Den Rest des Nachmittags und des frühen Abends verbrachte ich damit, die Geburtstagskarte für meine Tante zu gestalten und einen Text zu dichten. Zufrieden betrachtete ich mein Werk. Miles saß währenddessen auf meinem Bett und las allen Ernstes Sonette von Shakespeare. Gegen sieben wälzte er sich vom Bett.
„Sollen wir was bestellen oder kochen wir?"
Er blickte mir über die Schulter. „Du hast dich selbst übertroffen, Schwesterherz. Wo soll ich unterschreiben?" Ich grinste in mich hinein. Typisch für meinen Bruder, sich einfach so an meine Idee dranzuhängen, statt selber etwas zu planen.
„Unten?", schlug ich ihm vor, reichte ihm dann einen Stift. Nachdem das erledigt war, kehrten wir zum Thema Essen zurück.
„Mir reichen Sandwiches. Ich hab nicht so viel Hunger", gab ich gedankenverloren von mir und blickte auf mein Handy.
„Du bist ja auch frisch verliebt. Ich nicht. Also brauch ich was Anständiges zu essen. Was denkst du über Chinesisch?"
„Ist eine schwierige Sprache. Dir traue ich aber zu..."
„Willst du mich verarschen? Ich rede von asiatischem Essen, Riley!"
„Ist indisch auch denkbar?"
„Butterhuhn?"
Ich nickte euphorisch.
„Alles klar. Ich ruf an. Du bereitest den Laptop vor."
Miles stürmte die Treppe runter. Hektisch wühlte er in der Schublade, in der die Karten diverser Lieferservices lagen. Er schien wirklich knapp vor einem Hungertod zu stehen. Kurz darauf hörte ich ihn telefonieren. Wie meistens kuschelten wir uns zum Fernsehen auf mein Bett. Die Couch im Wohnzimmer, eigentlich der ganze Raum, war uns zu groß. Jeder hielt seine Packung Indisch auf dem Schoß, hinter uns an der Wand hing eine Lichterkette und spendete warmes Licht und auf dem Laptop flackerte unsere Serie. Auch wenn ich mich bemühte, den Umstand zu verdrängen, war das einer der wenigen Abende, die wir noch zusammen hatten. Ich löffelte schweigend mein Butterhuhn und beobachtete meinen Bruder von der Seite, wie er gebannt auf den Bildschirm starrte.
Als die Folge zu Ende war, trug ich die leeren Pappschachteln nach unten und kehrte mit Cola und Chips in mein Zimmer zurück.
„Morgen wird es nichts mit unserer Folge. Sollen wir sie heute dafür anschauen?", erkundigte ich mich.
„Wieso? Was hast du morgen vor?"
„Ganz falsche Frage. Richtig heißt es: was haben wir morgen vor?" Ich grinste frech.
„Also, gut. Was, meine liebe Schwester, haben wir morgen vor?", verbesserte er sich.
„Wir gehen auf Staceys Abschiedsfeier. Sie fährt mit Lio und ein paar Kumpels von ihm mit dem Motorrad für eine Woche durch die Gegend."
Miles wurde blass. „Im Ernst? Sie ist siebzehn! Alle anderen sind viel älter! Sie fährt doch erst seit einen halben Jahr Motorrad! Ist das nicht gefährlich?"
„Weniger riskant, als wenn sie allein rumgurkt. Mach dir keine Sorgen. Lio passt schon auf."
Meine Argumente schienen nicht überzeugend zu sein. Miles wirkte noch immer besorgt.
„Dawson fährt auch mit. Mach dir keine Gedanken. Er ist der besonnenste Motorradfahrer weit und breit."
„Da hast du wohl recht", lenkte mein Bruder ein. „Aber gut finde ich die Idee noch immer nicht."
Die nächste Folge über wirkte Miles seltsam abwesend. Als wir den Laptop runterfuhren, stemmte er energisch die Hände in die Hüften.
„Ich habe nachgedacht, Riley", eröffnete er mir.

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Finally - Falling for you
RomanceBand 1 der "Finally"- Reihe. Die tiefsten Wunden bluten nicht. Schon seit frühester Jugend schwärmt die sechzehnjährige Riley für den attraktiven, aber launischen Dawson, der sie konsequent auf Abstand hält. Der Altersunterschied von sechs Jahren zw...