Die Reiter der britischen Kavallerie trieben die französische Infanterie vor sich her wie Vieh. Die Franzosen versuchten sich hastig zu formieren, aber es war aussichtslos den riesigen Pferden und den langen Säbeln zu entkommen. Die rotberockten Reiter schlachteten sie ab, die Pferdehufe wirbelten Dreck auf und trampelten Soldaten nieder, Schmerzensschreie mischten sich mit Kampfgebrüll und wildem Pferdewiehern. Der Erfolg machte die Reiter leichtsinnig.
Richard beobachtete durch sein Fernrohr, wie sich die britischen Reiter mit ihren wildgewordenen, beißenden und ausschlagenden Pferden durch die aufgebrochenen französischen Kolonnen metzelten, die schon durch die gezielten Musketensalven in Unordnung geraten waren. Es war, als wollte die Kavallerie die Schlacht ganz allein gewinnen. Sie kämpften sich bis zu den Kanonen der Grande Batterie durch, die ihnen seit Beginn des Kampfes zugesetzt hatten. Die Reiter schlachteten Kanoniere ab, trennten die Sehnen der Pferde durch, so dass sie nicht mehr vor die Geschütze gespannt werden konnten und machten eine Reihe Kanonen unbrauchbar.
„Ohne jede Disziplin! Was zum Teufel machen die da?", stieß Richard aus und schob das Fernrohr mit einem heftigen Ruck zusammen. „Hören die denn ihre eigenen Signalhörner nicht? Es wird längst zum Sammeln geblasen!"
Helwick lieh sich das Fernrohr und zog es wieder auseinander. Mit konzentrierter Miene spähte er durch den Pulverdampf, der das Tal wie Nebel bedeckte. „Vollkommen außer Rand und Band", stimmte er seinem Freund zu. Er beobachtete die Reiter, die noch immer im Kampfrausch auf die Franzosen einhakten. Dann nahm er im Augenwinkel eine Bewegung wahr und machte einen Schwenk mit dem Fernrohr. Er stieß scharf die Luft aus. „Teufel, da kommen die Ulanen." Er sagte es mit einer gewissen Ehrfurcht in der Stimme, denn die französischen Ulanen mit ihren über zweieinhalb Meter langen Lanzen waren bei jedem Infanteristen gefürchtet. Allein der Anblick, wie sie in geordneter Formation antrabten und die Lanzen dann auf Kommando zum Angriff senkten, so dass die dreieckigen Wimpel lustig im Wind flatterten, war beängstigend. Ihnen folgten weitere französische Kavallerieeinheiten, bereit ihre Kameraden zu rächen.
Die britischen Reiter erkannten endlich die Gefahr, und versuchten auf ihre Seite des Tals zurückzukehren, aber ihre Pferde waren müde und stolperten im Matsch und der Weg war weit und ging bergan, während die Franzosen frische Pferde ritten. Offiziere versuchten, die Männer zu sammeln, aber es herrschte Chaos und das Gemetzel ging weiter, bloß, dass es jetzt die Briten waren, die unter Lanzen und Säbeln den Tod fanden. Die britische leichte Kavallerie wurde geschickt, den Rückzug zu decken, aber bloß ein erschreckend kleiner Teil schaffte es zurück hinter den Hügelkamm. Richard schätzte, dass es von den etwa 400 Reitern der Scots Greys, die vorhin zum Angriff durch seine Reihen geprescht waren, weniger als fünfzig zurückgeschafft hatten, viele Reiter und Pferde verletzt. Bei den anderen Einheiten, die an dem Angriff teilgenommen hatten, sah es nicht besser aus.
Nachdem die Kavallerie das Feld geräumt hatte, herrschte plötzlich so etwas wie Ruhe in dem Tal, in dem die Toten und Verwundeten lagen. Bloß deren Wehklagen drang deutlich bis zur Frontlinie. Einige Verletzte versuchten sich kriechend in Sicherheit zu bringen. Reiterlose, blutende Pferde irrten umher oder rupften zwischen den Toten Gras.
Eine Schlacht war eine seltsame Angelegenheit, dachte Richard So vieles passierte gleichzeitig, tausende Männer kämpften gegeneinander auf Leben und Tod, das Knattern der Musketensalven und der Lärm der Geschütze lagen in der Luft, und machten einen taub für alle anderen Geräusche, und der Qualm bedeckte alles wie ein Leichentuch, ließ die Augen tränen und reizte die Lungen. Geschichte wurde geschrieben, aber wenn man mittendrin steckte, dann beschränkte sich das alles auf das bisschen Boden auf dem man stand, das es galt gegen den Feind zu verteidigen. Der Pulverdampf, der alles einhüllte, machte es unmöglich, viel von dem Geschehen rechts und links von einem mitzubekommen. Richard hörte, dass der Kampf anderswo heftig tobte, sah aber nichts davon und hatte keine Ahnung, wie es stand.
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In Love and War - Geheimnis um Ferywood
FantasíaGeister, geheimnisvolle Mächte, eine alte Sage und das Schicksal... Samanthas Leben ist beschaulich und ihre Arbeit im Museum gefällt ihr. Doch dann verirrt sie sich im Wald von Ferywood und findet sich plötzlich im Jahr 1813 wieder. Dort trifft si...