Kapitel 31

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Seitdem ich in der Hölle angekommen war, war schon eine gute Woche vergangen. Ethan hatte mich herzlich aufgenommen, Ruby hingegen schien, als bräuchte sie noch ein bisschen Zeit um sich mit mir anzufreunden. Trotzdem hatten wir bis jetzt ein paar wenige Worte wechseln können. Die meiste Zeit war ich auf meinem Zimmer gewesen, oder durch unseren Korridor gestreift, ich hatte einfach nichts besseres zutun. Wenn Ruby trainieren ging, blieb ich oben sitzen. Ab und an trainierte Ethan mit ihr unten im Park, so dass ich sie beobachten konnte. 

Mittlerweile war sogar mir aufgefallen, dass Ethan einfach nicht in ihrer Liga mitspielen konnte. Sie war klein, und wendig, hatte hingegen weniger Kraft. Ethan konnte zuschlagen, dass es einem Hören und Sehen vergehen ließ, aber er wirkte ein wenig tollpatschig. 

Ich konnte nicht einschätzen, wie ich mich in einem Kampf anstellen würde. Ich wusste nicht einmal, ob ich überhaupt kämpfen konnte. 


Die ganze Woche über hatte ich Jael nicht gesehen. Ich glaubte zu wissen, welches der fünf Zimmer ihm gehörte, weil ich nie gesehen hatte, wie es jemand betrat. Es lag am Ende des Ganges und war wahrscheinlich größer, als unsere. Vielleicht schlief er aber auch bei seinem Vater. Ob er ein Schloss hatte?

Ich malte mir aus, wie er elegant gekleidet durch einen Garten lief, Hand in Hand mit einer jungen Blondine die nach jedem seiner Sätze kicherte. Es versetzte mir einen Tritt in die Magengrube, auch wenn es nur eine Vorstellung war, was mich reichlich schockierte. 

Das passierte mit mir, wenn ich nichts zu tun hatte. Ich dachte über irgendwelche seltsamen Dinge nach, von denen ich nichtmal wusste, ob etwas an ihnen dran war. 

Ich gab mir eine Ohrfeige. 

Das war sicherlich nicht gesund. Ich musste dringend eine Beschäftigung finden, die mir die Langeweile nahm, dass ich hier nicht durchdrehte. 

"Was war das für ein Geräusch?"

Ethan stand hinter mir und sah mich entstellt an. Sein Blick wanderte herunter auf meine Wange, die pochte und immer wärmer wurde. 


-Ethan- 


Hatte sie sich selbst geschlagen? Es wirkte ganz so, sonst würde ihre Wange mit Sicherheit nicht röter werden. Aus dem zarten Rosa wurde ein glühendes Scharlachrot, je länger sie mich ansah. 

"Nichts."

"Verarsch mich nicht. Dad sagt du sollst anfangen zu trainieren."

Sie nickte langsam. 

"Ich besorge dir Trainingssachen, dann kannst du dich schnell fertig machen und dann gehen wir runter."

"Wir?"

"Ruby und Azriel sind schon unten. Obwohl er eigentlich noch garnicht trainieren darf. Sandy hat ihm noch mindestens eine Woche strenge Bettruhe auf den Nacken gebunden, aber du wirst sehen, dass ist typisch Azriel. Für ihn existieren Regeln nur, um sie zu brechen. Deshalb hat er wahrscheinlich auch noch keinen Partner gefunden."

"Partner?"

Shit, dass hatte mir nicht rausrutschen sollen. Aber es stimmte ja. Was sollte ich es ihr auch verschweigen, irgendwann würde sie es so oder so herausbekommen. Vielleicht war sie ja diejenige, die endlich mit ihm auskommen würde. Das würde ihn mir vom Hals schaffen. So sehr ihn diesen Mann auch mochte, er konnte echt anstrengend sein. 

"Wir Hunter arbeiten immer zu zwei. In Teams. Nichts geht über den Hunterpartner, wenn es darauf ankommt. Der Partner steht über allem. Du gibst dein Leben für seines auf."

Sie sah mich überrascht an.

"Und wie findet ihr euren Partner?"

"Man spürt es. Und wenn man ihn gefunden hat, wird man verbunden. Erst dann ist man ein richtiger Hunter. Beziehungsweise in deinem Fall eine Huntress."

"Wow", gurgelte sie mir leise entgegen. Sie schien wohl tatsächlich noch nie etwas von uns gehört zu haben. Es erschein mir gar unmöglich, dass sie uns nicht kannte.

"Und Azriel hat es bisher mit jedem Probepartner verkackt. Sie halten ihn nicht lange aus. Keiner. Zumal es nie einen Bund gegeben hat, mit niemandem."

"Oh."

Sie war das komplette Gegenteil von Azriel. Schwach, untrainiert und verdammt weiblich. Sie hatte Glück, dass Vater solch einen Wert auf sie legte. Als normale Huntress könnte sie sich die Männer nicht mehr vom Hals halten. Ihr dunkles Haar und die unschuldigen Augen. Sie sah wahrlich aus, wie man sich einen Engel vorstellte. Wobei ich früher immer geglaubt hatte, alle Engel wären blond. 

"Ich bin gleich wieder da..."

Ich joggte die Treppen herunter und suchte nach Jessica, unserer Schneiderin. Ich hatte sie vor wenigen Tagen gebeten ein Set Trainingskleidung zu nähen, dass zu Rose passte. Als ich nun vor ihr stand und sie mir ihr Werk überreichte, kam ich aus dem Staunen kaum heraus. Was diese Frau regelmäßig zauberte war wahrlich nicht von dieser Welt. 

Sie gab mir das kleine Täschchen zwinkernd und mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen. Ich rollte mit den Augen und hechtete zurück in unseren Flügel. Unser Quartier war durchaus nicht klein, da fand ich es wirklich genial, dass wir unseren eigenen Bereich hatten, in dem wir tun und lassen konnten, was wir wollten. Jetzt da Rose da war, mussten wir uns alle erst einmal wieder sammeln, doch ich war mir sicher, dass sie gut hineinwachsen würde. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht so eine Anti-Alkoholikerin war, denn das konnten wir hier sicher nicht gebrauchen. 

"Hier."

Ich reichte die Tüte durch den Spalt der Tür und schirmte meine Augen mit den Händen ab. Ich wollte jegliche unangenehme Situation vermeiden, sonst würde sie mir nie wieder vertrauen können. Und das war äußerst unpraktisch, wenn man kämpfen lernen wollte - oder musste. 

Es dauerte keine zwei Minuten, da stand sie wieder vor mir, in einem Anzug, der sie wirken ließ, wie eine Nymphe. Er war schwarz, mit dunkelgrauen Streifen an den Oberarmen und der Taille. Er war zweiteilig, sodass man ihren Bauchnabel sehen konnte. Sie wirkte trainiert, vielleicht konnte sie doch ein bisschen was. 

Graue Turnschuhe waren eng an ihre Füße geschnürt, sie wirkte wirklich sehr athletisch. Sie hatte ihr gewelltes Haar zu einem hohen Zopf zusammengebunden, es wippte taktgleich hin und her, als sie auf mich zukam. Nervös zog sie die Ärmel über ihre Fingerknöchel, wie ein kleines Mädchen, vor einer großen Prüfung. 

Ich schmunzelte ihr ermutigend zu und ging hinunter auf die großen Wiesenflächen. Während Azriel und Ruby sich auf unserem Podest umkreisten und lange Schwerter schwangen, zog ich meine Partnerin auf eine etwas abgelegene Matteninsel. Sie schien unsicher, aber sie fand eine Position, in der sie sich wohlzufühlen schien. 

Ich trug selbst nur eine kurze Sporthose und ein Shirt, dass so eng war, dass ich mir nicht sicher war, ob es den Tag aushalten würde. Ich hoffte es war elastisch genug.

Ich ließ ihr nicht viel Zeit, ehe ich zu meinem ersten Schlag ansetzte. 

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