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Miles, der mich in die Arme schloss, als ich hereinkam, bestand allerdings auf einem heißen Bad, das ich dann aber auf eine Dusche herunterhandeln konnte. Das heiße Wasser tat mir überraschend gut. Völlig auf den Schmerz auf meiner Haut fokussiert, gelang es mir, für ein paar Minuten zu vergessen, wer ich war und was ich erlebt hatte. Ich stand unter dem Strahl der Dusche, bis ich einem Hummer ähnelte. Miles hämmerte irgendwann gegen die Tür. „Riley, die Nudeln werden matschig. Komm essen!"

Hatte ich mir wirklich eingebildet, essen zu wollen? Eigentlich schmeckte alles nach Pappe.

„Iss wenigstens ein bisschen was. Ist ja auch niemandem geholfen, wenn du aus den Latschen kippst."

Widerstrebend würgte ich ein paar Bissen runter.

„Hast du was von Mum und Dad gehört?", fragte ich schließlich.

„Dad hat geschrieben, er setzt sich mit der Polizei in Verbindung, damit sie dich in Ruhe lassen. Er gibt ihnen die Adresse von Lombardi, diesem Anwalt aus der Montgomery Road. Alle Fragen sollen in Zukunft über den laufen. Auch wenn die Presse was will, dann sollen wir auf den verweisen."

„Okay", antwortete ich traurig. „Und Mum konnte auch nicht bleiben?"

„Nein, Riley. Du weißt doch, dass sie Termine nicht so kurzfristig absagen kann."

„Ja, klar. Ich hatte nur ein traumatisches Erlebnis. Kein Problem, wenn meine Eltern lieber die Welt retten. Sorry, Miles. Aber mir ist der Hunger echt vergangen!"

Ich schob meinen Stuhl zurück und verließ die Küche. Oben in meinem Zimmer warf ich mich auf mein Bett. Sekunden später klopfte es leise und Miles steckte seinen Kopf durch den Türspalt.

„Geh weg", brummte ich. Er kam trotzdem rein.

„Was an ‚geh weg' verstehst du nicht?", schrie ich und schmiss ihm mit voller Wucht ein Kissen entgegen. Mein Bruder war derartig überrumpelt, dass er es nicht abfing. Es klatschte ihm direkt ins Gesicht.

„Meine Brille!", begehrte Miles empört auf.

„Ist mir egal! Raus hier", brüllte ich und sprang vom Bett. „Ich hab gesagt, du sollst gehen!"

Beschwichtigend hob er die Hände, sah mich durch seine Brille, die nun schief auf seiner Nase hing, überfordert an. „Beruhig dich mal! Ich geh ja schon!"

Leise schloss er die Tür hinter sich. Seine ruhige Beherrschung regte mich auf. Im vollen Bewusstsein, wie kindisch ich mich aufführte, trat ich gegen die geschlossene Tür. Sie schepperte protestierend in den Angeln, hielt meinem ungerechtfertigten Zorn aber stand.

Tränen rannen über meine Wangen, als ich mit dem Kissen im Arm, das ich zuvor nach Miles geworfen hatte, auf mein Bett krabbelte. Wie ein Fötus ringelte ich mich um das Kissen und schluchzte hinein. Jetzt bereute ich meinen Ausbruch bitterlich. Ich wollte nicht allein sein. Nicht jetzt. Aber es war einfach nicht Miles, der mich trösten sollte. Ich wollte meine Mum. Sie sollte mich in den Arm nehmen. Mir sagen, dass alles gut war. Dass sie mich liebhatte. Sie sollte für mich da sein.

Das Bewusstsein, dass für das kleine Mädchen vom See nichts mehr je gut sein würde, traf mich mit der Wucht eines Lastwagens. Auch wenn meine Mum nicht hier war. Sie würde zurückkommen. Die Mutter des kleinen Mädchens würde sie nie mehr in den Arm nehmen. Sie war einsam und allein in einem nassen Grab gestorben und nichts und niemand würde sie zurückbringen. Ihre Familie musste sie beerdigen, sich von ihr verabschieden. Weil ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört hatte. Wie unsicher die Frau war, hatte ich gesehen. Warum hatte ich nicht nach dem Funkgerät gegriffen und jemanden rausgeschickt, als ich feststellte, dass die Frau nicht an der Kette stoppte? Vielleicht, weil ich der Aufgabe mit sechzehn nicht gewachsen war und auch Justin mit seinen achtzehn zu jung war. Doch wenn nicht wir, wer hätte dann dort oben sitzen sollen? Wo waren denn all die erwachsenen Freiwilligen in unserer Stadt? Sobald es um ihre wertvolle Freizeit ging, versteckten sie sich unter einem Stein und kamen erst wieder hervor, wenn die Arbeit getan war. Und dann kam ein anmaßender Polizist und fragte, ob ich mich dem gewachsen fühlte!

Meine Anspannung wich einer flammenden Wut auf den Officer und je wütender ich wurde, desto mehr und lauter schluchzte ich.

„Riley?" Miles stand hilflos an der Tür, schlich dann näher und setzte sich auf das Bett. Als er mich in den Arm nehmen wollte, stieß ich ihn weg.

„Lass mich in Ruhe! Du denkst bestimmt auch ich bin noch ein Kind!", fauchte ich.

„Nein, das stimmt nicht. Du hast heute ein kleines Mädchen gerettet. Du bist eine Heldin!"

„Eine Heldin, die die Mutter ertrinken lässt!", kreischte ich hysterisch.

„Bitte, Riley! Beruhig dich doch!"

„SAG MIR NICHT WAS ICH TUN SOLL! GEH EINFACH WIEDER!", brüllte ich aus Leibeskräften.

Verzweifelt fuhr Miles sich durch seine Haare. „Riley, ich..."

„RAUS HIER!" Meine Stimme kippte. Mit den Füßen schob ich ihn vom Bett.

„Okay." Miles verschwand hinter der Tür. „Aber ich komme mit Hilfe zurück!"

Inzwischen zitterte ich am ganzen Körper, meine Schluchzer nahmen mir den Atem, meine Nase war völlig verstopft. Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Über meine hektischen Atemzüge hörte ich schnelle, schwere Schritte auf der Treppe. Diesmal wurde die Tür nicht sanft geöffnet, sondern flog beinahe auf.

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt