Kapitel 16

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-Rose- 


Meine Stirn lag an der kalten Fensterscheibe, gegen die der Regen unaufhaltsam, schon seit Stunden prasselte. Dichter Nebel lag über den Wiesen außerhalb des Wagens, der noch immer mit 120 km/h über die Landstraßen fuhr, als wären wir auf dem Weg zu einem Ferientrip, in die Rocky Mountains. 

Mit dem kleinen Unterschied, dass ich mich hier neben einem potenziellen Entführer befand - wieso sagte ich potenziell? Er hatte mich entführt! Und ich gab mich ihm einfach hin. Was sollte ich auch anderes tun? Wahrscheinlich würde er mich umbringen, würde ich auch nur versuchen, ihm zu entkommen. So sehr ich mein Leben auch hasste, verlieren wollte ich es dann doch nicht. Schon garnicht so!

In der Ferne sah ich blinkende Lichter in alle möglichen Farben. Je näher wir ihnen kamen, desto klarer wurde das Bild, das sie bildeten. 

MOTEL

24H OPEN

Als ich bemerkte, dass wir langsamer wurden und auf das Gebäude zusteuerten, dass vor uns lag, wurde es mir flau im Magen. Ein unangenehmes Prickeln durchfuhr meinen Körper, ich begann zu zittern. Ich krallte meine Nägel in meine Oberschenkel, da ich nicht wollte, dass mir irgendwer meine Angst ansehen konnte. das war das letzte, dass ich jetzt brauchte. 

Der Fremde fuhr auf einen großen Parkplatz, auf dem, außer unserem, nur zwei weitere Wägen standen. Er stieg ohne ein Kommentar aus, ging um das Auto herum und öffnete mir die Tür. Ein bedrohliches Funkeln lag in seinen Augen, die in diesem Moment fast schwarz wirkten. Er hielt mir den Arm hin, als Angebot, mich bei ihm einzuhaken. Ich ging nicht weiter darauf ein und stolzierte so anmutig ich konnte - verdammt taten mir meine Füße weh - auf die abgewetzte Holzfassade des Gebäudes zu. 

Er schloss zu mir auf und knurrte mir leise zu. 

"Benimm dich gefälligst unauffällig. Sobald wir für uns allein sind, kannst du machen was du willst, aber nicht jetzt!"

Mir entfuhr nur ein leises Schnauben. 

Was auch immer er vorhatte, es gefiel mir nicht. Es gefiel mir ganz und garnicht. Lieber würde ich gerade allein auf einer verlassenen Insel sitzen, als hier neben diesem Mann herzulaufen, ohne zu wissen, was er im Schilde führte. Denn was es auch immer war, es konnte nichts gutes sein. 

Wir betraten ein kleines Zimmer in dem nichts außer einem verstaubten Schreibtisch und einer alten Lampe stand, die den Raum in schummriges Licht tauchte. Ein ältere Mann - vielleicht Ende vierzig - saß dahinter auf einem ähnlich heruntergekommenen Stuhl. Sein langes graues Haar hatte er hinter dem Kopf zusammengebunden, seine wahnsinnig dominanten Auge musterten mich, als wolle er mich erstechen. 

Ich stierte nur stur zurück und verweigerte es, etwas zu sagen. Das konnte auch ruhig mein Entführer übernehmen. Schließlich war der ganze Mist nicht auf mich zurückzuführen. 

Er bestellte das beste freie Zimmer, bezahlte Bar und sah mich an, als wollte er mir sagen, dass ich mitkommen sollte. Ich ging ihm hinterher, mit einem stummen Lächeln auf den Lippen. 

Unser Zimmer befand sich auf dem obersten Flur, ganz allein. Auf dieser Etage gab es keine weiteren Pensionen, wir waren komplett auf uns gestellt. Der Fremde - Alexander, oder wie er nun auch immer hieß - schloss die Tür behutsam auf und ließ mich eintreten. Es war nicht nur ein Zimmer, es war fast schon eine kleine Suite. 

Ein wenig heruntergekommen und altmodisch, aber außergewöhnlich gut in Schuss. Ich stand auf das Ambiente hier. 

Der Fremde trat hinter mich. Als ich hörte, wie die Tür hinter uns ins Schloss fiel, kam sie zurück - meine Gänsehaut. Was hatte dieser Typ mit mir vor? War er womöglich ein Psychopath und aus der Anstalt entflohen? 

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