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„Du glaubst nicht im Ernst, dass ich hier schlafe?" Sam war regelrecht empört. Dabei war das Motel gar nicht mal so abgefuckt, wie sie es darstellte. Gut, die Farbe blätterte von den Türen und Fensterläden. Die Fassade hatte einen Anstrich nötig und es sah auch aus, als würde das Dach an manchen Stellen durchhängen. Aber wirklich nur ein wenig, was ich nicht mal der Rede wert fand.

Zudem konnte ich der Absteige auch durchaus etwas Positives abgewinnen: sie war spottbillig und passte daher ganz hervorragend zu meinem schmalen Budget.

Ich blickte das Motel entlang, dann zu meiner Begleiterin. Sam sah wirklich angepisst aus. Und verdammt scharf, wenn ihre Augen wütend blitzten wie jetzt. „Ich hatte eigentlich geplant hier zu schlafen. Aber du hast recht. Es sieht nicht sonderlich vertrauenserweckend aus."

„Vertrauenserweckend? Grady, das Beste wäre, es abzureißen!"

„Sam, bitte. Ich bin müde. Es sind nur ein paar Stunden. Lass uns einfach hier schlafen." Und vorher Sex haben.

„Ein paar Stunden, in denen ich nicht vom Dach erschlagen werde. Von mir aus kannst du gerne hier pennen. Ich hol dich morgen um acht ab. Falls du dann noch unter den Trümmern dieser Absteige hervorkriechen kannst"

Okay. Das klang nicht, als ob ich sie heute noch unter mir liegen hätte.

„Und wo schläfst du?", fragte ich angenervt.

„Steig ein, dann siehst du es. Oder bleib hier und verspiel dein Leben."

Ich bereute es bereits, mit ihr unterwegs zu sein. Ein Bett in Reichweite und sie verlangte allen Ernstes ich solle wieder einsteigen. Wehmütig betrachtete ich das windschiefe Schild auf dem „Rezeption" stand.

„Grady, ich wart nicht die ganze Nacht", rief Sam mir zu und stieg in ihr Auto. Nein, nicht Auto. Ein Pick-up mit Ausmaßen, wie ich sie selten gesehen hatte und er ließ mein Herz höherschlagen. Das Teil war ein Traum.

Resigniert stieg ich schließlich ein. Sollte sie doch fahren so lange sie wollte. Von mir aus direkt bis vor Mums Haustür. Ich würde jetzt jedenfalls schlafen. Sofort. Meine letzten zehn Tage waren anstrengend und ich wollte einfach meine Ruhe. Was war daran verkehrt?

Während Sam ihr Baby durch die Dunkelheit steuerte, lehnte ich meinen Kopf an die Scheibe, starrte in die Nacht und fiel schließlich in einen Dämmerschlaf, aus dem Sam mich rücksichtslos herausriss. Sie öffnete die Beifahrertür und mein müder entspannter Körper folgte einfach der Schwerkraft. Netterweise hielt Sam meinen Fall auf, bevor ich kopfüber aus dem Wagen kippte und auf den Boden aufschlug.

„Komm. Kannst ja gleich weiterschlafen, Grady", sagte sie lachend.

Blinzelnd sah ich mich um. Sam hatte auf einer Wiese mitten im Nirgendwo geparkt. Mein verpenntes Hirn nahm nur unterschwellig wahr, dass sie mich an der Hand mitzog und in Richtung der Ladefläche dirigierte, wo sie zwei Isomatten und Schlafsäcke ausgebreitet hatte.

„Kann man so machen", murmelte ich, legte mich hin und war weg, bevor ich nur „Gute Nacht" gesagt hatte.

Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten mich wach. Sam lag noch immer schlafend neben mir. Ihr Atem war ruhig und entspannt und wie es aussah, würde sie nicht allzu bald aufwachen. Eine Weile beobachtete ich sie im Schlaf, dann wurde mir das zu langweilig und ich setzte mich auf, um mir die Umgebung anzusehen. Sam war offensichtlich aufs Geratewohl einem Feldweg gefolgt und hatte ihren Truck neben einer kleinen Baumgruppe auf einer kargen Wiese geparkt. Wie es aussah tat sie das nicht zum ersten Mal. Sonst hätte sie wohl kaum Isomatte und Schlafsack dabei. Zwei Schlafsäcke und zwei Isomatten wohlgemerkt. Das war schon etwas merkwürdig. Aber wer weiß, vielleicht ging sie am Wochenende mit Abraham fischen. Oder fuhr mit Freundinnen zu Country Festivals. Oder sie feierte gerne und nahm dann irgendwelche Typen mit. Oder sie hatte einen Ex, dem das Zeug gehörte. Das war wohl das Wahrscheinlichste.

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt