Kapitel 57

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Ein schwacher Nebel säumte den dunklen Boden der Hölle, als meine Füße den kalten Asphalt berührten. Ich spürte eine kräftige Hand, die meine hielt, als würde sie sie nie wieder loslassen wollen, doch als ich Jael ansah wurde mir klar, dass er das tun würde. In seinen Augen lagen unendlich viele Emotionen. Eine Spur von Angst und Unsicherheit, ebenso wie Wut und Zorn. Aber vor allem las ich Schmerz in seinem Blick, mit dem er mich gerade eindringlich musterte. Er wusste es genau so gut wie ich. Wir würden diesen Kampf niemals beide überleben. Er würde das Ende für alles bedeuten, was wir gehabt hatten, auch wenn ich mir selbst nicht ganz sicher war, um was es sich dabei überhaupt gehandelt hatte. Ich spürte tief in mir, dass es mich auf eine bizarre Art und Weise zu ihm hinzog. Zu dem, was ich nicht haben konnte und unter keinen Umständen bekommen durfte. Jael und ich, wir waren wie Wasser und Feuer. Dazu bestimmt einander zu vernichten, auch wenn es das letzte war, was wir taten. Siegte der eine, war der andere für immer verloren. 

Es war unser Schicksal, einander zu verlieren. 

Eine salzige Träne rann meine Wange hinunter, jedoch spürte ich sie kaum. Sie wurde mir erst bewusst, als sie von einer warmen Hand fort gewischt wurde. Jael rührte sich nicht - er sah mich einfach nur an, als würde er darauf warten, aus einem Traum aufzuwachen. Aber das hier war kein Traum. Es war ein Wunsch - eine Sehnsucht, die uns nicht gewährt werden sollte. Wir würden einander verlieren, bevor wir uns je gefunden hatten.

"Meine verdammte Prinzessin des Himmels", murmelte er so leise, dass ich glaubte, es nur geträumt zu haben, bevor die Welt sich wieder zu drehen begann, und uns in wildes Kriegsgebrüll hüllte.

Schwerter klirrten, Schreie ertönten und die Wärme, die mich bis eben noch eingehüllt hatte, wurde von mir fortgerissen. Ich legte meine Schwingen eng an meinen Körper und formte eine schützende Kuppel um mich herum, um mich von dem Kampfgeschehen abzuschirmen. Im nächsten Moment ließ ich sie wieder hinter meinen Rücken gleiten und stieß mich mit einem kräftigen Stoß vom Boden ab. Ich erhob mich in die Lüfte - so weit, dass ich den Kampf von oben betrachten konnte. Die Dämonen schienen den Engeln deutlich überlegen, denn sie waren bewaffnet und in Überzahl, aber die Engel schlugen sich wacker. 

Mir fiel ins Auge, wie Ana von zwei bulligen Dämonen zu Boden gedrückt wurde - eine Klinge an ihrem Hals. Sie trat um sich, aber gegen die beiden muskulösen Männer konnte sie nichts ausrichten. Einer der beiden ließ auf einmal von ihr ab und fiel in sich zusammen. Ein Schwert steckte in seinem Torso und Zac - dessen schönes Gesicht mit dunklem Blut besprenkelt war - ragte mit wildem Ausdruck in den Augen hinter ihm auch. Seine Miene war zu einem irren Grinsen verzogen, als er dem zweiten Dämon mit einem kleinen Dolch die Kehle aufschnitt, ehe dieser sich nur hätte umdrehen können. Mir fiel erst jetzt auf, dass er seine Schwingen am Körper trug. Sie waren groß und schneeweiß, doch jetzt überzog die feinen Federn eine feucht-nasse Schicht aus Blut und anderen Dingen, die ich lieber nicht identifizieren wollte. Er war eine wahre Erscheinung, wie er so da unten stand, Ana auf die Füße half und schon dem nächsten Dämon an den Hals ging. 

Mein Blick glitt weiter und ich entdeckte Azriel, der mühelos einen jungen Engel niederstreckte, den ich nie gekannt hatte. Mit einem leisen Zischen sauste sein Schwert durch die Luft und trennte die Flügel des Jungen sauber von seinem Körper. Er jaulte auf und krümmte sich, ehe er bewusstlos zusammensackte. In wenigen Minuten würde er tot sein. 

Ich konnte nicht tatenlos zusehen, wie sich die beiden Völker, die sich gewissermaßen in mir vereint hatten, gegenseitig abschlachteten. Also legte ich die Flügel an und ließ mich in die Tiefe sausen. Ich griff nach einem Schwert, welches verlassen auf dem Boden lag und wehrte augenblicklich den Angriff eines Engels ab, der auf meine Kehle gezielt hatte. Ich parierte auch seinen nächsten Angriff und drängte ihn zurück. Wenn ich mich nicht ganz täuschte, war sein Name Nathanael. Ich hatte ihn schon mal gesehen, damals, als ich mal durchs Schloss geirrt war, wenn Michael außer Haus gewesen war. Ich hatte ihn für nett gehalten, als er mir freundlich zugelächelt hatte. Die lodernde Wut in seinen Augen hatte nichts mit der Person zutun, für die ich ihn gehalten hatte. 

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