Zurück

179 22 7
                                    

Park von Ferywood - 2014

„Sie werden wach!", hörte Samantha eine Stimme sagen, wie aus weiter Ferne. Sie war noch immer von undurchdringlicher Schwärze umgeben. Hinter ihren Schläfen pochte der Nachhall des Schmerzes, der sie das Bewusstsein hatte verlieren lassen, als sie durch die Steine geschritten war. Der Kopf tat so weh, dass sie nicht Denken konnte. Die Schwärze, die sie umgab, war angenehm. Hier brauchte sie nichts zu denken, nichts zu fühlen. So musste sich der Tod anfühlen - schwarz, still und friedlich. Wenn bloß diese nervige Stimme nicht wäre, die von irgendwoher zu ihr drang! Die pochenden Kopfschmerzen versuchte sie zu ignorieren und hielt die Augen geschlossen. Sie wollte nicht wachwerden. Es war viel angenehmer, hier im Dunkeln liegen zu bleiben. Aber diese eindringliche Stimme, sie gehörte einem Mann, ließ einfach nicht locker, so sehr sie auch versuchte, sie auszublenden.

„Können Sie mich hören? Samantha!"

Das besorgtes Drängen in der Stimme ging ihr gehörig auf die Nerven. Warum kannte dieser Jemand ihren Namen? Sie wollte ihre Ruhe haben. Wer war das überhaupt? Irgendwie kam ihr die Stimme bekannt vor.

„Samantha, wachen Sie auf!"

Samantha konnte nicht länger dagegen ankämpfen, wach zu werden, und zugegebenermaßen war sie neugierig zu sehen, wem die Stimme gehörte. Versuchsweise schlug sie ein Auge auf und dann das zweite. Sofort verschlimmerte sich der stechende Kopfschmerz, verstärkt durch das grelle Sonnenlicht, hinter ihren Augen. Sie wollte die Augen schnell wieder schließen, als sich ein Kopf in ihr Sichtfeld schob. Es war Lord Velton. Nicht Richard - natürlich nicht, sondern Philipp Latimer, der Lord Velton aus der Zukunft, der ehemalige Chef ihres Adoptivvaters.

Sie erkannte ihn sofort. Aber warum war er um diese Uhrzeit hier im Wald? Musste er nicht zur Arbeit in seiner Anwaltskanzlei? Aber vielleicht war gerade Wochenende. Samanthas hatte keine Ahnung, welcher Tag heute war, jegliches Zeitgefühl war ihr abhandengekommen. Philipp Latimer war älter als Richard, seine Statur war untersetzter und das Gesicht rundlicher, aber er hatte braunes Haar und die Augenfarbe, dieses tiefe Braun, hatte er definitiv von seinem Vorfahren geerbt. Langsam und vorsichtig stützte sie sich auf dem Ellbogen auf und sah sich um. Sie war auf der Lichtung, es war hell und die Sonne schien. Das Gras war noch feucht, die Feensteine glänzten nass vom Tau und harmlos in der Morgensonne. Es musste noch sehr früh sein. Sie hörte Vögel zwitschern und ein ungewohntes, brummendes Geräusch am Himmel, das sie nach einigen Augenblicken als das Geräusch eines Flugzeugs erkannte. Sie hatte vollkommen vergessen, dass sie sich hier bereits in der Einflugschneise nach London Heathrow befanden. Denken tat weh. Mit einem schmerzhaften Aufstöhnen kniff sie die Augen zusammen und ließ sich zurück ins weiche Gras sinken. „Mein Kopf", murmelte sie und legte, in dem Versuch die aggressive Helligkeit auszuschließen, den Unterarm über die Augen. 

„Oh natürlich! Ich habe Aspirin. Kommen Sie, Samantha, setzten Sie sich auf."

Samantha nahm langsam den Arm vom Gesicht. Eine Frage begann sich in ihrem Kopf zu formen, aber ihr gemartertes Gehirn war noch zu langsam. Also gehorchte sie erst einmal, ließ sich aufhelfen, und steckte sich die zwei ihr dargebotenen weißen Tabletten in den Mund, und spülte mit reichlich Wasser aus einer kleinen Plastikflasche nach, die ihr Philipp Latimer offen hingehalten hatte.

„Ist Ihnen kalt?", fragte Lord Velton besorgt und musterte sie dabei aufmerksam. Vermutlich fragte er sich, ob er einen Krankenwagen rufen sollte.

Samantha nickte und er griff hinter sich und zog eine graue Wolldecke hervor, die er ihr um die Schultern legte. Die Wärme tat gut und mit der Decke um die Schultern ließ sie sich zurück ins Gras sinken. Wieder begann sich die Frage in Samanthas Kopf zu bilden, aber ihr Kopf tat einfach zu weh. Sie schloss erneut die Augen und versuchte, an nichts zu denken.

In Love and War - Geheimnis um FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt