Abraham, er bestand darauf, dass ich ihn so nannte, führte mich um das Haus herum, wo an der Seite eine freitragende Treppe in den ersten Stock führte. Er sperrte die Tür auf und ich betrat das, was für die nächsten Wochen mein zu Hause sein sollte.
Es roch nach Staub. Ein wenig abgestanden und nach alter Möbelpolitur. Auf den rauen Bodendielen lag ein runder Flickenteppich. Ein Bett stand rechts neben der Tür, links der Tür gab es einen grobgezimmerten Tisch mit zwei blau lackierten, leicht angeschlagenen Stühlen und im Hintergrund befand sich eine verschrammte Edelstahlspüle und ein Kühlschrank älteren Semesters. Darüber hing ein Brett mit ein bisschen Geschirr und ein Glas stand dort, in dem Besteck einstaubte. Eine Tür führte in ein winziges Bad mit einer Dusche. Neben der Badtür stand ein etwas wackliger Kleiderschrank.
„Ist nicht das Nobelste. Aber bist ja auch zum Arbeiten hier. Wir essen jeden Abend um sieben. Sam kocht für uns alle. Sei pünktlich. Wer nach dem Tischgebet erscheint, kriegt nichts. Wenn du ausgepackt hast, komm runter, dann zeig ich dir die Werkstatt."
Ich nickte und nachdem Abraham gegangen war, ließ ich mich auf dem Bett nieder. Knarzend protestierte das Möbel gegen die unverhoffte Benutzung. In meiner Phantasie hatte es hier eindeutig besser ausgesehen. Eine blitzsaubere, moderne Werkstatt, in der teure Motorräder repariert wurden und Autos auf die Künste der begabten Mechaniker warteten. So konnte man sich irren.
Meine paar Sachen hatte ich schnell eingeräumt und schlüpfte in die einfach gehaltene Arbeitskleidung, die Sam mir zwischenzeitlich gebracht hatte. Eine etwas groß geratene Latzhose und ein Flanellhemd. Das war sowas von Klischee!
Die Werkstatt an sich war nicht so katastrophal wie das Drumherum. Hell. Sauber. Ordentlich. Strukturiert.Die beiden Mechaniker begrüßten mich freundlich. Rourke war vermutlich an die fünfzig oder knapp darüber, sein Haarkranz licht und seine Glatze strahlte in der hellen Beleuchtung. Seine Brille spiegelte das Licht.
Rooney war breitschultrig, vielleicht drei Jahre älter als ich. Er hatte weizenblonde Haare, Öl im Gesicht und auf seiner Arbeitskleidung und roch intensiv nach Schweiß.
Die beiden Arbeiter musterten mich skeptisch aber nicht direkt unfreundlich. „Du wirst die nächsten Tage Rooney zur Hand gehen. Gegen Ende der Woche bekommst du eine eigene Aufgabe. Dafür fehlt es allerdings noch an Material."
Diese äußerst knappe Aussage von Abraham hielt mich über Wasser, wenn ich morgens um halb sechs aufstand und zum Laufen ging, bevor ich um halb sieben die Werkstatt betrat, Kaffee kochte, die Getränk im Kühlschrank auffüllte und lüftete. Den ganzen Tag verbrachte ich dann damit, Rooney das Werkzeug zu reichen und mir seine Schweigsamkeit anzuhören. Ich war mir nicht sicher, ob er mich nicht mochte oder ob er einfach nichts zu sagen hatte. Außer kurzen präzisen Anweisungen gab er rein gar nichts von sich. Nur gelegentlich kündigte er an, er würde rauchen gehen. Dann verschwand er mit Rourke und Sam nach draußen und ich hörte die drei lachen.
Ab und an schaute Abraham in der Werkstatt vorbei. Ließ sich Probleme schildern, wenn es welche gab und verschwand dann so plötzlich wieder, wie er kam. Wohin? Keine Ahnung. Ich fragte auch nicht danach.
Ein kleiner Lichtblick war der Donnerstag, denn an diesem Tag betrat der erste Kunde, den ich zu Gesicht bekam, die Werkstatt. Auf seinem Ford Pick-up hatte er ein Motorrad, das abgeladen werden musste und Sam rief mich, damit ich mich der Sache annehmen würde.
„Ah, ein neues Gesicht", stellte der Mann fest und Sam nickte. „Ja, Grady. Sein Dad hat vor langer Zeit ein Motorrad bei meinem Dad gekauft." So wie sie es sagte, machte uns das „sein Dad, mein Dad" zu so etwas wie einer eingeschworenen Gemeinschaft. Dabei hatte ich nicht das Gefühl hier schon wirklich angekommen zu sein.
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Finally - Falling for you
RomantizmBand 1 der "Finally"- Reihe. Die tiefsten Wunden bluten nicht. Schon seit frühester Jugend schwärmt die sechzehnjährige Riley für den attraktiven, aber launischen Dawson, der sie konsequent auf Abstand hält. Der Altersunterschied von sechs Jahren zw...