91

801 33 2
                                    

Am nächsten Morgen schleppte ich mich in die Schule, dann durch das Einzeltraining mit Justin. Danach wankte ich todmüde heim. Aus dem Briefkasten ragte auffällig ein großer Briefumschlag hervor, den ich herauszog. Adressiert war er an Riley Thompson. Ohne Absender. Ohne Briefmarke.

Mir wurde wieder schlecht. Mein Herz raste, meine Lippen kribbelten. Himmel. Ich hyperventilierte!

Ich setzte mich im Haus auf die unterste Stufe und riss den Umschlag auf. Nicht eines der Fotos war ordinär. Jedes einzelne war zwar sexy, das konnte selbst ich erkennen. Dennoch hatten sie Stil.

Nervös blätterte ich durch die Fotos, bis ich auf die Aktaufnahmen stieß. Auf gekörntem Papier nur in schwarz-weiß gehalten, ergoss mein Körper sich über das Bett. Ich bestand nur aus Licht und Schatten mit glänzenden Highlights. Dann gab es noch dieses letzte, das Thomas an der Tür geschossen hatte. Scheu wie in Reh blickte ich in die Kamera. Meine Lippen wirkten voll und sinnlich. Auch auf diesem Foto bestand ich nur aus Kurven und Rundungen. Meine Beine waren lang und schlank. Keine Ahnung, wie er das machte. Ich hob den Zettel auf, der zu Boden gefallen war.

„Du bist es mehr als wert. Hoffentlich weiß er das", stand darauf. Tränen der Erleichterung schossen mir in die Augen. Schluchzen schüttelte mich. Es war nicht umsonst gewesen. Ich warf den Zettel in den Umschlag, schob die Fotos hinein. Dann schrieb ich Thomas eine Nachricht, mit der Frage, wie Dawson sein Bike zurückbekäme.

„Steht schon in seiner Einfahrt. Wie du es ihm erklärst, ist deine Sache."

Ich sah auf die Uhr. Vier Stunden, eine Erklärung zu finden. Vier Stunden, um einen Grund zu erdenken, warum Thomas die Maschine zurückgab ohne das Geld zurückzufordern. Vier Stunden um zu erkennen, dass es keine Erklärung außer der Wahrheit gab, die Dawson wohlmöglich besser nicht hören sollte.

Wieder ein Blick zur Uhr. Unaufhaltsam rann mir die Zeit durch die Finger. Noch eine halbe Stunde, um zu flüchten, oder mich Dawsons Zorn zu stellen. Dass er wütend würde, stand für mich außer Frage. Er hatte klar betont, dass Fotos keine Option waren. Nacktfotos hatte er nicht mal im Entferntesten erwähnt, weil die Idee so abwegig war.

Am Ende waren es Bruchteile von Sekunden, die reichten, um das Ausmaß seiner Wut zu erfassen, als er auf der A.SMITH vor unserem Haus hielt. Ohne Helm. Ein Blick in sein Gesicht, als er die Einfahrt heraufstürmte, reichte bereits, um in seinen Augen den Orkan zu erahnen, der in ihm tobte.

Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet, die wie eingemeißelt wirkte. Sofort sank mein Mut. Hatte es nur einen winzigen Funken Hoffnung gegeben, dass er sich freuen könnte, sein Motorrad zurückzuhaben, erlosch dieser im Wirbelwind der Gefühle, die in Dawsons Augen kreisten wie Geier über Aas.

„Was hast du dafür getan Riley? Was hat er verlangt?" Seine Stimme klang gepresst. Er rang offensichtlich um Beherrschung. Zu antworten war ich nicht in der Lage. Im Fokus seines Zorns und der stechend grünen Augen fiel mir einfach nichts ein.

„Ich will die Fotos sehen", forderte er, mein Schweigen übergehend. Noch immer stumm nickte ich und stieg die Treppe hoch. Dawsons Schritte hinter mir dröhnten in meinen Ohren, mein Herz pochte im selben Takt. Zu langsam. Ich hatte das Gefühl, es würde jeden Augenblick den Dienst versagen. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, als ich die Tür öffnete und Dawson mit seiner grimmigen Präsenz mein Zimmer füllte.

Mit Tränen in den Augen reichte ich Dawson den Umschlag und beobachtete, wie seine Finger die schmutzigen Details des Deals ans Licht zerrten. Sein Mund war nur eine wütend verzerrte Linie, die Augen hatte er zusammengekniffen. Kein Wort kam über seine Lippen. Als er bei den letzten Fotos ankam, fluchte er leise, dann warf er die Fotos samt Umschlag auf den Tisch. Einen Moment umklammerte er die Lehne meines Drehstuhls als sei er zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten.

Als er mich schließlich ansah, waren seine Augen kalt, sein Gesicht emotionslos.

„Das ist nicht alles, was er für Hundertachtzigtausend wollte. Er hat dich gefickt, oder?" Speichel flog. „Hat es dir gefallen, dich zu verkaufen wie eine billige Hure?"

Sprachlos starrte ich ihn an. Thomas und ich waren nicht mal allein im Haus gewesen. „Ich hab nicht... wir... er wollte nicht..." Mein Gehirn brachte nicht einen Satz zustande, was aber völlig egal war. Dawson hörte gar nicht zu. Er war wie auf Autopilot, völlig verstrickt in seinem klebrigen Netz vergifteter Emotionen.

„Die Antwort auf deine Frage ist ja, Riley" sagte er für mich zusammenhangslos. Ich fragte mich, worauf er rauswollte. Bei seinem nächsten Satz, den er voller Bitterkeit ausspuckte, zuckte ich zusammen.

„Ich habe mich deinetwegen geritzt. Oft. Weil ich die Gefühle für dich nie wollte. Weil es mich fertig gemacht hat, dich zu begehren. Weil du in jedem meiner verfluchten Atemzüge bist. Weil du mir unter die Haut gehst wie nichts sonst. Ich will dich seit zwei Jahren nackt in meinen Armen halten, dich fühlen, dich schmecken, eins mit dir werden. Und alles was wir hatten, waren ein paar heimliche Küsse, ein paar verstohlene Berührungen im Dunkeln." Er holte Atem für den nächsten Satz. „Und für Thomas ziehst du dich aus und lässt dich vögeln. Einfach so. Nicht für Liebe, nicht für Geld, sondern für ein Scheißmotorrad, das mein ganzes Leben zerstört hat. Wie soll ich dich je wieder ansehen, ohne daran zu denken, dass du mich hintergangen hast? Ein anderer sich genommen hat, was ich mit dir teilen wollte? Du hast mich nicht nur betrogen. Du hast mir die Möglichkeit genommen, für das zu kämpfen, das mir mehr am Herzen lag als alles andere in meinem verkorksten Leben."

Seine Augen glänzten verdächtig feucht. „Wie soll ich damit leben, dass dieses verfluchte Motorrad dich und deine Karriere ruiniert? Dass es zerstört hat, was wertvoller ist, als alles, was ich je mein nennen durfte?"

Mit brennenden Augen sah ich zu ihm auf.

„Ich wollte doch nur...", setzte ich lahm an.

„Ich weiß, was du wollest. Aber ich hatte dich gebeten, es nicht zu tun! Und du gehst sogar noch weiter!", brüllte Dawson und trat einen Schritt auf mich zu.

Plötzlich war er ganz ruhig und purer Schmerz stand in seinen Augen. „Ich hatte dir gesagt, dass es das nicht wert ist. Nichts ist es wert, dich und deinen wundervollen Körper dafür zu opfern."

Hätte er mich weiter angeschrien, vielleicht hätte ich die Situation händeln können. Möglicherweise Worte gefunden die ich ihm hätte entgegnen können. Doch im Angesicht seines Schmerzes und der Frustration, war ich wie gelähmt.

Er schob mich zur Seite, mit zwei Schritten war er an der Tür. Die Berührung seiner Hände auf meiner Haut schoss durch meinen Körper und riss mich endlich aus der Lethargie. Ich folgte ihm, als er die Treppe runter rannte, so schnell, dass ich über meine eigenen Füße stolperte und drei Stufen überschlug, bis ich auf den Hintern donnerte.

„Dawson, bitte, warte doch... lass mich erklären..."

„Was gibt es zu erklären? Willst du mich mit Details quälen?"

Das Schlagen der Haustür hallte wie ein Gewehrschuss durchs Haus. Erschüttert bis ins Mark starrte ich auf das braun der Holztür. Angst schnürte meine Kehle zu, als das Motorrad aufjaulte, lauschte den quietschenden Reifen, bevor meine Hand nach dem Türgriff fasste. In mörderischem Tempo jagte Dawson um die Kurve, das Motorrad lag schief, sein Knie schleifte fast den Asphalt und er trug keinen Helm. All seine Unterstellungen taten nicht halb so weh wie die tausend Tode, die ich starb, als ich seinen halsbrecherischen Fahrstil beobachtete. Nur das Schlagen meines Herzens erinnerte daran, dass ich noch immer am Leben war. So Gott wollte, traf das auch auf Dawson zu. Eine Prognose wagte ich nicht, wenn er su um die Kurve bretterte.

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt