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Ich brauchte einen Augenblick, um zu verstehen. Sie dachte wie ich. Sie sah die Verantwortung für das, was geschehen war, bei sich.

„Ich habe damals einen Fehler gemacht, Dawson. Einen Fehler den ich mir selber nie verzeihen werde. Ich weiß, ich hätte anrufen sollen. Wenn mir etwas passiert, dann will ich mir nicht vorwerfen müssen, wider besseren Wissens erneut falsch entschieden zu haben. Dawn hat den Besten verdient, den sie haben kann und kein bisschen weniger. Dich nicht anzurufen, dich nicht zu fragen, wäre einfach falsch."

Ich schluckte gegen all die Emotionen an, die sich in mir stauten.

„Ich hab eine ziemliche Macke, Lydia."

„Mum sagt, du hast das überwunden."

Wieder entstand ein Schweigen. Diesmal war es mein Atem, der sich beschleunigt hatte. Mein Herz schlug wie verrückt.

„Nicht ganz", murmelte ich leise. „Es gab da ein paar Situationen in letzter Zeit, mit denen ich nicht klarkam."

„War ich..., also ich meine, ist es meine Schuld? Hab ich was falsch gemacht?", stammelte sie.

„Nein, gar nicht. Das Problem...Es ist einfach in mir drin. Keine Ahnung. Ist schwer zu erklären."

„Dawson, eigentlich ist mir egal, ob du dich ritzt oder nicht. Von mir aus hack dir die Hand ab, wenn es dir hilft. Aber versprich mir einfach, dass du auf Dawn aufpasst, wenn mir oder Tony was passiert. Dass du verhinderst, dass sie denselben Blödsinn anfängt."

„Okay, ich verspreche es dir", antwortete ich spontan. Fuck. Erst denken, dann reden, Dawson!

„Danke, Dawson."

Ihre Stimme klang nur noch leise und dünn. Eine ungute Vorahnung presste mein Herz zusammen.

„Lydie, dir geht es doch gut, oder?"

„Ja, sicher. Ich hab nur schreckliche Angst vor der Geburt. Beim letzten Mal hab ich sehr viel Blut verloren. Ein Gefäß ist gerissen und die Ärzte hatten ihre liebe Not mir meine Gebärmutter zu retten. Und nun wollen sie einen Kaiserschnitt machen."

„Aber das ist doch gut, oder?", mutmaßte ich.

„Was ist daran gut, wenn man mir bei vollem Bewusstsein den Bauch aufschneidet?"

„Keine Ahnung. Ich bin da nicht so der Experte für die Frage. Ich schneide mir regelmäßig selbst bei vollem Bewusstsein in meinen Unterarm. Und das teilweise mehrfach. Ist nicht halb so schlimm wie es klingt."

Lydia lachte unfroh auf.

„Hast mir sehr geholfen. Danke!"

„Hä?"

„Egal, Dawson. Ich hab dich lieb." Eine kleine Pause entstand und in mir stieg eine vertraute Wärme auf. Trieb mir Tränen in die Augen.

„Schlaf gut. Ich schick dir gleich noch was, ja?", sagte sie übergangslos, legte dann einfach auf.

Ich starrte auf das schwarze Display. Dann ging eine Nachricht ein.

Ein Bild.

Schwarz-weiß und körnig. Selbst ich konnte erkennen, um was es sich handelte: ein Ultraschallbild. Darunter stand der OP-Termin. Und kopfüber, wie eine kleine Fledermaus, war auf dem Bild meine Nichte zu sehen.

Mein Patenkind.

Dawnie.

Aufschneiden bei vollem Bewusstsein. Dieser Satz wanderte durch meinen Kopf. Wieder und wieder. Eine diffuse Unruhe verfolgte mich auf leisen Sohlen. Sie hatte Angst und ich auch. Ich wollte keine Angst haben. Trotzdem war sie da. Nagte den ganzen Tag unnachgiebig mit spitzen Zähnen an mir.

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt