7

1K 43 8
                                    

Seite an Seite, mit meinem Fahrrad als Abstandshalter, liefen wir die Straße runter. Es war noch hell, die Straße belebt. Keine Ahnung, was der Zirkus mit dem Nachhause bringen sollte. Mit dem Fahrrad benötigte ich keine zehn Minuten für den kurzen Weg. Die Strecke war ich hunderte von Malen gefahren. Zum Teil täglich mehrfach. In den letzten zehn Jahren hatte es keine Morde gegeben, Misshandlungen nur in der Ehe und Vergewaltigungen kamen eher an den weniger belebten Joggingstrecken vor.

„Dir war also schlecht, hm?" Schmunzelnd sah Dawson mich von der Seite an. Seine Augen funkelten belustigt.

„Genau", beharrte ich stur und starrte geradeaus.

„Warum schwindelst du? Dir war gestern in etwa genauso schlecht, wie ich heute dringend nach Hause muss. Also gar nicht, Riley", stellte Dawson eine gewagte These auf.

„Wenn du schon alles weißt, dann musst du ja nicht noch extra dämlich fragen", gab ich missmutig zurück.

Dawson lachte leise. „Alles weiß ich nicht. Ich habe keine Ahnung, warum du deine beste Freundin anlügst."

„Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem du Lionel anschwindelst?", schlug ich vor, ohne eine Vorstellung zu haben, ob ich mit der Vermutung richtig lag.

Inzwischen hatten wir die kleine Methodistenkirche passiert, die etwa auf der Hälfte des Weges lag. Ich machte drei Kreuze, dass die Folter, neben Dawson zu laufen, bald ein Ende haben würde. Immer wieder ertappte ich mich, wie ich ihn von der Seite musterte.

„Mir gefiel die Idee nicht, dass Lionel dich nach Hause bringt und du dich ihm unterwegs an den Hals wirfst. Was das mit deiner erfundenen Magenverstimmung zu tun hat, ist mir nicht klar."

„Mir hat die Vorstellung nicht gefallen, Stacey den wahren Grund für meinen schnellen Abgang gestern zu erklären." Meine Antwort war nur die halbe Wahrheit. Vielleicht ahnte er das, schließlich hatten wir Augenkontakt gehabt, bevor er Hillary Swan küsste. Möglicherweise ahnte er es nicht, oder es war ihm egal. Was auch immer, er sagte kein weiteres Wort und ich beließ es auch dabei.

Kurz hinter der Bäckerei blieb Dawson unvermittelt stehen. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hab Hunger."

„Ich auch", gestand ich leise, was ihm ein weiteres Schmunzeln entlockte.

„Kein Wunder. Du hattest ja nicht mal ein leckeres, cremiges Eis", stellte er gehässig fest. „Was meinst du? Sollen wir uns bei Tony's noch eine Pizza holen?"

„Dein Ernst?" Erstaunt musterte ich ihn.

„Klar. Weiß ja nicht, wie das bei dir so ist, aber ich geh nicht gern hungrig ins Bett."

„Ich auch nicht. Meine Granny hat mich früher ab und zu ohne Abendessen ins Bett geschickt, wenn ich was ausgefressen habe. Das war der blanke Horror!" Ich schüttelte mich bei der Erinnerung und Dawson lachte. Ein durchaus sympathisches Geräusch, wenn man außer Acht ließ, dass er ein ziemlicher Arsch sein konnte.

Da ich mein Rad schieben musste, nahm Dawson beide Pizzakartons und nach einem kleinen Umweg setzten wir uns auf die Bank eines nahen Spielplatzes. Ich war hungrig wie ein Rudel Wölfe und hatte die ersten drei Stücke meiner Gemüse-Pizza bereits gegessen, als Dawson noch an seinem zweiten Stück war. Belustigt beobachtete Dawson mich.

Mir wurde unangenehm bewusst, was ich auf ihn für einen Eindruck machen musste. Ein ungezogener Teenager, der im Schneidersitz auf einer Parkbank saß und sein Essen runterschlang. Das war in höchstem Maße unzivilisiert. Bei den nächsten Achteln bemühte ich mich um mehr Anstand.

„Dir schmeckt's, hm?", neckte mich Dawson, als ich meine leere Schachtel zuklappte, bevor er mit seinem letzten Viertel überhaupt angefangen hatte.

„Ich wäre beinahe verhungert."

Dawson lachte. „Das glaube ich dir aufs Wort."

Als auch er fertig war, stopften wir die leeren Pappen in einen Mülleimer. Dawson warf einen Blick zum Himmel.

„Wir sollten uns beeilen. Das sieht nach Gewitter aus", stellte ich fest, als ich seinem Blick folgte. Ohne zu zögern ging ich zum Fahrrad.

„Riiiileyyy! Hast du etwa...." Er machte eine theatralische Pause und sagte dann knapp neben meinem Ohr „Angst vor Gewitter?" Erschrocken quiekte ich auf und sprang zur Seite. Mein Herz raste vor Schreck. Der Idiot!

„Und wenn schon", murrte ich. In meinem Magen grummelte es wie bereits am Himmel. Ich war im Flucht-Modus.

„Ist doch keine Schande. Jeder hat doch vor irgendwas Angst. Komm, wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch vor den ersten Regentropfen. Du radelst und ich jogge einfach", schlug er verständnisvoll vor. Dankbar nickte ich und schwang mich auf den Sattel, fuhr dann in seiner Geschwindigkeit neben ihm her.

„Danke", sagte ich, als wir am Gartentor ankamen und meinte damit nicht nur, dass wir uns beeilt hatten und er so schnell gejoggt war, dass er sich jetzt atemlos auf den Oberschenkeln abstützte. Ich meinte auch die Pizza und dass er mich begleitet hatte.

„Ich danke dir", schnaufte er. „Zumindest weiß ich jetzt, dass ich wieder mehr Ausdauersport treiben muss. Krafttraining ist nicht alles."

Eingehend musterte ich ihn. Kraftsport war nicht alles, hatte aber beträchtlichen Anteil an seinem breiten Kreuz und dem maskulinen Gesamteindruck.

Ein Blitz zuckte über den Himmel und ich zuckte ebenfalls. Gar nicht peinlich, nee. Wieso auch.

„Geh rein, Riley", sagte Dawson sanft und machte eine scheuchende Handbewegung in Richtung Eingangstür. „Lass den Schrank aber einen Spalt offen, wenn du reinkrabbelst. Nicht, dass dir der Sauerstoff ausgeht." Er zwinkerte mir zu und joggte los, bevor ich mich verabschieden konnte.

Woher zur Hölle konnte er wissen, dass ich mich früher im Schrank verkrochen hatte, wenn ich Angst hatte? Kopfschüttelnd ging ich ins Haus.

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt