Kapitel 56

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Ich gab mich meinen Empfindungen hin. Es war wie ein Sog, aus dem mich nichts mehr befreien konnte. Jaels großgewachsener Körper, der meinen umschloss, als wolle er nie wieder von mir ablassen. Seine Arme, die mich hielten, als wäre ich alles, was ihm geblieben wäre, auch wenn ich wusste, das dem nicht so war. Das Gefühl seiner Hände auf meinem Rücken, die ein warmes Kribbeln durch mich hindurch schickten und das zarte Kitzeln seiner pechschwarzen Schwingen an meiner Wange. Ich spürte nicht, wie wir in die tiefe stürzten, und hatte auch keine Ahnung, wann wir auf dem Boden aufkommen würden. Von mir aus konnten wir für immer fallen. Zwischen den Welten, wo uns niemand etwas antun konnte. 

Aber mich würde jetzt nichts mehr aufhalten können. Es gab etwas, das getan werden musste, ob ich nun wollte, oder nicht. Und genau das lag in diesem Moment hinter den tiefen Schatten, weit unten in der Schlucht zu meinen Füßen, die das sonst so friedliche Land teilte. Jael hatte mich schweigend neben sich zu diesem Ort geführt, als hätte er genau gewusst, wie ich mich entschieden hatte. Vermutlich wäre mir diese Entscheidung nichtmal halb so leicht gefallen, wenn ich mir nicht so sicher wäre, dass Jael nicht von meiner Seite weichen würde. Er würde immer da sein - ob er nun auf meiner Seite kämpfte oder nicht - wobei ich nichtmal wusste, für welche Seite ich eigentlich kämpfte. Die Engel hatten mich hintergangen, doch die Dämonen wollten mich tot sehen. 

Und was Jael betraf war ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass er sich, sobald wir die Hölle wieder betreten würden, auf die Seite seines Vaters stellen würde. Was ich ihm, wenn ich ganz ehrlich war, nichtmal verübeln würde. Wenn er aus dieser Sache heil herauskam, würde sein Vater ihn erhängen lassen, wenn er sich gegen ihn wenden würde. 

Es war so schrecklich kompliziert. Die Engel hätten die Hölle nie betreten dürften. Indem sie dorthin gekommen waren, hatten sie sich quasi von ihrem Leben verabschiedet. Zwar waren sie von Natur aus um Einiges stärker als das Dämonenvolk - welches so gut wie all seine Macht nach Lucifers Fall verloren hatte - aber die Tatsache, dass sie sich in der Hölle befanden und somit einiges ihrer Stärke einbüßen musste, machte sie mindestens zu ebenbürtigen Gegnern. Nur durfte man eben nicht vergessen, dass es unzählige Dämonen dort unten im Schlund geben musste, die sich gegen eine Hand voll nahezu unbewaffneter Engel stellen könnten und würden. 

Und trotzdem befand ich mich hier und wusste, dass es kein Zurück gab. Es war eigentlich schon zu spät für mich gewesen, als ich den Sprung auf die Erde gewagt hatte. Eigentlich schon, als meine Eltern sich das erste Mal begegnet waren. 

Es war der Fluch, in den ich hineingeboren wurde, und ich war die Einzige, die sich ihm stellen konnte. Es war mein Schicksal. Und dieses Mal würde ich nicht vor ihm davonlaufen. 

Ich war die verdammte Prinzessin des Himmels. 

Die verdammte Prinzessin des Himmels, in den Armen des grausamsten Prinzen der Unterwelt, der vielleicht garnicht mal so grausam war, wie er behauptete. 

Auf dem Weg in den Kampf zwischen unserer beiden Völker, der alles verändern würde. 

Für immer.



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An der Stelle mal ein kurzes Shoutout an die gute @_zero_a  die mir regelmäßig auf die Füße tritt, weil ich nicht weiterschreibe. Sorry  :P

Jedenfalls bin ich zurück und habe mal wieder was hochgeladen. Ich hoffe, die Story in den Ferien beenden zu können, aber ich will nichts versprechen ;)

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