt ihn an sich, fängt ebenfalls an zu lächeln.

"Hallo, bunny."

"Hi." Sie lösen sich voneinander, und Jaemin kann nicht anders, als Jeno zu küssen.

"Seit wann darfst du raus?", fragt der leise, noch immer ungläubig.

"Seit einer halben Stunde. Ich hab auch mein Handy zurück." Er lächelt schwach, hält seine Tasche mit Jenos Sachen hoch. "Danke für das alles und so."

"Möchtest du etwas essen, bunny? Oder brauchst du sonst etwas?" Jaemin schüttelt den Kopf, also gehen sie in Jenos Zimmer. Er setzt sich auf Jenos Bett, gibt ihm seine Hoodies, und seine Augen strahlen eine unglaubliche Traurigkeit aus, als er ihm sein Shirt zurückgibt.

"Ich hab versucht, es rauszukriegen", flüstert er, und eine Vorahnung schleicht sich langsam in Jenos Kopf. Er faltet den Stoff auseinander und sein Herz hört für einen Moment auf zu schlagen.

Blutflecken.

"Und ich hab auch versucht, es nicht zu tun", seine Stimme fängt an zu zittern, "aber ohne dich hat es nicht geklappt." Er zieht seine Ärmel hoch, entblößt seine Unterarme. "Es war nicht viel, es war nur ein Mal, siehst du? Bitte sei mir nicht böse." Ein unterdrücktes Schluchzen.

"Das bin ich nicht, Engel. Ich bin stolz auf dich, und weißt du warum? Weil du es nur ein Mal gemacht hast. Du hättest es auch die ganze Woche tun können. Aber das hast du nicht, du hast dich dagegen gewehrt. Und deshalb bin ich wirklich, wirklich stolz auf dich." Jeno nimmt Jaemins Hand in seine, sieht nur kurz auf den Schnitt, um seine Tiefe festzustellen, zieht dann seinen Ärmel wieder nach unten, ebenso auf der anderen Seite. Dann zieht er ihn in eine Umarmung.

"Auf den Beinen auch, bunny?" Jaemin nickt, schluchzt eine Entschuldigung. "Das ist okay. Wirklich, es ist okay. Es war ein Mal. Du hast dagegen angekämpft. Das war gut, das war richtig, und das ist das, was zählt." Jenos Umarmung wird fester, Jaemin klammert sich an ihn, schließt seine Augen.

Jeno sagt, es ist okay. Jeno sagt, es ist okay. Jeno sagt, es ist okay.

Also muss es okay sein.

"Möchtest du etwas dafür, vielleicht eine Creme?" Jaemin nickt hastig. "Dann machen wir das gleich."

Jenos leichte Bewegungen seiner Finger beruhigen Jaemin, sodass er in der Lage ist, ihn loszulassen, sich über die Augen zu wischen. Jeno drückt ihm einen Kuss auf die Stirn, streicht lächelnd über seine Wangen.

"Es ist schön, dass du wieder hier bist. Bis wann darfst du bleiben?"

"Hab nichts gesagt bekommen", antwortet Jaemin leise, "vielleicht schreibt meine Mutter noch."

"Okay. Aber nicht, dass sie es nachher wieder zurückziehen." Jaemin senkt den Blick. Alles, nur das nicht. "Komm, bunny, die Creme, und dann stopfst du dich mit Süßigkeiten voll, bis ich dich nach Hause rollen muss."

Ein schüchternes Grinsen huscht über Jaemins Lippen. "Okay."

"Für deine Beine auch?" Er zögert, nickt aber doch, also hält er gleich darauf die Shorts in der Hand, die er schon beim letzten Mal getragen hat. "Willst du dich nicht umziehen?", fragt Jeno, als er sich nicht rührt.

"Nein, doch, schon, warum hast du die noch hier?"

Jeno zuckt mit den Schultern. "Muss verpasst haben, sie in die Wäsche zu schmeißen. Hab sie unterm Bett wiedergefunden, als ich gestern aufgeräumt hab." Er dreht sich um, auch wenn Jaemin mittlerweile kein Problem mehr damit hat, und der Jüngere wechselt die Hose, und auch das Shirt von Jeno wandert wieder an seinen Körper. Als Jeno sich allerdings zurückdreht und es bemerkt, steht er auf und gibt Jaemin ein sauberes.

"Ich will nicht, dass du das noch einmal trägst." Jaemin nickt nur, wagt nicht, zu widersprechen, und wechselt es. Jeno nimmt seine Hand, schiebt seine Finger zwischen Jaemins, drückt sie sanft, zieht ihn mit sich ins Bad und schließt die Tür hinter ihnen. Eine Weile wühlt er in einem Fach, lässt dafür Jaemins Hand los, und er vermisst es fast.

"Machst du das selbst oder soll ich das machen?"

"Du", sagt Jaemin leise.

"Auch auf deinen Beinen?" Er zögert, nickt aber, also hockt Jeno sich vor ihn. "Mach mich darauf aufmerksam, wenn es brennt." Er schraubt die Salbe auf, nimmt Jaemins Hand, ehe er sie auf dem ersten Schnitt verteilt, vorsichtig, langsam. Beide auf Jaemins Beinen sind weniger tief, und auch der auf seinem rechten Arm brennt lediglich etwas, als Jeno sie versorgt. Erst als sein Finger über die Wunde auf Jaemins linkem Arm streicht, entfährt ihm ein Schmerzlaut.

"Entschuldige", sagt Jeno leise, nimmt Jaemins Hand hoch und platziert einen Kuss auf seiner weichen Haut, ehe er die Salbe zurückräumt und ihm auf seine Füße hilft. "Brauchst du etwas?"

Statt einer Antwort sinkt Jaemin gegen ihn, umarmt ihn fest.

"Bunny?"

"Hm?"

"Was hältst du davon, wenn du mir etwas ganz Bestimmtes schickst, wenn du gerade etwas brauchst? Ablenkung oder dass ich vorbeikomme oder so etwas?"

Jaemin schweigt, hört nur Jenos und seinen eigenen Atem, spürt seinen eigenen Herzschlag, fühlt, dass er am Leben ist.

"Ja."

20.07.2020

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