An infamous army

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Brüssel glich einem quirligen Bienenstock, fand Samantha. Die Stadt war voller Menschen und man hörte fast mehr Englisch als die Landessprache, so viele Engländer hielten sich hier auf. Die britische Insel war so lange von dem Rest des Kontinents abgeschnitten gewesen, dass seit Napoleons Verbannung auf die Insel Elba unter denen die es sich leisten konnten, eine richtige Reisewut ausgebrochen war. Zudem war ein standesgemäßes Leben in Brüssel billiger als zuhause in London, gleichzeitig war die britische Heimat so leicht zu erreichen, was viele bewog, sich längerfristig in der belgischen Hauptstadt niederzulassen. Seit Napoleons Flucht und seiner Wiederergreifung der Macht kamen noch Angehörige des Militärs, Diplomaten, Schaulustige und Glücksritter hinzu. Die Stadt war regelrecht überfüllt.

Wie beliebt Brüssel war, war schon deutlich geworden, als sich Major Latimer vor dem Problem wiedergefunden hatte, ein Boot aufzutreiben, das groß genug war, sich und seine Entourage, bestehend aus Samantha, Hetta und ihren Töchtern, den Zofen Maria und Becky, Richards Kammerdiener, den Stallburschen Parkin und Joey, sowie 3 Pferden, Ausrüstungsgegenständen und Gepäck, aufnehmen zu können. Sie fanden nach einigen Bemühungen und dank Richards Hartnäckigkeit ein Boot mit einer winzigen Kabine, die so beengt war, dass Richard es vorzog bei den Stallburschen an Deck zu schlafen. In Ostende hatten sie dann die Pferde ans Ufer schwimmen lassen müssen. Im Anschluss hatten sie vor dem Problem gestanden eine Kutsche und ein Fuhrwerk aufzutreiben. Beides war nur zu horrenden Preisen und nicht ohne Schwierigkeiten zu bekommen gewesen. Als sie schließlich in Brüssel ankamen, mussten sie sich mit drei engen Zimmern zufriedengeben, von denen zwei als Schlafzimmer und eines als Salon und für alles andere genutzt wurde, und konnten sich trotz der beengten Verhältnisse dennoch glücklich schätzen überhaupt eine Unterkunft direkt in Brüssel gefunden zu haben.

War die Stimmung in England schon voller nervöser Erwartung gewesen, so war es hier in Brüssel noch schlimmer, was die Bevölkerung und die ausländischen Gäste jedoch nicht davon abhielt, täglich Gesellschaften Bälle, Soiréen, Konzerte, Picknicks, venezianische Frühstücks oder Ausflüge zu veranstalten, in die Oper oder ins Theater zu gehen. Hetta und Richard trafen viele alte Freunde und Bekannte vom Militär und Samantha fand sich bald nach ihrer Ankunft in Brüssel in einem wahren Strudel an Vergnügungen wieder, weil sie von allen Seiten Einladungen bekamen. Wenn man keine andere Vergnügung fand, nach der einem der Sinn stand, konnte man auch garantiert irgendwo einem Fußball- oder Cricketspiel zuschauen, bei denen die verschiedenen Regimenter, Soldaten wie Offiziere, gegeneinander antraten. Hätte man auf den Straßen nicht so viele Uniformen gesehen und hätte nicht ständig irgendeine Parade stattgefunden, hätte man nicht meinen können, dass sich hier Armeen auf einen Krieg vorbereiteten.

Gleichzeitig schien aber jeder darauf zu warten, dass irgendetwas passierte, die Zivilisten waren unruhig und die Militärs ungeduldig. Auch wenn die Briten in Brüssel die vorherrschende Stärke darstellten, so gab es auch niederländisch-belgische Truppen, denen man misstraute, weil sie bis vor Kurzen noch auf französischer Seite gekämpft hatten, und ein großes Kontingent Preußen war ebenfalls bereits eingetroffen und alles wirkte ein bisschen chaotisch. Jeder war der Ansicht, dass es Zeit wurde, dass der Herzog von Wellington endlich eintraf, um Ordnung in das Chaos zu bringen.

Anfang April traf der Herzog von Wellington dann schließlich in Brüssel ein, nahm die Zügel in die Hand, und ließ die Menschen aufatmen. Der Umstand, dass er zwar in Spanien und Portugal sehr erfolgreich gewesen war, nie aber gegen Bonaparte persönlich ins Feld gezogen war, schien kein Grund zur Beunruhigung darzustellen. Ohnehin schien niemand damit zu rechnen, dass Boney in naher Zukunft etwas unternehmen würde. Es hieß, dass er in Paris alle Hände voll zu tun hatte, Truppen aufzustellen, Pferde und Ausrüstung zu beschaffen und an der Macht zu bleiben. Währenddessen ging der Reigen an Bällen und Vergnügungen in der belgischen Hauptstadt munter weiter und der Herzog von Wellington reihte sich bereitwillig in diesen ein.

In Love and War - Geheimnis um FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt