tw: selfharm, suicidal thoughts
Lange dauert es nicht, bis Jeno weiß, dass Jaemin die Finger nicht von der Klinge lassen kann.
"Warum. Mehr will ich überhaupt nicht wissen. Nur warum."
Jaemin schlingt seine Arme um sich, würde sich so gerne vor Jeno verstecken, aber sie sitzen auf seinem Bett, es ist ihm nicht möglich. Eine Antwort fällt ihm auch nicht ein.
"Es ist doch gerade wieder besser geworden. Geht es dir nicht besser?"
"Nein."
"Warum nicht?" Schweigen. "Jaemin, bitte rede mit mir."
"Meine Eltern fangen gerade an, sich zu hassen. Ich habe das ausgelöst. Vollkommen egal, wie das mit der Schuld ist, meinetwegen passiert das gerade. Und ich weiß, was auf meine Mutter zukommt, wenn es für sie nicht sogar noch schlimmer wird."
"Und?"
"Was, und? Reicht das nicht?!"
Wortlos rutscht Jeno hinter ihn, zieht ihn in eine Umarmung, und seine Frustration löst sich in Luft auf.
"Komm her, bunny", flüstert Jeno. Er schiebt seine Finger zwischen Jaemins, zieht mit der rechten Hand vorsichtig an seinem Ärmel, bis sein Unterarm entblößt ist. "Dass du lebst, ist mir das Wichtigste, okay, Baby?" Jaemin treten Tränen in die Augen, er nickt. Jeno schiebt den Stoff wieder tiefer, nimmt auch Jaemins rechte Hand und legt seine Arme vorsichtig um ihn. Er fängt an, ihn hin- und herzuwiegen, nur ganz leicht, und dennoch hat es einen beruhigendenen Einfluss auf Jaemin. Er ist bei Jeno sicher. Er kann ehrlich sein. Er muss sich nicht verstecken. Er kann genau so sein, wie er ist.
"Irgendwann ist das vorbei", sagt Jeno leise. "Es geht vorbei. Versprochen."
Jaemin will es glauben. Nichts lieber als das. Aber dieses dumpfe Gefühl in ihm, gegen das nicht einmal sein Freund etwas ausrichten kann, das sagt etwas anderes.
"Jeno?" Es ist nicht mehr als ein leises Flüstern, aber er hört es trotzdem, hält in der Bewegung an. "Wenn ich sterbe... hat das nichts mit dir zu tun, okay? Versprich mir, dass du das nicht denkst."
"Ich habe gesagt, ich lasse dich nicht los. Also lasse ich dich nicht los. Nicht bevor du mir nicht einen guten Grund gibst. Ich lasse dich nicht sterben."
"Und wenn ich will?" Jaemins Stimme zittert.
"Nein, bunny. Komm, schließ deine Augen. Ganz ruhig atmen, okay? Alles ist gut. Und jetzt stell dir in dieser Schwärze ganz viele kleine Lichter vor. Jedes dieser Lichter ist etwas, für das es sich zu leben lohnt. Was du findest, warum du hierbleiben solltest. Menschen, die du gernhast, Orte, die du noch sehen willst, Dinge, die du noch erleben willst. Egal, was es ist. Du wirst wissen, was diese Lichter sind, wofür sie stehen. Und ich weiß, dass es manchmal so dunkel sein kann, dass du nicht einmal mehr die Lichter siehst. Aber sie sind da. Immer. Auch wenn du zu weit weg bist, um sie sehen zu können. Sie existieren. Und erst, wenn sie alle erloschen sind, dann darfst du entscheiden, zu sterben."
"Ich will aber nicht mehr."
"Was siehst du, mein Engel? Was sind deine Lichter?"
Jaemin schluchzt. "Ich will Hasen streicheln. Ich will nach Japan. Schnee. Gewitter. Du. Du bist ein ganzes Sternenbild, weißt du. Aber es ist trotzdem so dunkel."
"Und du wirst auch immer irgendwo Dunkelheit finden. Aber Licht wirst du auch immer finden. Es ist leicht, im Schwarz verloren zu gehen, und es ist schwierig, nach den Lichtern zu suchen, aber sie sind da. Sie sind immer da. Du musst nur hinsehen. Daran glauben, dass sie hell genug leuchten, um die Dunkelheit zu durchdringen."
Ein leises Schluchzen.
"Jaemin, ich liebe dich. Ich will, dass du siehst, warum es sich lohnt, zu bleiben. Ich will nicht, dass du deine Zeit damit verbringst, sterben zu wollen. Das hast du nicht verdient. Ich weiß, dass da mehr Dunkel ist als Hell. Aber auch wenn es bewölkt ist, ist es niemals vollständig schwarz."
Ein Gewitter beginnt, während Jaemin in Jenos Armen auseinanderbricht.
❈
"Ich bin stolz auf dich, Engel. Unglaublich stolz auf dich. Dass du hier bist und durchhältst. Und das bin ich auch morgen und übermorgen und nächste Woche und nächstes Jahr. Vollkommen egal, wann, vollkommen egal, unter welchen Umständen. Egal, was du die letzten Tage, Wochen, Monate gemacht hast. Es reicht vollständig, wenn du nicht mehr machst, als jeden Tag nur zu überleben. So lange du damit nicht aufhörst."
"Es geht nicht, Jeno. Es geht einfach nicht. Ich, ich kann vielleicht leben, aber nicht leben. Ich bin nicht glücklich, das ist immer nur temporär, und wenn die Dunkelheit zurückkommt, ist sie jedes Mal wieder schwärzer. Was soll ich da denn anderes tun als aufgeben zu wollen?"
Jeno seufzt leise. "Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wie es dir geht, ich kann das nicht nachvollziehen, ich meine, allein schon, weil ich deine Fähigkeit nicht habe und nicht kenne. Aber ich weiß, dass es besser wird. Ich habe es schließlich schon einige Male bei anderen gesehen, wie sie dachten, dass es nie wieder hell wird und dann haben sie es doch wieder in die Sonne geschafft. Und ich bin mir sicher, dass du das auch schaffen kannst. Vorausgesetzt, du willst das. Und, Jaemin, du hast Unterstützung, nicht nur von mir. Auch von den anderen. Auch ohne Bescheid zu wissen, werden sie dich unterstützen. Mit Sicherheit auch Shuhua. Vielleicht findest du sogar noch mehr. Die Noonas von RV darfst du auch nicht vergessen. Du musst nichts alleine machen, wenn du es nicht willst. Okay?"
Jaemin kann nur nicken. Während er sich heimlich über die Augen wischt, scheint das gleißende Licht eines Blitzes durch das Zimmer, gefolgt von einem lauten Knallen, das Jeno zusammenzucken lässt, Jaemin aber kaltlässt – nein, er scheint es fast schon zu genießen.
"Gewitterjunge", hört er Jeno flüstern, und es entlockt ihm beinahe ein Lächeln. Ja, wenn etwas zu ihm passt, dann das. Manchmal wünscht er sich nichts mehr, als in der Lage zu sein, Gewitter entstehen zu lassen. Sie bringen ihm innere Ruhe, Frieden, den er sonst nicht erhalten kann. Selbst wenn er denkt, dass nichts helfen könnte, so wie jetzt gerade, reicht manchmal allein der Gedanke, an die aufgeladene Luft, das näherkommende Grollen, dass er etwas herunterfährt.
"Jeno?"
"Ja?"
"Ich liebe dich."
Jaemin hört sein Lächeln. "Ich dich auch."
Sein Herz wird irgendwie so schwer, wenn er daran denkt, dass er nicht weiß, wie lange er ihm das noch sagen wird.
25.08.2020
DU LIEST GERADE
can't you see me? ❈ nomin ✓
Фанфик𝙣𝙤𝙬 𝙥𝙡𝙖𝙮𝙞𝙣𝙜: can't you see me - txt 03:06 ────────────●─ 3:21 ⇆ㅤㅤ ㅤ◁ㅤㅤ❚❚ㅤㅤ▷ㅤㅤ ㅤ ㅤ↻ 𝙣𝙚𝙭𝙩 𝙛𝙧𝙤𝙢: 𝙙𝙖𝙣𝙘𝙞𝙣𝙜 𝙞𝙣 𝙩𝙝𝙚 𝙧𝙖𝙞𝙣 runaway - eric nam » Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, alles vereint in dem fast ach...