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Dawsons Silhouette tauchte in der Tür auf. Im Gegenlicht sah es aus, als hätte er einen Heiligenschein.

„Geh wieder rein. Lass mich in Ruhe", wisperte ich beschwörend und kauerte mich tiefer in den Schatten des Wagens. Ich starrte auf meine weinroten Doc Martens, hoffte, er würde wieder gehen, wenn ich nur fest genug daran glaubte.

Als ich das nächste Mal aufsah, stellte ich erleichtert fest, dass er im erleuchteten Rechteck der Tür nicht mehr zu sehen war. Kurz darauf wünschte ich ihn mir dorthin zurück. Leises Rascheln von Laub war zu hören und das Knacksen einiger Äste, was irgendwie gruselig klang. Mit Dawson in Rufweite hätte ich mich um Längen sicherer gefühlt.

Nur ein Waschbär oder ein Igel, beruhigte ich mich selbst. Wirklich entspannter fühlte ich mich jedoch nicht. Mein Herz klopfte laut und leicht panisch in meiner Brust. Das hier war ein Wald und ich, ein Mädchen, hockte allein auf dem Boden! Mal ehrlich: bei einer Party mit ungefähr dreißig männlichen, teils betrunkenen Teenagern vielleicht keine tolle Idee.

Stocksteif saß ich da und lauschte. Was auch immer da herumschlich, war in etwa so groß wie ein Bär und die Geräusche näherten sich stetig.

„Riley?" Das war jetzt nicht sein verdammter Ernst! Wobei der Gedanke an einen Bären bei Dawsons Statur nicht abwegig war und der Gedanke an einen brummigen Grizzley entlockte mir beinahe ein Grinsen.

„Komm schon, Riley, ich weiß, dass du hier draußen bist!", rief Dawson leise.

„Ha! Wusste ich es doch", sagte er plötzlich hinter mir. Erschrocken zuckte ich zusammen.

„Gratuliere, Einstein! Und jetzt verschwinde wieder!" Stur starrte ich auf die Büsche und Bäume vor mir, nur nicht zu ihm.

Einen Moment stand Dawson unschlüssig da. Dann ging er neben mir in die Hocke und der erdig feuchte Geruch des Waldbodens wurde von seinem überlagert.

„Du solltest nicht alleine hier draußen sein, Riley. Komm wieder rein." Seine Stimme klang ehrlich besorgt, doch ich war zu wütend, zu gekränkt, allem voran aber zu bockig, um die Worte an mich heranzulassen.

„Was sollte mir schon passieren? Ich bin doch nur ein Kind!", fauchte ich. Okay. Das war kindisch, tat aber gut.

Sein Blick scannte mein Gesicht.

„Es geht noch immer um diese alte Geschichte?" Er wirkte genervt. „Das ist über zwei Jahre her, Riley."

Einen Moment schwieg er, dann deutete er auf den Platz neben mir. „Darf ich?"

Ich zuckte mit den Achseln. „Von mir aus!"

Umständlich setzte er sich neben mich, stützte seine Ellbogen auf die Knie. Sein Bizeps war genau auf meiner Augenhöhe und ich konnte diesen gar nicht ignorieren. Genau so sollte ein gut trainierter Männerarm aussehen.

„Du hast recht. Ich hätte damals sensibler sein sollen. Ich wollte dir nie wehtun, Riley. Bestimmt nicht." Überrascht von seinem ungeahnten Einfühlungsvermögen blickte ich in sein Gesicht, das in der Dunkelheit nur schemenhaft zu erkennen war.

„Hast du aber", gestand ich leise. Und es tat noch immer weh. Jeden verdammten Tag, wenn ich vor meinem Spiegel stand und die Rundungen anstarrte, die irgendwo zwischen Körbchengröße AA und A lagen und einfach nicht wachsen wollten.

„Das tut mir leid, Riley. Wirklich. Aber ein angetrunkener Zwanzigjähriger kann schon mal in Panik geraten, wenn eine Vierzehnjährige ihm an die Wäsche will."

Er grinste mich an. Mir war aber nicht nach Lachen.

„Ich wollte dir nicht an die Wäsche! Ich wollte dich nur küssen!", widersprach ich empört. Zum Glück war es dunkel und er konnte meine roten Wangen nicht sehen. Die Phantasien einer vierzehnjährigen Riley waren bei Weitem nicht so unschuldig, wie ich es Dawson gerade weismachen wollte. Immerhin war mein Bruder vier Jahre älter als ich und schon vor zwei Jahren hatte ich sehr klare Vorstellungen gehabt, die jenseits von Bienchen und Blümchen lagen.

„Riley. Nochmal: du warst vierzehn. Ich zwanzig. Das war eine Scheißidee von dir, die mich in große Schwierigkeiten hätte bringen können. Verstehst du das noch immer nicht?"

„Doch, schon", druckste ich. Mein Kopf verstand das sehr gut. Mein Herz blutete aber gerade, entgegen jeder Vernunft, wieder still auf den Waldboden.

„Gut, wenn das jetzt geklärt ist, dann sollten wir reingehen. Mit dir alleine hier draußen zu sitzen, ist nicht gerade brillant. Ich hab keine Lust, dass uns jemand was andichtet. Bei unserem Altersunterschied kann das auch ganz schnell in U-Haft enden."

Betroffen sah ich ihn an. „Das habe ich nicht bedacht", gab ich zerknirscht zu.

„Ich weiß. Deswegen sagte ich es dir ja auch in aller Deutlichkeit."

Er stand auf, klopfte sich den Waldweg von der Hose und hielt mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen.

„Und nur zur Info", sagte Dawson, als wir zum Haus zurückgingen, „der Engel, von dem ihr vorher spracht, hat Dads Maschine verkauft."

Seine grünen Augen blickten traurig und starr geradeaus, als er das sagte. In einer anderen Welt, in einer, in der wir hätten Freunde sein können, hätte ich ihn jetzt umarmt, einfach so, um ihn zu trösten. Doch eine solche Welt gab es nicht. Ich würde ihn nie umarmen können, ohne an diesen schrecklichen Tag zurückzudenken, an dem er die romantischen Träume der kleinen Riley brutal zerbrochen hatte.

„Das tut mir leid." Mehr als diesen Satz konnte ich ihm nicht bieten. Es war alles, was ich für ihn hatte und das würde ihm auch reichen, mir aber nicht. Worte blieben hinter den Möglichkeiten zurück, die wir gehabt hätten, wenn ich bei der beschissenen Party, wie versprochen, mit Stacey im Speicher geblieben wäre und Filme geschaut hätte, für die wir zu jung waren. Dann hätte ich ihn jetzt umarmen können, ohne dass sich jemand etwas gedacht hätte.

Aber die kleine dumme Riley hatte auf Stacy gehört und sich nach unten auf die Party geschlichen, sich Mut angetrunken und versucht Dawson zu küssen. Alle seine Freunde hatten es mitbekommen und ich würde für immer das Mädchen sein, dass sich Dawson an den Hals geworfen hatte. Undenkbar, ihn jetzt zu umarmen.

Dawson nickte, sagte aber nichts weiter zu dem Thema. „Man sieht sich, Kleine!" Die Hände in den Hosentaschen versenkt, verschwand er Richtung Küche und ich drängelte mich zurück ins Wohnzimmer, wo gerade die Sofas zur Seite gerückt wurden und eine improvisierte Tanzfläche entstand.

Jemand sorgte für noch lautere Musik und für die nächsten zwei Stunden schaffte ich es fast, die Tatsache auszublenden, das Dawson und ich uns im selben Raum befanden. Fast. Zumindest so lange, bis ich ihn mit einer vollbusigen Brünetten tanzen sah. Hillary Swan. Eine aus dem Jahrgang über mir. Blöderweise konnte ich nichts Schlechtes über sie sagen. Sie war freundlich, ziemlich schlau und, das war das einzig blöde an ihr, hatte eine unglaubliche Oberweite, die selbst meinen Bruder schon zu obszönen Andeutungen verleitet hatte. Es sollte mich nicht mehr stören. Nicht nach zwei Jahren. Trotzdem nervte es mich jedes Mal, wenn Dawson mit Mädchen rummachte. Insbesondere wenn sie untadelig waren.

Frustriert von dem Verlauf des Abends ließ ich meinen Blick schweifen und traf auf den nicht minder angepissten Blick meines Bruders. Stacey war ihm wohl auch blöd gekommen. Er deutete mit dem Kopf zur Tür und ich nickte. Masochismus lag mir nicht. Mehr Dawson konnte ich heute einfach nicht mehr verkraften. Dabei war es erst fünf nach eins, der neue Tag noch beinahe so jungfräulich wie ich.

„Das war für die nächsten Wochen meine letzte Party", grummelte ich, als Miles seinen Arm um meine Schulter legte. Ich riskierte einen letzten Blick in Dawsons Richtung und erstarrte. Über die Tanzfläche waren seine Augen auf mich gerichtet. Daran bestand überhaupt kein Zweifel. Wie hypnotisiert starrte ich ihn an, versank in seinen Augen und dann in völliger Schockstarre, als er sich abwendete und Hillary küsste.

Definitiv nicht die letzte Party für Wochen, sondern bis ich unsere Kleinstadt verlassen würde, um zu studieren. Vorzugsweise am anderen Ende der Welt.

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt