71

515 25 6
                                    

Der Oktober neigte sich bereits gegen Ende, als ich aus dem MA-Center zurückkehrte und Chad mich an der Glastür, die unseren Gang vom Treppenhaus trennte, erwartete.

„Du hast Damenbesuch", erklärte er.

„Ganz klar, Mann. Für Aprilscherze bist du ein bisschen spät dran."

Ich ging unbeeindruckt an ihm vorbei.

„Ohne Scheiß. So eine Dunkelhaarige mit Tattoo. Sie wartet in unserem Zimmer und heult Rotz und Wasser."

Mein erster Impuls war, mich umzudrehen und davonzurennen. Dann ging ich rationaler an die Sache ran und erkundigte mich erstmal, ob Chad sachdienliche Hinweise liefern konnte. „Okay? Hat sie was gesagt, was sie will?"

„Jepp. Sie meinte sie muss dringend mit dir reden."

Das half nicht wirklich weiter und laut überlegte ich: „Warum ruft sie nicht einfach an?"

„Kein Plan. Frag sie, nicht mich. Wenn ihr durch seid, gib Bescheid. Ich warte solang im Gemeinschaftsraum." Diese Aussage rechnete ich meinem Freund hoch an und klopfte an meiner eigenen Tür bevor ich mein Zimmer betrat. Gott, sie sah echt scheiße aus. Verheult und verzweifelt. Ich ließ meine Tasche neben der Tür fallen. Ohne lange zu überlegen, setzte ich mich neben sie und nahm sie in den Arm. „Was ist passiert?" Meine Stimme klang untypisch sanft, was offenbar nicht gut war, denn Sams Schluchzen wurde intensiver.

„Rede mit mir, Sam! Du machst mir Angst! Was ist los?" Ich schob sie etwas von mir und hob ihr Kinn. Ihre Augen waren rot und ihre Nase ebenfalls.

„Ich bin schwanger, Grady", sagte sie leise.

Das „Von mir?" schluckte ich tapfer. Warum sonst sollte sie sonst hier sitzen. Auch das: „wie konnte das passieren?" sparte ich mir. Ich wusste, wie so etwas geschah und ebenso, wann es passiert war. Wir waren beide betrunken gewesen. Wir hatten kein Kondom benutzt. So einfach war das.

„Okay. Dann müssen wir jetzt überlegen, wie es weiter geht. Für mich ist das noch sehr überraschend. Du hast dir sicher bereits Gedanken darüber gemacht, nicht wahr?"

„Es geht genau darum. Es wird nicht weiter gehen, Grady."

Nicht weiter gehen? Ich war der Ansicht, dass ein Kind beide Elternteile als Bezugspunkt und als Orientierungshilfe benötigte. Sonst hätte ich meinen Dad nicht so schmerzlich vermisst. Um sich gemeinsam um unseren Nachwuchs zu kümmern, musste wir nicht heiraten. Das war heutzutage nicht mehr zwingend erforderlich. Ausgrenzen lassen würde ich mich jedoch auch nicht...

„Aber...", begann ich und wollte Sam meine Gedanken nahebringen. An der Stelle unterbrach sie bereits ziemlich rigoros meine Rede.

„Hör mir einfach zu, ja? Ich werde Rooney heiraten."

Entgeistert sah ich sie an.

„Rooney?", presste ich heraus. Ausgerechnet!

„Ja, ich finde das gehört sich so, dass man den Vater des Kindes heiratet. Ich möchte nur, dass du ihm nicht sagst, dass wir was miteinander hatten. Bitte."

Das war nun wirklich zu viel des Guten. Mein Kind war doch kein Kuckucksei, das Sam aufs Geratewohl in ein Nest ihrer Wahl legen konnte. Mein Kind gehörte in niemandes Nest! Nur in meins!

„Aber du kannst ihm doch nicht unser Kind unterschieben?", empörte ich mich. Ich hatte echt Mühe mich zusammenzunehmen und sie für die saudämliche Idee nicht durchzuschütteln.

„Das tue ich ja auch nicht. Ich bin erst in der achten Woche, Grady. Das Kind ist von Rooney, nicht von dir. Und ich will nicht, dass er sich verarscht vorkommt, weil wir was hatten und ich kurz danach mit ihm etwas angefangen hab."

Finally - Falling for you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt