Der Ball in Oakfield

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Richard war bereits den ganzen Vormittag fort, ohne dass Samantha oder Hetta gewusst hätten, wo er war, und falls Captain Helwick mehr wusste, so sagte er es ihnen nicht. Es war nicht ungewöhnlich, dass Richard tagsüber Pächter oder Nachbarn besuchte, oder anderweitig geschäftlich zu tun hatte, so dass weder Samantha noch Hetta sich Gedanken über seine Abwesenheit gemacht hätten, solange er nur am Abend rechtzeitig zurückkam. Denn an diesem Abend würde der Ball in Oakfield stattfinden, der groß und dekadent zu werden versprach, und dem die ganze vornehme Nachbarschaft bereits gespannt entgegensah. Den Bewohnern von Ferywood Manor ging es nicht anders, und somit war dies einer jener Tage, an denen man halb erwartungsvoll, halb gelangweilt auf ein großes Ereignis hin fieberte, und einem die Stunden bis zu besagtem Ereignis unendlich lang erschienen.

Hetta schlug schließlich vor, sich die Zeit bis zu dem Ball in mit einem ausgedehnten Spaziergang zu vertreiben, weil das Wetter so schön war. Die kleine Gesellschaft, bestehend aus Hetta, Captain Helwick, Samantha und den Kindern, brach im strahlenden Sonnenschein auf. Sie nahmen Napoleon mit und der Hund sprang ausgelassen zwischen ihnen herum, wenn er nicht gerade Vögel in den Wiesen aufscheuchte oder nach Insekten schnappte. Die Mädchen warfen Napoleon Stöckchen und als es Captain Helwick versuchte, waren alle überzeugt, niemand könne weiter werfen. Napoleon teilte diese Ansicht, denn er betrachtete den Captain fortan als seinen allerbesten Freund und liebsten Spielgefährten.

„Wie kann man nur so treulos sein!", lachte Samantha, als Napoleon nicht mehr von des Captains Seite wich.

Sie spazierten über die Ländereien und Captain Helwick erstand bei einem Bauern für jeden einen Becher frischer Milch und sie setzten sich in den Schatten eines Kastanienbaumes, um zu rasten. Nur Napoleon hielt nichts von einer Pause, denn er glaubte, in einem Anflug grenzenloser Selbstüberschätzung, zum Hütehund berufen zu sein und machte die armen Kühe nervös, die friedlich auf ihrer Weide grasten und von dem Kläffen des Hundes, der in wilder Raserei zwischen ihnen herumjagte, gestört wurden. Captain Helwick stellte fest, dass er seinen Namen zurecht trug und Samantha nahm ihn an die Leine, nachdem ihn ein scharfer Befehl des Captains zur Raison gebracht hatte. Fortan trottete Napoleon etwas kleinlaut und unzufrieden wegen der strengen Behandlung neben ihr her. Sie folgten dem schmalen Weg durch die Wiesen zu der Pächtersiedlung. Joey sah sie von Weitem und kam mit seinem Gefolge von jüngeren Kindern angelaufen. Napoleon begrüßte ihn stürmisch und Samantha ließ den Hund von der Leine.

„Wenn ich gerade hier bin, will ich noch kurz die verwirrte alte Dame besuchen", verkündete Samantha und meinte damit Tante Nan, der sie gelegentlich einen Besuch abstattete. „Wir können uns dann später in Ferywood Manor treffen."

So wurde es gemacht und ihre Begleiter setzen ihren Weg ohne sie fort.

Tante Nan, die sich stets über ihren Besuch freute, servierte ihr trockenes Früchtebrot und saures Ale und Samantha, die nur einen Augenblick hatte bleiben wollen, aber der die einsame Frau, die sich so über ihren Besuch freute, Leid tat, wagte nicht abzulehnen und blieb länger als beabsichtigt. Es war längst Zeit, sich für den Ball umzukleiden, als sie schließlich nach Ferywood Manor zurückkam. Becky wartete bereits mit dem apfelgrünen Seidenkleid auf sie, welches ihr so gut stand.

Sie beeilte sich mit dem Ankleiden und Becky gab ihr Bestes, aber als sie in die Halle kam, warteten schon alle auf sie. Captain Helwick stand am Fuße der Treppe und sah sehr schneidig aus in seiner Galauniform. Richard, der neben ihm stand, und dessen gutgeschnittener dunkler Abendanzug perfekt seine Statur betonte, hob den Blick, aber kein Lächeln erwärmte diesen. Sein Ausdruck war seltsam grimmig, so dass Samantha sich fragen musste, ob er verärgert war.

Lady Amalia war gekommen, um gemeinsam mit ihnen nach Oakfield zu fahren, und ihr Blick war missbilligend und unfreundlich, als sie der ihr verhassten Miss Stevens, von der sie noch immer annahm, sie würde mit Mr Whiteshaw gemeinsame Sache machen, ansichtig wurde.

In Love and War - Geheimnis um FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt