Kapitel 20

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Er sah mich an und lachte weiter. Als hätte ich ihm einen schlechten Witz erzählt. Ich konnte kaum glauben, dass er von etwas Anderem überzeugt war. Als er bemerkte, wie ernst ich blieb, verstummte er langsam aber sicher. 

"Sie haben dir nie etwas davon erzählt, oder?"

"Wovon?"

"Also wirklich nicht."

Ich sah ihn an. Wovon redete er? Ich wusste, dass mir im Himmel viel verschwiegen worden war, aber wenn ich es mir eingestand, hatte es mich auch nie wirklich geschert, was man über mich erzählte. Ich wusste selbst nicht genau, was es mit meiner Vergangenheit auf sich hatte. Wenn man es so sagen wollte, hatte ich gar keine Vergangenheit. Ich war einfach da. Aufgetaucht aus dem nichts, wenn man es so sagen wollte. 

"Ich weiß nicht wovon du sprichst." 

"Du verarschst mich doch."

"Nein? Was meinst du?"

Er sah mich enttäuscht an und gleichzeitig verspottete er jeden Engel, der mich kannte, aufs Unendliche. Dafür, dass sie mir nicht gesagt hatten, was ich seiner Meinung nach hätte wissen müssen. Sein Blick sagte mir, dass er den ersten Engel steinigen würde, der ihm unter die Augen kam. Ich konnte nur hoffen, dass Gabriel nicht nach mir suchen würde. 

Apropos. 

"Wo ist mein Handy?"

"Bei mir."

"Wenn du willst, dass sie sich keine Sorgen machen, würde ich sagen das du mir die Möglichkeit gibst, zu antworten. Sonst bekommst du es bald mit einer Horde-"

"Eine Horde Engel? Denkst du das macht mir Angst? Mal davon abgesehen haben wir sie beide auf dem Hals."

"Wieso wir beide? Sie werden kommen und mich suchen!"

"Sie werden kommen und mich suchen", äffte er mich mit verstellte Stimme nach. Ich kniff die Augen zusammen und sah ihn böse an. 

"Sie werden vielleicht kommen. Aber glaub nicht, dass sie allzu nett zu dir sein werden."

"Zu dir mit Sicherheit nicht."

Er lachte kehlig. 

"Nein. Wahrscheinlich säbeln sie mir die Kehle durch. Aber wer weiß, was sie mit dir anstellen, Darling."

"Was sollten sie schon tun? Ich gehöre zu ihnen?"

"Bist du dir da so sicher?"

Nein, war ich mir nicht. In mir hatte schon oft das Gefühl rumort, dass mit mir irgendetwas nicht stimmte. Ich konnte mit Feuer umgehen, eine Eigenschaft, die mit definitiv nicht liegen sollte. Zudem der Drang, mich zu widersetzen. Ich wollte nicht gehorchen, aber ich wusste, dass ich es musste. 

"Ja."

Er wackelte mit den Brauen. 

"Wir erden sehen, wie lange du es durchziehst zu lügen..."

"Darf ich dich was fragen?"

"Nur zu."

"Wie bist du in den Raum reingekommen? Hast du den Fluch gebrochen? Irgendeinen Gegenzauber?"

"Nein. Das war nicht nötig."

"Wieso nicht? Ich dachte du bist-"

"Ein Dämon? Durchaus, das bin ich. Ich bitte dich. Du kennst doch mit Sicherheit die Legenden, oder?"

"Einige, ja. Aber keiner weiß, welcher man Glauben kann."

"Soll ich dir erzählen, wie es wirklich war?" 

Ich sah ihn an. Seine Augen leuchteten auf. Eisblau, wie der Himmel über uns, der mittlerweile von dunklen Wolken überzogen war. Diese Augen, die schienen, als könnten sie jederzeit die Farben wechseln. Ich hatte sie schon dunkel gesehen, fast schwarz. Als er wütend gewesen war. War das so ein Dämonen-Ding?

"Es wäre mir eine Ehre."

"Eine Ehre, die Geschichte von der Hauptrolle höchstpersönlich zu hören? Dein Geschmack ist wahrlich interessant..."

Ich schmunzelte emotionslos und nickte ihm zu. 

"Du kennst doch sicher die Geschichte von Adam und Eva. Eins kann ich dir sagen, dir wurden jahrelang Lügen aufgetischt. Die erste Frau, die geschaffen wurde, sollte ein Trost sein, für den Engel, den man aus dem Himmel verbannt hatte. Ihr Name lautete Lilith, ganz ähnlich wie der des gefallenen Engels. 

Lucifer."

Dieses Wort jagte mir einen Schauer über den Rücken. 

"Er wollte den Thron an sich reißen, daraufhin haben sie ihm die Erde kreiert, als Ort, auf dem er hausen konnte, ohne jemanden zu schädigen. Sie raubten ihm seine Flügel, damit nahmen sie ihm jeglichen Bund zum Guten, jede Verpflichtung seines Amtsnamen würdig zu sein. Allerdings hatten sie sich in seinen Fähigkeiten getäuscht. Er hatte durchaus noch Macht, Stärke, die er nutzte, um sich ein eigenes Reich aufzubauen, indem er der Herrscher sein konnte. 

Die Hölle. 

Er nahm Lilith mit sich, erschuf sich eine eigene Armee aus Dämonen, während oben auf der Erde die Menschen das Land besiedelten. Er liebte Lilith. Jedenfalls dachte er das. Bis ich kam. Er hatte nie einen Nachfolger gewollt. Er hatte es immer gefürchtet, dass ihm jemand den Thron streitig machen könnte, jemand wie ich, der seinen Ehrgeiz hatte.

Aus Wut brachte er Lilith auf die Erde. Er verwandelte sie in einen körperlosen Dämon, der nicht sterben konnte, um ihr ein qualvolles unendliches Leben zu bescheren. Mich dagegen behielt er bei sich, vielleicht nur, weil er nicht wusste, ob ich ihm nützlich werden könnte. 

Aber er selbst, war ein gefallener Engel. Das Dämonenblut floss nicht in seinen Adern. Jedenfalls nicht vollständig. Er hatte das Glück, dass ich die Gene von ihm erbte. Wäre ich menschlich geboren worden, wäre ich wahrscheinlich seit Jahrtausenden nicht mehr am Leben und läge irgendwo unter der Erde. 

Ich bin kein Dämon, wie ich sein sollte. Aber ich bin auch kein Engel, wie er. Ich bin ein Mischwesen, zur Hälfte das eine, zur anderen Hälfte das Andere. 

Genau wie du."


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Ich melde mich auch mal wieder... Ja, ich lebe noch XD. Könnt ihr die Story bisher verfolgen? Ab jetzt wird es definitiv interessanter! 

XOXO

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