Kapitel 58

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Der Tod war warm und weich. Er war schmerzfrei und ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Die Luft roch nach Minze und brannte kalt in meiner Lunge, als würde ich den ersten Atemzug eines neuen Lebens in mich aufnehmen. 

Der Tod hob und senkte sich. Ganz langsam und schwach, aber dennoch - ich war mir ganz sicher. Es war ein beruhigendes Gefühl von Nähe und Geborgenheit, das durch meinen Körper zuckte, als ich mich vollends darauf zu konzentrieren versuchte. 

Vielleicht war der Tod garnicht so schrecklich, wie ich immer geglaubt hatte. Seine schwachen Atemzüge strichen behutsam über meine Wangen, als wären sie Liebkosungen einer Stillen Ruhe, die mich tief in sich einschließen wollte. 

Meine Augenlider waren schwer, aber ich schaffte es trotzdem, sie einen Spalt zu heben und in tiefschwarzen Himmel über mir zu starren, an dem dicke Rauchschwaden die Sterne verdeckten. Ein rötlicher Schimmer verwob sich mit dem Nebel, der mich einhüllte und in meinem Kopf begannen die Gedanken zu rasen. Ich war vielleicht tot - aber ich war immernoch in der Hölle. Der Körper auf dem ich gelegen hatte, stieß ein leises Keuchen aus, als ich mich nach oben drückte. Es kostete mich einiges an Kraft, aber ich schaffte es schließlich doch. Ich blickte an mir herunter. Mein Körper sah aus, wie zuvor. Ich war nicht so schlimm verletzt, wie ich gedacht hatte. Ein paar dünne Schnitte überzogen meine Arme und Beine und eine meiner Schwingen hing schlaff herab, aber sonst schien noch alles intakt zu sein. Eine dunkle Vorahnung beschlich mich und ich wollte mich garnicht umdrehen, um den Körper genauer in Betracht zu nehmen, obwohl ich eigentlich schon wusste, was ich sehen würde. 

Jael war totenblass. Sein schwarzes Haar bildete einen starken Kontrasts zu seiner bleichen Haut und auch die dunklen Wimpern schienen wie nicht von dieser Welt. Seine Lippen schimmerten bläulich im schwachen Licht vereinzelter Feuer, die um uns herum brannten. Er lag auf dem Rücken. Jemand musste ihn umgedreht haben, und mich wieder zu ihm gelegt haben, als ich bewusstlos gewesen war. 

Sie mussten uns für tot gehalten haben.

Aber Jael war genauso wenig tot, wie ich es war. Ich wusste nicht genau, wie ich es schaffte, als ich auf die Füße sprang und aus voller Kehle um Hilfe schrie. Ich schrie so lange bis meine Stimme nur noch ein schwaches Krächzen war, und selbst dann schien es, als wollte mich niemand hören. Tränen stiegen mir in die Augen, als mir klarer und klarer wurde, das mir die Zeit davonlief. Jael könnte jede Minute wirklich sterben. Und ich konnte nicht zulassen, dass ich ihn doch noch verlor, wo er doch das Einzige war, was mir geblieben war. 

"Im Namen eures Königs, bitte helft mir!", keuchte ich. Ich spürte gerade noch, wie sich feste Hände um meine Taille legten und mich schützend auffingen, als meine Beine erneut unter mir nachgaben. 

"Alles wird gut", hörte ich Azriels Stimme an meinem Ohr.

"Bitte... Ihr müsst ihm helfen."

"Alles für euch, eure Hoheit."


-


Als ich erwachte, registrierte ich, dass ich in einem Krankenzimmer lag. Unter mir befand sich ein Bett, dass für meinen Geschmack beinahe zu bequem war und ein leises Piepsen unterbrach die Stille. Mehrere Kabel waren an meinen Arm angeschlossen und ich verstand, dass das Piepsen mein in die höhe schnellender Puls war. Ich zog das Tape von den Kabeln herunter und legte sie so leise wie möglich neben mich auf die Matratze. Ich wollte - nein ich musste zu Jael. Ich musste wissen ob er es geschafft hatte. Wenn nicht...

Ich schwang meine nackten Beine über die Bettkante und musterte das kurze Nachthemd kritisch, dass mir jemand angezogen haben musste. Es war aus einem schlichten schwarzen Stoff und ging mir nicht ganz bis zu den Knien. Ich suchte den Raum nach etwas ab, mit dem ich mich würde bedecken können und fand etwas passendes auf einem kleinen Hocker, der neben meinem Bett stand. Darauf lag - ordentlich zusammengefaltet, als hätte die Person, die ihn dort zurückgelassen hatte genau gewusst, dass ich ihn brauchen würde können - ein schwerer schwarzer Mantel mit einer großen Kapuze. Ich ließ ihn mir über die Schultern gleiten und schloss die Schnalle an meinem Dekoltée. Sie war silbern und mit aufwendig geschliffenen, schwarzen Diamanten verziert. 

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