Kapitel 5

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Ana war mir innerhalb weniger Stunden schon sehr ans herz gewachsen. Wir hatten viele Gemeinsamkeiten, was wir nach und nach herausfanden, als ich mich um die vielen Kartons kümmerte, die in einer leeren ecke standen, und nur darauf warteten, ausgeräumt zu werden. Als ich meine Klamotten wiederfand, kramte ich in einer anderen Kiste mit Kleiderbügeln, dass ich beinahe nicht mitbekommen hätte, dass mir eine Frage gestellt wurde. 

"Warum bist du hierhergekommen?"

Anas Stimme klang vorsichtig, als war sie sich nicht sicher, wie ich auf diese Frage reagieren würde. Ich zuckte jedoch gleichgültig die Achseln und murmelte:

"Spielt das eine Rolle?"

Ana schien einen Moment zu überlegen, ehe sie mir antwortete.

"Ich finde schon, ja. Es gibt Gerüchte, dass du..."

"Das ich was?"

Ich zwang mich dazu weiterhin ruhig zu klingen, auch wenn ich es nicht mehr war. Ich hasste, wenn man mich mit Gerüchten belästigte, die mein Leben betrafen. Es wurde viel Unfug erzählt, nicht einmal Engel - von denen man so etwas eigentlich erwarten dürfte - konnten ihre Klappe halten. 

"Das du.. Teil der Adelsfamilie bist?"

Da war er wieder. Der Klassiker. 

"Ich wollte dich nicht... es tut mir leid."

"Nein, nein..."

Ich winkte ihr mit einer kleinen Handbewegung ab. So wenig es mir auch gefiel, es stimmte. Ich hatte es selbst erst für wenigen Monaten herausgefunden, durch eine mehr oder weniger freiwillige Auseinandersetzung zwischen Gabriel und unserem Herrscher. Sie waren laut geworden, lauter, las ich sie je erlebt hatte. Besonders von Gabriel kannte ich so eine hitzige Art nicht. Für mich war er immer der ruhige Mann, mit den versteckten Sünden gewesen. Unser Herr hatte ihn angefahren, als er gesagt hatte, dass ich auch nur ein junges Mädchen sei, und meine Freiheiten brauchen würde. Er sagte, er könnte es nicht mit ansehen, wie ich mich benahm, irgendwann würde ich eine Schande über den ganzen Adel einher bringen. 

Ich würde seinen Ruf ruinieren. 

Ich hatte hinter der Pforte gestanden und aufmerksam und geschockt zugleich, gelauscht. Mir war es durch Mark und Bein gefahren, als diese Worte gefallen waren. Ich hatte es nicht glauben wollen, bis ich gehört hatte, was Gabriel antwortete. 

"Sie können sie nicht ewig wegsperren. Royal oder nicht. Sie hat etwas in sich, dass raus möchte. Sie können ihr das nicht verwehren. Nicht unendlich lange."

Der Herr war noch lauter geworden. 

"Sie dürfte nicht existieren."

"Aber sie existiert."

"Das ist das Problem", knurrte er leise


"Es stimmt. Wer auch immer dir das gesagt hat hat nicht gelogen. Mein Vater war wohl ein Prinz."

"Wow..."

"Sei so gut und ignoriere den ganzen Mist. Wie du siehst bilde ich mir darauf nichts ein, im Gegenteil. Wenn ich könnte würde ich diesen beschissenen Titel so schnell wie möglich loswerden."

"Andere würden töten um ihn zu bekommen..."

Sie lachte freudlos. Ich wusste, dass sie wahrscheinlich dazugehörte. Das war das Schlimme an Gerüchten. Man berichtete immer nur von guten Dingen, auf die man neidisch sein könnte. Welche Lasten man auf den Schultern trug, interessierte so gut wie niemand. Aber das sollte mir recht sein. Dann würde sich schon niemand Sorgen um meine mentale Gesundheit machen...

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