In der Vergangenheit

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Richard starrte sie einen Augenblick lang verwirrt an. Woher kannte sie seinen Namen? Wer war sie überhaupt und wie kam sie hier her? Diese Frau war ein einziges Geheimnis. Aber wenn er sie hier noch länger liegen ließ, würde er keine Antworten erhalten, weil sie an Unterkühlung sterben würde. Er zog also seinen Uniformrock aus und wickelte ihn ihr um die Schultern. Er war ihr viel zu groß, aber er spendete ihr ein wenig Wärme. Er musste sie ins Haus bringen, damit sie sich aufwärmen konnte. Außerdem sah sie zwar äußerlich unverletzt aus, aber er war sich nicht sicher, ob sie wirklich unversehrt war. Irgendetwas war ihr widerfahren, so viel war offensichtlich. Als er sie auf seine Arme hob, spürte er, dass sie vor Kälte zitterte.

"Richard, was ist hier los?", murmelte sie blinzelnd, nachdem er ein paar Schritte gemacht hatte.

"Ich hatte gehofft, das könnten Sie mir sagen, Ma'am", erwiderte er ruhig. Mittlerweile hatte er seinen Gleichmut zumindest äußerlich zurückerlangt, aber in seinen Gedanken arbeitete es. "Ebenso ein paar andere Dinge, die es mich verlangt zu erfahren."

"Mein Kopf tut so weh, ich kann nicht denken", murmelte sie gegen seine Brust.

"Wurden Sie verletzt?"

"Nein, ich - ich weiß nicht. Ich glaube, ich bin gestolpert, aber - ich weiß nicht. Ich habe so furchtbare Kopfschmerzen", murmelte sie halb benommen.

"Ich bringe Sie erst einmal ins Haus, damit Sie sich aufwärmen können und wenn es erforderlich ist, rufen wir einen Arzt."

Sie machte ein leises Geräusch und schien wieder weg zu dämmern. Er ging mit ihr den kürzesten Weg quer über den Rasen durch den Park zurück zum Haus und zu der Seitentür, durch die er das Haus vorhin verlassen hatte. Es wäre näher gewesen, den Eingang durch die Terrasse in den großen Salon zu nehmen, aber um diese Zeit war das ganze Haus noch verschlossen, bis auf die Tür, die er vorhin selbst entriegelt hatte, und er wollte nicht die halbe Dienerschaft auf den Plan rufen. Mit einem angestrengten Keuchen, denn sie war nicht so leicht wie sie aussah, öffnete er umständlich die Tür und als er sie die Stufen hinauf trug kam sie wieder zu sich.

"Sie sind ja ganz außer Atem", stellte sie erstaunt fest und blickte in sein gerötetes Gesicht auf.

Ihre gleichermaßen ernsthafte und unangebrachte Feststellung belustigte ihn. Man hätte meinen können sie hätte gerade andere Sorgen. "Sie sind nicht gerade leicht wie eine Feder, Verehrteste", gab er daher atemlos zurück und stutzte dann. Kicherte dieses seltsame Wesen jetzt etwa?

Er stieß die Tür zum kleinen Salon im ersten Stock auf, legte sie auf eines der mit blau-gold gestreiftem Brokat bezogenen Sofas und schob ihr ein Kissen unter den Kopf.

"Geht es?"

"Mein Kopf tut weh und mir ist so furchtbar kalt", antwortete sie und zog seinen Uniformrock enger um die Schultern, rollte sich auf die Seite und zog die Beine an. Über einer Sessellehne hing ein vergessenes Umschlagtuch, das Hetta wohl am Vorabend hier hatte liegen lassen, und er breitete es als zusätzliche Decke über sie.

"Der Kamin ist kalt und es wird zu lange dauern, bis wir ein wärmendes Feuer haben, aber es gibt etwas anderes, was wir für den Moment tun können, bis wir Sie in ein warmes Federbett stecken können." Er ging zu einem kleinen Tischchen, auf dem ein Tablett mit Karaffen und Gläsern stand, wählte eine der Karaffen aus Kristallglas aus und füllte ein Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit.

"Was ist das für ein Raum?", fragte sie mit matter Stimme. Offensichtlich war sie noch immer nicht ganz bei sich.

"Sie sind in Ferywood Manor."

"Das weiß ich, aber ich kenne dieses Zimmer nicht."

"Sie waren schon früher einmal hier?", stellte er überrascht fest. "Nun, wir befinden uns im kleinen Salon."

In Love and War - Geheimnis um FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt