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Auf dem Heimweg hatte ich das Gefühl heute nicht wirklich viel auf die Kette bekommen zu haben. Ich hatte Lio und Stacey angelogen, was Dawson betraf und Miles kein bisschen geholfen. Und in Hinblick auf Justin war ich dank meiner besten Freundin nun total verunsichert. Wie sollte ich wissen, ob sich Justins Küsse wie das Paradies anfühlten, wenn ich keinerlei Vergleich hatte. Meinem Gefühl nach hätte ich jetzt mal vorsichtig gesagt, da war Luft nach oben. Was wusste ich denn schon? Nichts. In Hinblick auf Jungs war ich ein wandelndes Fragezeichen.

Der Nachmittag verging wie im Flug und am Ende hatte ich Hektik, pünktlich fertig zu werden. Meine Nerven lagen, wie von Stacey vorhergesagt, völlig blank. Mehrfach war ich mit Miles den Wäschekorb durchgegangen und hatte ihm erklärt, was wie zu waschen wäre. Ob er es wirklich verstanden hatte, wagte ich zu bezweifeln. Mir war es ein Rätsel, wie jemand, der hochintelligent war wie mein großer Bruder, gleichzeitig völlig weltfremd sein konnte. Nach meinem Dafürhalten müsste sich das völlig ausschließen.

Als es an der Tür klingelte verdrehte ich gestresst die Augen. Justin war tatsächlich überpünktlich. Mit flatternden Fingern tauschte ich meinen Bademantel gegen die Jeans und die schulterfreie Bluse, die wir gestern gemeinsam ausgesucht hatten. Ein letzter Blick in den Spiegel, noch ein wenig Lipgloss und dann nichts wie nach unten.

Justin und Miles standen wartend im Wohnzimmer, als ich die Treppe herunterpolterte.

„Das Warten hat sich gelohnt", flüsterte Justin, als er mich umarmte und mir einen Kuss auf die Wange drückte. „Du siehst einfach phantastisch aus." Sein Lob zauberte Röte in meine Wangen und ein Lächeln auf meine Lippen. Nur sehr eingeschüchtert brachte ich einen Dank für das Kompliment über meine Lippen.

„Dann wollen wir mal, oder?", erkundigte sich Justin. „Du fährst auch bei mir mit, oder hast du andere Pläne?", erkundigte sich Justin bei meinem Bruder, ohne dass ich das Thema anschneiden musste.

„Wenn das für euch beide in Ordnung ist, dann sehr gerne. Ist toll, wenn ich mal nicht fahren muss", freute sich Miles.

„Hast du an Wechselkleidung gedacht?", erkundigte ich mich bei meinem Bruder und handelte mir einen bösen Blick von Miles, einen fragenden von Justin ein.

„Übernachtest du bei Stacey?", erkundigte sich Justin arglos und ich prustete amüsiert. In seinen Träumen vielleicht.

„Wer weiß", antwortete Miles gleichzeitig.

Als wir vor der Jagdhütte hielten, ließ ich wie beim letzten Mal meinen Blick schweifen. Diesmal nicht, um nach Justins Wagen zu suchen. Mir ging es eher darum, auf Dawson vorbereitet zu sein. Wieder überrollte mich das schlechte Gewissen. Justins Hand, die sich um meine schloss, als wir auf die Hütte zu gingen und sein freundliches Lächeln, mit dem er mich bedachte, machten es nicht besser.

Beinahe erleichtert stellte ich fest, dass es kein Anzeichen für die Anwesenheit des grünäugigen Kerls mit den Stimmungsschwankungen gab. Das war schon ein wenig merkwürdig, aber ich ging dem Gedanken nicht lange nach. Aus der Hütte schallte uns satter Hard-Rock entgegen, der kurz darauf von Metallklängen abgelöst wurde und es duftete nach Pizza.

Nur zu gerne schnappte ich mir in der Küche einen Teller und was von der vegetarischen Variante und warf mich damit auf einen freien Platz auf dem flauschigen Teppich. Mit der Pizza in der Hand nickte ich den Anwesenden zu und erntete das eine oder andere Schmunzeln. Ich war der lebende Running-Gag. Justin dackelte mir wie ein Schatten hinterher und ließ sich auf den freien Platz neben mir fallen, kurz darauf folgte Miles.

„Huch? Trinkt ihr gar nichts?", erkundigte sich Stacey, als sie uns entdeckt hatte.

„Eft waf effen", erklärte ich mit vollem Mund.

„Foll if dir waf bringen?", verarschte mich Stacey. „Whiskey-Cola? Für dich wohl ein Bier, Miles? Und was trinkst du, Justin?"

„Nur Cola. Bin heute der Fahrer."

Nickend verschwand Stacey in der Küche und kehrt dann mit unseren Getränken zurück, Hillary im Schlepptau.

„Hi, Riley", begrüßte sie mich freundlich. „Justin! Miles! Schön euch zu sehen!" Sie prostete uns mit ihrem Plastikbecher zu und stöckelte an uns vorbei zu Damian. Er war ein ziemlicher eindrucksvoller Koloss von einem Mann. Einer von Dawsons und Lionels Freunden. Biker durch und durch mit Tätowierungen, Piercings, kurz geschorenen Haaren und einer beachtlichen Muskelmasse. Mit Erstaunen beobachtete ich, wie sie sich an Damian kuschelte.

„Ist sie nicht mit diesem Dawson zusammen?" Justin war mindestens so überrascht wie ich.

„Interessante Frage. Da Dawson nicht hier ist, werden wir es nicht abschließend klären können. Sie behauptet jedenfalls, das mit Dawson sei nichts Ernstes gewesen", informierte uns Stacey.

„Ah so", sagte ich geistlos. „Und was heißt, er ist nicht hier?"

Stacey zuckte mit den Achseln. „Er ist nicht gekommen. Geht nicht an sein Handy. Seine Ma weiß auch nichts. Seine Nachrichten ignoriert er. Anrufe auch."

„Und was ist mit der Tour?"

„Kein Plan, Riley. Echt. Aber wie es aussieht, kommt er nicht mit. Lio ist stocksauer. Sie planen das seit Wochen." Enttäuschung lag in Staceys Stimme und ein Blick zu Lionel, Ronny und Mike sagte mehr als tausend Worte. Deren Stimmung war im Keller. Einzig Drake sah zufrieden aus. Er starrte nämlich Hillary in den Ausschnitt und bei den meisten Typen war das ein Garant für gute Laune. Drake bildete keine Ausnahme.

„Das ist doch für'n Arsch", äußerte Miles und Stacey nickte.

„Kannst du laut sagen. Lio ist am Boden zerstört. Sein bester Freund ist wie vom Erdboden verschluckt. Ist schon ätzend. Er versucht seit über achtundvierzig Stunden Dawson zu erreichen."

„Fahrt ihr trotzdem?", erkundigte sich Miles und ich hörte die leise Hoffnung in seiner Stimme, es könnte anders sein.

„Klar fahren wir trotzdem. Aber Dawson braucht sich nicht mehr bei uns blicken lassen, wenn er so sang und klanglos untertaucht", murrte Stacey.

„Vielleicht hat er seine Gründe", verteidigte ich ihn lahm und fing zwei erstaunte Blicke von Stacey und Justin auf. Miles Gesichtsausdruck lag zwischen mahnend und besorgt.

„Dass ausgerechnet du ihn verteidigst!", brummte Stacey und stand auf.

„Ja, wirklich! Ausgerechnet du!", bestätigte Miles mit einer leichten Spur Ironie. Augenscheinlich empört von meinem Frevel stapfte er hinter Stacey her, aber das belustigte Funkeln in seinen Augen strafte seinen entsetzten Tonfall lügen. Mühsam unterdrückte ich ein Lächeln.

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt