Kapitel 34

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Ein seltsames Ziehen in meiner Magengegend machte mir deutlich, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte. Hatte es etwas mit mir zutun? Ein Krieg, begonnen zur Zeit meiner Geburt? Das konnte doch nur zusammenhängen. 

Normalerweise genoss ich es, im Zentrum aller Aufmerksamkeit zu stehen, aber gerade zweifelte ich ernsthaft an dieser Einstellung. Gabriel hatte immer gesagt, dass läge an meinen Sternzeichen. Es war typisch für Löwen wie mich, förmlich nach Aufmerksamkeit zu geiern. Wenn wir sie nicht bekamen, konnten wir zu wahren Bestien werden. Mein zweites Sternzeichen - Steinbock - passte leider auch zu hundert Prozent auf meinen Charakter. Manchmal fand ich das unheimlich, aber ich mochte es auch. Das erste fast noch lieber als das zweite. Es ließ mich immer gefährlich aussehen, und das gefiel mir - leider.

Jedenfalls behauptete man das. 

Ich fragte mich, ob Dämonen auch Sternzeichen hatten. Wenn ja, welche? Kannten sie dieselben, wie die Menschen auf der Erde und spielten sie eine ähnlich große Rolle wie bei uns? 

Ohne es zu wollen wanderten meine Gedanken umher und fragten sich, was Jael wohl für ein Sternzeichen haben mochte. Und noch viel schlimmer - ob es womöglich mit meinem Kompatibel war. Ich wettete, dass wir uns zumindest aus astrologischer Sicht hassen müssten. Aber das taten wir sowieso. 

Ich lächelte trocken. 

"Was für ein Krieg?"

Cole ignorierte mich, auch wenn der Blick aus seinem Auge sehr eindeutig war. 

"Rose, ich würde dich gerne kämpfen sehen."

Er nickte zu Ethan herüber, der dicht neben mir stand. So dicht, dass ich die schauerliche Wärme spüren konnte, die von seiner Schulter ausging, die meine Eigene beinahe berührte. Als würde er wissen, was in mir vorging, packte er mich sachte am Arm. Sachte aber bestimmt. Dann zog er mich beiseite, geradewegs auf die hohe Bühne zu, auf der ich noch nie gekämpft hatte. Sie war von einem tiefen, breiten Graben umgeben, der mit dunklem Wasser gefüllt war. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte es mich nicht gewundert, wenn irgendein schleimiges Seeungeheuer herausgekrochen käme, mich am Knöchel packte und gnadenlos in die Tiefe zog, wo es mich genüsslich auffraß. 

In diesem Moment wünschte ich mir das sogar irgendwie. 

Besser sterben, als hier zu stehen und zu kämpfen, wahrscheinlich auch noch um sich vorzubereiten auf etwas, dass man garnicht wollte. 

Ich kam nicht dazu, tiefer in meinen Hirngespinsten zu versinken, da Ethan gnadenlos angriff. Er hatte den Säbel aus seinem Gürtel gezogen, den er immer bei sich trug. Wir hatten alle diese eine Waffe, die uns einfach am sympathischsten war. Bei mir war das definitiv der Bogen. Eine Waffe, von der Ruby mir erzählt hatte, dass sie nur in den Händen von Dämonen mit ausgesprochenem Talent richtig funktionierte. Und wenn sie ein solcher in die Hand bekam, auch verdammt gefährlich sein konnte. 

Ich griff wie durch Reflex nach meinem Schwert und wehrte seinen Angriff ab. Ich drängte ihn zurück, beinahe bis ganz an den Rand der Plattform. Die morschen Planken ächzten unter unseren Schritten, doch mein Herzschlag übertönte alle Geräusche um mich herum. 

Ich spürte Jaels Abwertenden Blick auf mir ruhen, ebenso wie den von Cole, welcher jedoch eher beeindruckt wirkte - und enttäuscht, aber ich war mir sicher, dass er damit nicht mich meinte. 

Ethan zögerte eine Sekunde, und genau das wurde ihm zum Verhängnis werden. Ich schlug den Säbel aus seiner Hand, mit solch einer Wucht, dass er einen Meter über das Holz rutschte und dann mit einem dumpfen Platschen im Wasser landete. Ethan rührte sich nicht. Er wusste, dass dieser Kampf nahezu entschieden war, ohne Waffen hatte er keine Chancen gegen mich. 

Jedenfalls dachte ich das. 

Ich konnte kaum so schnell denken, wie er auf den Füßen stand und meinen Arm am Handgelenk packte, so, dass ich das Schwert nicht mehr gegen ihn aufrichten konnte. Unsere Körper waren so dich aneinandergepresst, dass ich sein Herz schlagen spüren konnte. Sein heißer Atem strich über mein Kinn, so nahe waren sich unsere Gesichter. Wir standen so da, jeden einzelnen Muskel unseres Körpers angespannt. 

Ein leises Knurren drang aus Jaels Kehle hinter mir, doch ich ignorierte es. Er konnte mich mal. Ich würde mich jetzt nicht ablenken lassen, denn ich war mir sicher, wie gut es ihm gefallen würde, wenn ich statt Ethans Säbel im Wasser läge, prustend und durchnässt. Am besten noch ertrunken oder von meinen eigenen Waffen erstochen. 

Diesen Erfolg würde ich ihm nicht gönnen. 

Ethan hielt zwar meine Arme in Schach, aber das machte mich nicht wehrlos. Ich zog mein Knie nach oben und rammte es ihm mit voller Wucht in die Bauchgegend. Mit einem Ächzen ließ er von mir ab und taumelte gefährlich. 

"Beende es", zischte Cole. Das war kein Tipp, sondern ein Befehl. 

Mit einem gezielten Tritt an die Brust stieß ich ihn um, geradewegs in den schwarzen Tümpel hinter ihm. Ich war froh, dass ich meine Sporen nicht umgeschnallt hatte, sonst würde jetzt eine tiefe Wunde dort klaffen, wo meine Ferse ihn getroffen hatte. 

Schwer atmend hob ich mein Schwert auf und steckte es zurück in seine Scheide an meiner Hüfte. Ich ging zu meinem gefallenen Gegner hinüber und zog ihn zurück an Land. Er schüttelte meine Hand und lächelte mir wohlwollend zu. 

"Guter Kampf, Darling."

"Heuchler." 

Er lachte leise und angelte nach seinem Säbel. Gespielt besorgt strich er über die lange Klinge und entfernte die Algen mit seinen Fingern. 

"Darling..."

Jaels Stimme wurde von einem gefährlichen Unterton verschärft, als er Ethan nachäffte. Er schob ihn die Treppen herunter und nahm diabolisch Grinsend seinen Platz ein, als würde er gerade planen, wie er mich am schmerzhaftesten umbringen könnte. Auf die qualvollste und dramatischste Weise, die ihm einfiel. 

Mittlerweile fand ich sehr wohl, dass er eine grausame Person war. Er hatte mir etwas vorgespielt, als er mich auf der Erde betört hatte. Er hatte mich einfach beeindrucken wollen, dass ich mit ihm ging, ohne mich zu wehren. Seitdem seine Mission erledigt war, scherte er sich nicht mehr um mich. 

Aber das war okay. Je weniger Probleme ich bekam, umso besser war es. Da brauchte ich keinen skrupellosen Kronprinzen, der nicht wusste, wie man sich zu benehmen hatte. Wahrscheinlich hatte er in seiner Kindheit alles unter die Nase gerieben bekommen, was er gewollt hatte, ohne auch nur einen Finger dafür krumm machen zu müssen. Zwar war es mir ähnlich gegangen, aber ich hatte mich nie so abhängig davon gemacht wie er. Ich war nie mit einer Krone auf meinem Haupt durch die Welt marschiert, in dem Wissen, dass mir jeder gehorchen musste, der mir unter die Augen kam. 

Er brüstete sich mit seinem Titel. Und dafür hasste ich ihn. Und das gab mir die nötige Kraft, mich für einen Angriff zu stärken, der sicherlich von anderer Natur sein würde, als Ethans. 

Denn Jael war anders. 

Er war stark. 

Und das wusste er ganz genau. 

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