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Der nächste Blitz erleuchtete das kleine Zimmer und fast augenblicklich folgte der Donner. Die Holzdielen vibrierten bei dem dunklen Grollen unter meinen Füßen. Ich zuckte zusammen, wie unzählige Male zuvor. Ohne Umschweife zog Dawson mich in eine feste und sehr kalte Umarmung.

„Ist gut, Riley. Hier kann dir nichts passieren. Ich pass auf dich auf, okay?", flüsterte er beruhigend.

Ein leichtes Zittern ging durch seinen Körper, während er sanft meinen Nacken streichelte und sein Kinn auf meinen Kopf legte.

„Du bist nass und kalt", stellte ich fest und löste mich aus seinen Armen. Ich musste meinen Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufzusehen. „Willst du vielleicht ein Handtuch?", fragte ich und zerstörte damit den seltsam intimen Augenblick zwischen uns.

„Eigentlich nicht. Das Shirt kühlt die Blutergüsse. Ist überraschend angenehm."

„Hm, aber nur solange, bis du dich erkältest und hustest. Dann werden deine Rippen noch mehr wehtun", gab ich zu bedenken und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, in das winzige Bad. Als ich wieder herauskam, musste ich mir mit Mühe ein schadenfrohes Lachen verkneifen. Ich presste meine Lippen aufeinander und konnte mein Prusten auf die Art zumindest halbwegs unterdrücken.

Dawson stand da und versuchte sich mit allen möglichen Verrenkungen aus dem klatschnassen Stoff zu pellen. Doch das Shirt hatte sich an ihm festgesaugt und der sonst eher dynamische Dawson scheiterte immer wieder daran, dass er den Arm nicht richtig heben konnte, ohne dabei Schmerzen zu haben. Nun steckte er halb in seinem Shirt und kam nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Meine Schadenfreude war zugegebenermaßen gemein, aber das Bild wirklich erheiternd.

„Echt lustig, Riley. Schön, dass du Spaß hast!", brummte Dawson, dessen Gesicht von seinem nassen Shirt verdeckt wurde.

„Warte, ich helf dir", bot ich an und konnte mein Lachen nun nicht mehr verbergen. So behutsam wie möglich, damit ich ihm nicht wehtat, zog ich ihm das Shirt über den Kopf. Dawsons Haut fühlte sich eiskalt an meinen Händen an. Er nahm das Handtuch von mir entgegen und legte es um seine Schultern.

Mit dem T-Shirt in der einen Hand, begann ich mit der anderen meinen Rucksack nach Klammern zu durchstöbern. Wohin hatte ich die denn beim letzten Wettkampf bloß gepackt? Deckelfach, genau!

„Wieso hast du Klammern im Rucksack?" Interessiert verfolgte Dawson, wie ich zum Fenster ging und die schweren Vorhänge halb zuzog.

„Bei Auswärtswettkämpfen muss ich meine Schwimmkleidung irgendwie trocknen", erklärte ich und klammerte sein Shirt zwischen die beiden Stoffbahnen. „Ist nicht besonders hübsch aber wirkungsvoll."

Als ich mich wieder zu Dawson umwandte, stand er ganz nahe hinter mir und runzelte die Stirn.

„Sag mal, was ist das denn?", schnaubte er belustigt. „Knutschflecke? Im Ernst? Die sind mir vorhin unter deinen langen Haaren gar nicht aufgefallen. Hat dein Justin etwa versucht, sein Revier zu markieren?", stichelte er.

„Möglich", antwortete ich vage. Ich hatte mir keine Gedanken über das warum gemacht.

„Das ist genauso sinnlos, als würde man seine Schokolade abschlecken und hoffen, dass sie dann kein anderer mehr isst. Meine Schwester hat das auch immer gemacht." Er klang wirklich amüsiert.

Nachdenklich musterte er mich, während er mit dem Daumen über die dunklen Flecke fuhr. Unter seinem intensiven Blick wurde mir heiß und mein Gesicht nahm bestimmt schon einen auffälligen Rotton an.

„Aber weißt du was? Ich wollte die Schokolade trotzdem, Riley", raunte Dawson dunkel. Seine Hand wanderte in meinen Nacken. Ich war mir nicht ganz sicher, ob wir über Schokolade sprachen. So wie er mich gerade ansah, eher nicht.

„Und diese Flecken..." Seine Finger streichelten meinen Hals, „bringen mich erst auf Ideen, wo ich überall an deiner Haut saugen und lecken könnte."

Okay. Definitiv redeten wir nicht mehr über Schokolade, sondern über Dinge, die mir die Schamesröte ins Gesicht trieben.

Der nächste krachende Donnerschlag ließ mich zusammenzucken. Dawson verzog das Gesicht erneut zu einem Lächeln. „Ja, ich seh schon, du hast wirklich überhaupt keine Angst, tapfere Riley."

Er schob mich Richtung Bett. Bei Justin hatte mich das gestern mit Widerwillen erfüllt, mit tief empfundenem Misstrauen. Doch jetzt war ich einfach nur froh, nicht allein zu sein. Dawson hob die Decke, ließ mich darunter krabbeln, bevor er sich sehr langsam und vorsichtig neben mir zurechtsetzte. Sein Gesicht verzog sich dabei leidend.

„Schmerzen?"

Er nickte, zog mich aber dennoch an sich, bis ich mit meinem Rücken halb an seiner Brust ruhte. Mich mit meinem vollen Gewicht gegen ihn zu lehnen, traute ich mich allerdings nicht. Die Blutergüsse standen zu deutlich vor meinem inneren Auge. Daher verharrte ich in einer ziemlich unbequemen Position, gegen die meine Bauchmuskeln bereits nach kürzester Zeit protestierten.

Dawsons Arm lag um meine Taille, sein Unterarm ruhte auf meinem Bauch und angespannt beobachtete ich, wie sein Daumen in geradezu hypnotischen Kreisen über meinen Rippenbogen fuhr. Mein Blick glitt über seine aufgeplatzten Knöchel und den Schorf, der sich dort gebildet hatte, bis zu seinem leicht gebräunten Unterarm.

„Erzählst du mir, was da passiert ist?"

„Was meinst du?", erkundigte er sich leicht alarmiert. Sein Körper spannte sich hinter mir an.

Vorsichtig fuhr ich mit den Fingerspitzen über den Schorf.

„Oh, das da?" Erleichterung schwang in seiner Stimme und misstrauisch horchte ich auf den Unterton. Leichthin sprach er weiter.

„Ich hab deine Idee, das Motorrad zurückzukaufen nochmal überdacht. Nur bräuchte ich dafür eine ziemlich große Summe Geld. Ich dachte, ich hätte eine gute Möglichkeit gefunden, die relativ schnell zusammenzukriegen." Er verlagerte hinter mir sein Gewicht.

„In dem du dich verprügeln lässt? Ist das so bescheuert, wie es klingt?", bemerkte ich verständnislos.

Er lachte. „Nein, der Plan an sich war perfekt und sicher wollte ich nicht in diesem Zustand aus der Sache rausgehen."

„Was immer dein ominöser Plan war, er funktioniert nicht wirklich gut", spottete ich.

„Zugegebenermaßen habe ich mich ein kleinwenig überschätzt. Das wird aber nicht mehr passieren."

Sinnierend strich ich über seinen Unterarm und die golden angehauchten Härchen, die im Zwielicht des Zimmers viel dunkler wirkten. Er hatte eine Menge geredet, aber dabei nichts gesagt, was einen Hinweis darauf gab, auf welchem Wege er sich seine Verletzungen zugezogen hatte.

„Und was war jetzt der grandiose Plan?"

„Ultimate Fighting. Da lässt sich eine Menge Geld machen. Also vorausgesetzt, man gewinnt."

„Wir reden nicht von legalen Kämpfen, nehme ich an?"

„Doch, legal sind sie vom Grunde her. Sind offiziell reine Trainingskämpfe. Eher die Wetten drumherum stellen ein ernstes Problem dar", gab er zu.

„Du bist total bescheuert", stellte ich fest.

„Ja, bin ich offensichtlich. Bescheuert genug, mit einer Sechzehnjährigen in einem dämmrigen Zimmer zu sitzen. Ob mich das eine oder das andere in den Knast bringt, ist doch auch schon egal."

„Nein, ist es nicht. Hier zu sitzen ist nicht verboten. Unangemeldete Wetten sind es aber definitiv."

„Du bist so unglaublich naiv, Riley. Meinst du, ich hab dich geküsst, weil ich die nächsten dreizehn Monate neben dir auf dem Bett sitzen will?"

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt