Teil II - Dawson 43

868 32 0
                                    

Zwei Jahre zuvor

Die Sonne stand bereits tief, die Schatten wurden länger und länger, aber noch immer war es abartig heiß. Die Luft stand förmlich und nicht zum ersten Mal heute beneidete ich die beiden Mädchen, die sich im Pool vergnügten.

Riley übte mit einer Hingabe Startsprünge, die beinahe an Besessenheit grenzte. Bestimmt zum dreißigsten Mal kletterte sie aus dem Becken, brachte ihren schlaksigen Körper in Position und ließ sich auf Staceys Startsignal hin ins Becken fallen. Die untergehende Sonne schickte ihre glutroten Strahlen durch die Bäume und Büsche, die den Garten einrahmten und ließ die Haut der Vierzehnjährigen schimmern, wie in Feuer getaucht, als diese wieder aus dem Becken kletterte. Sie wrang ihre schulterlangen hellbraunen Haare aus und legte sich ein buntes Handtuch um ihre Schultern. Dann stürmten die beiden Mädchen lachend auf die Terrassentür zu und mit ihren nassen Füssen durch das riesige Wohnzimmer. Sharon würde die beiden verbal durchschütteln, wenn sie das wüsste. Staceys und Lionels Mutter verstand in Hinblick auf Sauberkeit und Ordnung keinen Spaß. Bei dem Gedanken an die Aufräumaktion, die zwangsläufig auf diese Party folgen würde, schmunzelte ich.

Lionel war zwar immer wirklich bemüht, Ordnung zu halten, aber das Konzept des strukturierten Handelns war ihm fremd. So fremd, dass er gerade ratlos auf sein Glas schaute. Er hatte den Whiskey mit Cola aufgefüllt und nun war das Glas so voll, dass keine Eiswürfel mehr hineinpassten.

Als die beiden Mädchen an der Couch vorbeiliefen, auf der ich mich mit ein paar Schulfreunden von früher zusammengesetzt hatte, warf Riley mir einen schüchternen Blick zu. Wie immer, wenn sie mich ansah, musste ich mich zusammenreißen, sie nicht anzustarren. Ihre Augen waren nicht blau, nicht grau, sie waren irgendwo dazwischen und die von einem dunklen Ring umrahmte Iris ließ ihre Augen auffallend intensiv leuchten. Ihr ganzes Gesicht schien nur aus diesen Augen zu bestehen, in deren Tiefe ich mich einfach immer wieder verlor.

„Uuuh, Dawson! Hast du das gesehen? Ich glaub, die kleine Thompson steht auf dich." Marcus wackelte in seinen Sessel gefläzt anzüglich mit den Augenbrauen.

„Na und? Lass sie doch. Unser Dawson ist doch ein hübscher Kerl", antwortete Clarice und zwinkerte dem Mädchen zu.

„Unsinn. Riley steht auf Wasser und sonst auf nichts", behauptete Lionel neben mir. „Die hat noch nicht einmal rausgefunden, dass es Lebensformen außerhalb der Schwimmhalle gibt."

Er senkte die Stimme, riss seine dunklen Augen Aufmerksamkeit heischend weit auf: „Man munkelt, sie hat bereits Schwimmhäute zwischen den Zehen!"

Alle lachten. Ich fand es nicht wirklich lustig. Riley war eine verdammt gute Schwimmerin. Sie war ehrgeizig und beharrlich. Eigenschaften, die man brauchte, um Erfolg zu haben. Wenn man etwas wollte, dann musste man dafür kämpfen. Davon verstand ich etwas.

Nun stand die Kleine da, wie ein begossener Pudel, krebsrot im Gesicht vor Scham und ihre ausdrucksvollen Augen blickten verlegen in die Runde, bevor sie sich hastig umdrehte und hinter Stacey die Treppe hochstürmte. Mit ihren nassen Füßen verlor sie auf der Treppe den Halt, kam ins Straucheln. Und fiel hin. Sie jaulte schmerzvoll auf.

Damit erntete Riley erneut Lachen und die anderen Partygäste, die sie bisher nicht mal beachtet hatten, drehten sich ebenfalls zu ihr um.

„Hoffentlich kann sie besser schwimmen als laufen. Sonst hat die Milton High die letzten Pokale abgeräumt", feixte Marcus.

Ich biss die Zähne zusammen. Sagte nichts, obwohl es in mir brodelte, sah Riley lediglich hinterher, wie sie die Treppe hochsauste, ohne sich noch einmal umzudrehen. Wenn sie klug war und nicht noch einmal Zielscheibe des Spottes alkoholisierter Studenten werden wollte, blieb sie wie immer, wenn sie bei Stacey schlief, für den Rest des Abends auf dem Dachboden.

„Erde an Dawson!" Lionel schwenkte die Flasche Jack Daniels vor meiner Nase. „Willst du noch was?"

Ich hielt ihm zur Bestätigung grinsend mein Glas entgegen. „Immer her damit!", antwortete ich. „Lass aber Platz für die Eiswürfel."

Lionel verdrehte die Augen und kurze Zeit später hatten wir alle die zwei Mädchen vergessen, die sich auf dem Dachboden mit Lionels Laptop die Nacht um die Ohren schlugen.

„Was macht ihr hier unten? Solltet ihr nicht oben bleiben?" Strafend sah ich Stacey an, die mir auf der Terrasse in die Arme gelaufen war. Riley blickte mich verschreckt an wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Und suchte verzweifelt nach einer Erklärung.

„Eigentlich schon. Ich... also, wir...wollten uns nur was zu trinken holen", stammelte sie und ihre Wangen röteten sich.

„Komisch. Wenn ich was zu trinken will, dann hol ich mir das in der Küche, nicht im Garten. Also? Was habt ihr hier zu suchen?", wiederholte ich.

Stacey schob ihre Freundin zur Seite. „Ich wohn hier zufällig. Ich kann hingehen, wo ich will", antwortete das Mädchen für meinen Geschmack ein wenig zu rotzig.

„Ist das so?", erkundigte ich mich etwas schärfer und Riley blickte unsicher zu Stacey. Da war was faul im Staate Dänemark. So viel war mal sicher, mir war nur noch nicht ganz klar, was nicht stimmte.

„Schaut, dass ihr wieder nach oben kommt. Ab mit euch!", forderte ich die beiden auf.

Zufrieden stellte ich fest, dass die Mädchen brav abzogen und die Treppe raufschlichen. Jedoch nicht, ohne dass Stacey mir noch einen bitterbösen Blick zu warf.

Kopf schüttelnd ging ich in den Garten, setzte mich auf eine der Liegen und zündete endlich, wie geplant, meine Zigarette an. Das mit dem Abgewöhnen war schwieriger als gedacht. Vor allem, wenn ich schon einen sitzen hatte, so wie jetzt. Dann schlug die Gewohnheit immer wieder zu und ich hatte nicht den Biss, mich gegen die lästige Sucht zu wehren. Dabei war rauchen nur teuer und brachte nichts. Trinken war wenigstens lustig. Zumindest wenn die anderen es taten und man ihnen am nächsten Tag von dem Mist erzählen konnte, den sie veranstaltet hatten. Selber war ich nicht gerne betrunken. Meine Sorgen waren von der Sorte, die schwimmen konnte. Fast so gut wie Riley.

Ich drückte meine Zigarette aus und betrat das Haus durch die Terrassentür. Beinahe traute ich meinen Augen nicht. Hatte ich die beiden kleinen Gören nicht gerade nach oben geschickt? Mein Blick schweifte über die Partygäste, die die letzte halbe Stunde über immer mehr geworden waren. Lio sollte sich der Sache dringend annehmen.

Kurz blieben meine Augen bei Clarice hängen, die sich mit ein paar anderen Mädels zum Tanzen entschlossen hatte. Bei ihr sah das schon verdammt sexy aus. Ich zwinkerte ihr zu, bekam dafür von ihr ein anzügliches Lächeln zurück. Hatte sie nicht vorhin behauptet, ich sein ein attraktiver Kerl? Mal sehen, was ich aus der Information rausschlagen konnte. Gegen eine halbe Stunde mit der vollbusigen Schönheit im ersten Stock hatte ich nichts einzuwenden und bestenfalls sollte die Tür einen Schlüssel haben.

Ich stellte mein Glas auf eines der Sideboards und schlenderte zu Clarice und ihren Freundinnen, die sich brav aus dem Staub machten, als sie mich kommen sahen. Lief doch. Ein bisschen tanzen. Eine Runde knutschen auf der Couch und dann ab mit ihrem knackigen Hintern nach oben. Wenn das mal kein brillant ausgeklügelter Plan war.

Clarice bewegte sich toll zur Musik. Ihre Titten fühlten sich an meiner Brust echt super an und ihre Hüfte an meiner auch, als ich sie enger zu mir zog. Meine Hose wurde langsam aber sicher enger, obwohl ich nicht richtig bei der Sache war. Etwas lauerte in meinem Hinterkopf. Das, was sich da eingenistet hatte, verpisste sich auch nicht, als Clarice ihre schlanken Arme um meinen Hals legte und ich sie küsste, bis jemand hinter mir kicherte.

Ungläubig drehte ich mich um und blickte in die trunken glänzenden Augen von Riley. Sie tanzte mit Stacey zusammen. Beide schwankten leicht, hatten glänzende Augen und gerötete Wangen. Und einen Mordsspaß. Und ich von jetzt auf gleich Mordlaune.

„Fuck. Nicht euer Ernst?", fluchte ich und die beiden kicherten wieder. Ich fand die Situation nicht einmal ansatzweise lustig. Aber im Gegensatz zu den beiden Grazien war ich auch nicht lattenvoll! Inzwischen hatten auch ein paar andere mitbekommen, dass hier was nicht stimmte und holten Lio aus der Küche. Ein Blick reichte und er erfasste die Situation. „Wasser" formten seine Lippen lautlos über die Menge hinweg und ich nickte zur Bestätigung. Mit zwei Flaschen kam er zu uns und packte seine Schwester am Oberarm.

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt