Kapitel 12

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Niemand würde mir diesen Abend nehmen.

Niemand. 

Nichtmal Dämonen.


"Dämonen? Meinst du wirklich?" 

Gabriel nickte hastig neben mir, als er mich Richtung Auto davonziehen wollte. Ich schüttelte ihn ab. 

"Was, wenn du dich täuschst? Was wenn sie ein Engel ist, wie wir?" 

"Engel benehmen sich nicht so. Das ist ausgeschlossen. Engel trinken nicht."

"Engel rauchen auch nicht, was?", konterte ich aalglatt. Gabriel brauchte sich nicht einreden, dass er selbst einer der Muster war, nach denen sich eine gesamte Welt orientierte. Mit Sicherheit hatte er in den tausend Jahren, in denen er schon lebte, genug Regeln gebrochen. 

Wahrscheinlich sogar mehrmals. 

"Ist das dein Ernst, Rose? Sie ist gefährlich. Du weißt nicht, was sie im Schilde führen!"

"Wer sagt, dass hier noch mehr sind? Vielleicht will sie auch nur ein normales, menschliches Leben führen, wie ich und Ana.

"Dir ist bewusst, dass Ana für mich kein Argument ist, oder?"

"Aber ich sollte eins sein. Du willst doch nicht, das die Prinzessin unglücklich ist." 

Ich hatte noch nie über meine Adelstitel gesprochen. Schon garnicht, um jemanden damit zu erpressen. Dennoch schien Gabriel anzubeißen. 

"Wie sie wollen, eure Hoheit. Aber wenn ihnen irgendetwas seltsam vorkommt, wissen sie, wo sie hingehen werden."

"Aber natürlich."


Wir betraten das Gebäude ehrfürchtig. Ich hatte kaum meinen Fuß richtig in die große Eingangshalle gesetzt, hatte Gabriel mich stehengelassen und war in der Menge verschwunden. 

Ich hätte mehr von ihm erwartet.

Stattdessen sah ich das Mädchen wieder. War sie mir gefolgt? Es sah nicht so aus, sie schien sich nicht sonderlich für mich zu interessieren. Sie tippte noch immer auf ihrem Handy herum, und als sie aufsah, wand sich ihr Blick einem jungen Mann zu. 

Er trug eine schwarze Lederjacke, darunter ein enges, ebenfalls schwarzes Shirt. Seine dunkle Jeans hing locker an seinen Hüften, als würde sie ihm garnicht richtig passen. Dunkle Boots mit schweren Schnallen zierten seine Füße, die bei jedem Schritt leise klapperten, als er auf das Mädchen zu ging. Sein dunkles Haar fiel ihm leicht in die Stirn, sein Gesicht hatte er abgewandt, sodass ich es nicht sehen konnte. 

Das Mädchen nickte ihm zu, er näherte sich ihr immer weiter. Als er vor ihr stehenblieb, begannen sie, sich zu unterhalten. Anscheinend kannten sie sich. Das Mädchen hielt ihm ihr Handy unter die Nase, schien ihm etwas zu zeigen, dass ihn offenbar sehr interessierte. Er nickte, ließ sich aber nichts anmerken. 

Dann wand er sich in meiner Richtung und ließ den Blick durch den Saal schweifen. Einen Blick durch eisig blaue Augen. 

Er war wahnsinnig attraktiv. So sehr, dass es verboten gehörte. 

Seine gebräunte Haut und das schwarze Haar - dass so dunkel war, dass ich meinte, beinahe einen feinen Blaustich darin zu erkennen - bildetet einen perfekten Kontrast zu seinen hellen, eisigen Augen. Dichte dunkle Wimpern strichen über seine Wange, als er blinzelte. Sein markantes Kinn dominierte seine Kieferknochen, scharf wie Messerklingen unter seiner glattrasierten Wange. Seine geformten Augenbrauen - wie konnte man solche Augenbrauen haben?- zogen sich kritisch zusammen. 

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