"Wie lange wirst du uns noch mit deiner Gegenwart erfreuen?", erkundigte sich Lord Velton, als er sich einige Tage später mit Captain Helwick die Zeit mit Tontaubenschießen vertrieb. Es war ein sonniger Tag, aber hinter dem Wald türmten sich bereits dunkle Wolken und der Stallknecht Parkin hatte bereits am Morgen verkündet, es käme ein Unwetter auf sie zu, er spüre das in seinen Knochen. Noch war es aber sonnig und warm, die Vögel zwitscherten und Frühlingsblumen sprießten in dem vernachlässigten, struppigen Rasen. Richard gefiel das verwilderte, natürliche Aussehen seines Parks insgeheim, auch wenn es seiner Mutter ein Dorn im Auge war, und selbst Hetta bereits Pläne machte den Park zu verschönern. Aber es gab zurzeit Wichtigeres. Den Park würde er vielleicht im nächsten Jahr instand setzen lassen, wenn die Ernte im Herbst zufriedenstellend ausfiel, die Preise für das Getreide und die Wolle gut waren und sein Anwalt nicht noch weitere schlechte Nachrichten für ihn parat hatte, was die Schulden betraf, die sein Vater und sein Bruder angehäuft hatten.
"Willst du mich loswerden?", fragte der Captain mit einem Grinsen, während er sein Gewehr nachlud.
"Du kannst bleiben, solange du willst", entgegnete Richard großzügig und gab im selben Augenblick dem Lakaien, der die Tonscheiben mit einer Apparatur in die Luft schleuderte, ein Zeichen, hob das Gewehr an die Schulter, zielte auf die durch die Luft fliegende Schreibe und drückte ab. Es regnete Tonscherben vom Himmel und ein nach Schwefel riechender Rauchfaden zog von der Gewehrmündung gen Himmel.
"Danke, aber es wird Zeit, meiner großen Familie einen Besuch abzustatten", sagte Helwick mit einem schiefen Lächeln. "Sie würden mir nicht verzeihen, wenn ich mich nicht blicken ließe. Ich habe meinem Bruder geschrieben, dass ich in ein paar Tagen komme und dann wartet auch schon bald das Schiff in Plymouth auf mich."
Jetzt war Captain Helwick am Zug, er zielte und schoss auf die Tonscheibe, verfehlte sein Ziel aber. Schnell hatte Richard das Gewehr, dass er bereits nachgeladen hatte, gehoben, zielte und drückte ab, aber auch er verfehlte diesmal die Scheibe und sie fiel unbeschadet ins hohe Gras. Sie grinsten einander an und luden in schweigsamem Einvernehmen ihre Gewehre nach.
"Wenn es dir genehm ist, übermorgen aufzubrechen, so können wir gemeinsam bis London reisen. Ich muss zu meinem Anwalt und zur Bank."
"Das ist mir durchaus genehm", nickte Helwick. Dann warf er Richard einen forschenden Blick zu. "Ich weiß, dass du am liebsten mit nach Spanien kommen würdest", stellte er dann fest, während er sorgfältig Schießpulver auf die Pfanne des Gewehrs streute. "Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie schon einen Nachfolger für dich gefunden haben."
"Es wäre verlockend, Pächter, Anwälte, Bankiers und Schuldner einfach hinter mir zu lassen", gab Richard zu. "Aber es ist nicht so einfach."
"Warum ist es das nicht? Ganz ehrlich, was hält dich hier, wenn du nicht hier sein willst?"
"Du weißt es ganz genau."
"Ja, ich weiß, dass du dir noch immer die Schuld an Thomas' Tod gibst. Aber soll ich dir etwas sagen? Dich trifft keine Schuld daran, dass ihn dieser hinterhältige kleine Bastard von einem Trommlerjungen getötet hat."
Richard warf ihn einen langen Blick zu, schwieg aber. Sie führten diese Unterhaltung nicht zum ersten Mal, aber Richard hatte Helwick nie von den Albträumen erzählt, die ihn seit zwei Jahren verfolgten.
"Wegen deinen Gewissensbissen wegen Thomas willst du Hetta und die Mädchen auch nicht im Stich lassen und aus irgendeinem unerfindlichen Grund hängst du an diesem alten Kasten von einem Haus und dem Land", fuhr Captain Helwick fort. "Aber was ich mich frage", fuhr er fort. "Was hat Miss Stevens damit zu tun?"
"Nichts", erwiderte Richard schnell.
Zu schnell, als dass Helwick nicht hellhörig geworden wäre. "Nein, natürlich nicht. Wenn Miss Stevens eine gewöhnliche Gouvernante ist, so bin ich der Herzog von Wellington höchstpersönlich. Das habe ich ihr übrigens auch schon gesagt und sie war ziemlich erschrocken darüber. Also steckt irgendetwas dahinter, oder nicht?"
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In Love and War - Geheimnis um Ferywood
FantasyGeister, geheimnisvolle Mächte, eine alte Sage und das Schicksal... Samanthas Leben ist beschaulich und ihre Arbeit im Museum gefällt ihr. Doch dann verirrt sie sich im Wald von Ferywood und findet sich plötzlich im Jahr 1813 wieder. Dort trifft si...