47 | wenn tote sprechen könnten

85 10 10
                                    

47 | WENN TOTE SPRECHEN KÖNNTEN

» "Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen" «

[ P R E S E N T ]

*****

Als Ben aus seinem Bett hochschreckte überkam ihn eine plötzliche Gänsehaut. Die kleinen Haare an seinen Armen stellen sich langsam auf und er begann zu frösteln.
Sein Albtraum war beängstigend gewesen, er wollte nicht nochmal daran denken, was er gesehen hatte.
Mit schnellen Blicken sah er sich in seinem Zimmer um und natürlich erwartete er, es wäre leer.

Doch in einer Ecke auf einer Kommode saß ein kleines Mädchen. Sie trug ein weißes Kleid aus Leinen und hielt ein etwas dreckiges Kuscheltier in der Hand, das aussah wie ein Bär. Ben zuckte zusammen, als er sie entdeckte.
Was zum Teufel machte eine Vierjährige in seinem Raum?

Überrascht sah das Mädchen auf. Ihre dunklen Haare waren in einen kleinen Zopf zusammengebunden, nur eine einzige widerspenstige Locke hatte sich den Weg in die Freiheit gekämpft und hing nun vor ihrem Gesicht. Ihr dunklen Augen, die Farbe konnte Ben wegen des mangelnden Lichts nicht erkennen, musterten ihn kurz, ehe sie begann zu lächeln.

"Hallo",sagte sie bloß. Ihre kurzen Beine schwangen vor der Kommode hin und her und ein regelmäßiges Trommel entstand, wenn sie dagegen kam.

"Wer bist du?",fragte Ben, offensichtlich verwirrt von ihrer Erscheinung. Was machte so ein junges Mädchen bei der Ersten Ordnung? Sie musste irgendwie besonders sein. War das ein Trick?

"Du weißt es nicht?",sie klang enttäuscht und schob sie Unterlippe hervor, als sie ihn traurig ansah.

"Sollte ich?",fragte Ben irritiert. Er musste zugeben, dass das Mädchen ihm bekannt vorkam, aber er wusste nicht, wo er es zuvor gesehen hatte

"Ja",sie nickte und sah zum Boden herunter. Es hob auf einmal seine kurzen Arme und sah ihn hilfesuchend an.
"Kannst du mich runterheben?"

Ben wusste nicht wieso, aber da er davon ausging, dass eine Vierjährige keine große Gefahr für ihn darstelle, stand er auf und trat vor die Kommode. Das kleine Mädchen lächelte inzwischen wieder unschuldig. Gerade wollte er ihr unter die Arme greifen, doch seine Hände konnten sie nicht fassen. Er griff durch sie hindurch, konnte sie nicht berühren.

"Was zum-"

"Ach ja",genervt stöhnte das Mädchen auf. Beleidigt rückte sie ein Stück von ihm weg und wedelte wild mit ihrer Hand rum, als Ben erneut versuchte sie zu fassen. Wieder griff er nur in die Luft und beobachtete, wie seine Hand durch ihren Brustkorb schwebte.
"Hör auf, dass tut weh!"

Sofort zog er seine Hand zurück und musterte das Mädchen nochmals. Das musste ein Trick sein. Oder er schlief noch.

"Das ist nur deine Schuld",jammerte das seltsame Mädchen und verschränkte die Arme vor der Brust, den kleinen Bären dicht an sich ran geklemmt. Es blickte Ben auf einmal unglaublich sauer an.

"Meine Schuld?",fragte er verwirrt. Was passierte hier nur?

"Ja. Du hast ja schließlich mich getötet",erwiderte das Mädchen ärgerlich.

NOVAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt