Kapitel 52

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-Jael-


Schweiß perlte sich auf meiner Stirn und mein Herz raste in meiner Brust. Mein Körper brannte, als stünde ich in Flammen. Ein metallener Geschmack prickelte auf meiner Zunge und ein schrilles Klingeln dröhnte in meinen Ohren. 

Doch mein Blick lag auf ihr. 

Rose stand da, ihre Silhouette wurde größtenteils durch Michaels Körper verdeckt, doch es blieb mir nicht verborgen, wie entblößt sie war. Es schien mir nicht richtig, diesen Moment ihrer Angst auszunutzen, um in ihren Gedanken zu lesen. Ich wollte Klarheit, ich wollte sie mehr als alles andere, aber nicht um diesen Preis. 

Für einen kurzen Moment erwog ich, Michael einfach zu Seite zu stoßen und Rose zu packen, aber vermutlich würde mir dann binnen einer Sekunde der Kopf fehlen. Und das würde niemandem etwas bringen. Der bullige Wachmann der mich festgehalten hatte wollte wieder Hand anlegen, als ich einen Schritt machte, um mehr vom geschehen mitzubekommen. Mit einer flinken Handbewegung ließ ich Flammen über seine Haut tanzen und versengte ihm die Hände. Er gab keinen Mucks von sich, auch wenn sein Kiefer zuckte. 

Eine Wolke mit dem Geruch von verkohltem Fleisch, Haut und Haar prickelte in meiner Nase, doch ich ignorierte ihn. Dieser Gestank erinnerte mich an die Zeiten, in denen ich zur Strafe im Höllenfeuer gesessen hatte und den Toten beim Leiden zusehen hatte müssen. Ich war dort in den Flammen gehockt und hatte mir die Ohren zugehalten, um ihre Schreie nicht mehr hören zu müssen. Je älter ich geworden war, desto weniger scherten sie mich. Genau das hatte Vater damit bezwecken wollen. Er hatte gewollt, dass es mich mit derselben schrägen Erleichterung füllte, andere Geschöpfe leiden zu sehen, wie er sie täglich verspürte. 

Und er hatte sein Ziel erreicht. 


-Rose-

Eine nach der anderen Welle der Panik rauschte über mich hinweg. Meine Kiefer knirschten und meine Haut kochte unter den Blicken meiner Freunde und Feinde. Michael griff um mein Handgelenk und bewegte es stählern zu meiner Brust hinauf. Von ihm geführt strich ich über meine Rippenbögen, meine Taille bis zu meiner Hüfte hinunter und hinterließ tintenschwarze Spuren auf meiner Haut. Sie formten sich zu jenem Stern, den wir alle trugen und ich bemerkte im Augenwinkel, wie Lucifer zusammenzuckte, als er das Mal erkannte. 

Jael beobachtete mich, wanderte immer wieder mit seinen Blicken über meinen Körper und brachte mein Herz dazu, noch schneller zu schlagen. Ruß beschmierte sein grässlich perfektes Gesicht, sein prächtiger Mantel war hier und da zerrissen. Die albernen Kappen seiner Stiefel blitzten. 

Er sah hilflos aus. Schrecklich hilflos und doch so unheimlich mächtig, dass es mir trotz der Hitze die hier herrschte, eine Gänsehaut über die Arme jagte. Azriel stand hinter mir, doch er wich immer weiter zurück. Zacs Augen waren geweitet und Ana hatte die Hand vor den Mund gelegt. 

Ich wollte hier weg. 

"Du hast uns verraten. Eine Enttäuschung bist du geworden. Dein Vater rotiert vor Scham in seinem Grab."

"Wie kannst du es wagen!", fuhr ich ihn an und hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Meine Hand schnellte zu seiner Wange herauf und mit einem lauten Knall hinterließ sie dort einen roten Abdruck. In Michaels Augen brannte das Feuer, dass ich tief in mir spürte. Wut explodierte in meinem Herzen und ich konnte spüren wie ein imenses Kribbeln von meinem Inneren ausging. Ich hielt es nicht zurück. 

Flammen schossen aus meinen Handflächen. Zuerst nur klein, dann meterhoch. Funken sprühten durch die Luft und tauchten uns in einen glühenden Nebel. Die Engel schrien, die Dämonen fluchten. Ich hob die Arme und ging einen Schritt nach vorne. Die Funken bildeten einen Wirbel um meinen Körper, wie ein Tornado um sein Auge. Ich sah wie sich eine Gestalt auf mich zubewegte. Ihr anmutiger Gang verriet sie. 

Ich schrie, so sehr überrollte mich meine Macht, als sie um mich herum explodierte. Alles glühte, alles leuchtete. Die Luft brannte. 

Große Hände griffen in meine und zogen mich fort. Fort von den Schreien, fort von den Körpern, aus denen das Leben gewichen war. Fort von dem Schmerz in meiner Brust. 

Fort von meinem alten Leben. 

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