"Du weißt...?"
"Ja ja... Schon klar. Dämonen sind böse, halte dich von ihnen fern, und am Wichtigsten: sünde nicht..."
Gabriel schmunzelte. Meine Worte hatten tadelnder geklungen, als ich es gewollt hatte, doch es störte mich nicht. Ich wusste, dass ich wohl die einzige Person vor mir stehen hatte, die für diese Verhältnisse wenigstens halbwegs über Humor verfügte. Er zog mich in eine Umarmung, so fest, dass ich für einen kurzen Augenblick dachte, ich müsste ersticken. Seine schneeweißen Flügel schlangen sich um mich, als wollen sie eine Wand bilden, bereit, mich vor allem zu beschützen, war vor mir lag.
"Pass auf dich auf, Rose."
Feine Federn striffen meine Wange, als er sich löste.
"Werde ich."
"Noch ein letztes..."
Er kam auf mich zu, öffnete meine Hand, legte etwas hinein und schloss sie wieder. Ich sah hinunter und erkannte einen feinen Schlüssel an einer feinen Silberkette. Ich sah ihn fragend an. Was sollte das?
"Im Gegensatz zu dir, habe ich durchaus Gedanken darüber gemacht, wo du leben wirst."
Ich muss Grinsen. Eins musste man Gabriel ja lassen. Er war im Vergleich zu den anderen Engeln hier oben, ein wahrer Schatz.
"Du bist der Beste", formte ich tonlos mit meinen Lippen.
Ich legte mir die Kette um, versteckt den Anhänger sorgsam im Ausschnitt mein Kleides. Ich würde den Himmel nicht vermissen, dessen war ich sicher. Nur Gabriel, Gabriel würde mir wirklich fehlen.
"Du solltest los, sie erwarten dich sicher schon..."
Aus dem feinen Lächeln auf seinen Lippen las ich, dass ihm der Abschied ähnlich schwer fiel, wie mir. Dennoch wollte ich es hinter mich bringen. Ihn so zu sehen, verpasste meinem Herzen ein Stich, der mich unschön motivierte, zu gehen.
Das Gold der Türklinke war kalt unter meiner Haut, die sich anfühlte, als würde sie brennen. Das Adrenalin erfüllte jede Zelle meines Körpers, ich wollte einfach nur noch springen.
Das feuchte Gras, das bis zur Kante der Klippe reichte, strich mir bei jedem meiner Schritte um die Füße. Kühler Wind fuhr mir durch das lange Haar, dass wie ein dunkler Schleier hinter mir her wehte. Ich sah ihn. Den Abgrund. Er sah genauso aus, wie man ihm mir immer beschrieben hatte. Ein unglaublich helles Licht ging von ihm aus, so hell, dass ich den Kopf abneigen musste. Ich wand dem Abgrund den Rücken zu, sah Gabriel noch ein letztes Mal an, warf einen letzten Blick in seinen Augen, golden, wie flüssiges Karamell. Wunderschön.
"Es war mir eine Ehre, mit dir Bekanntschaft zu machen, Rose."
"Die Freude ist ganz meinerseits, Gabriel."
Ich lächelte, breitete die Arme aus und ließ den Erzengel allein zurück, als ich dem Sog des Abgrunds nachgab, und mich von ihm verschlingen ließ.
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Holy
FantasyZwei Welten, denen ein Krieg droht. Ein Schicksal, das ein großes Opfer verlangt. Und eine Liebe, die alles verändert. Ein Kind aus verbotener Ehe. Das zweite seiner Art. Gefangen zwischen zwei Welten, vereint im eigenen Körper. Unfähig zu vertrauen...