"Guten Morgen, Captain Helwick", sagte Samantha, als sie an dem Morgen nach dem Unwetter das Frühstückszimmer betrat und den Captain allein antraf, mit einem ausgiebigen Frühstück beschäftigt.
"Guten Morgen, Miss Stevens. Nehmen Sie von der Zunge?", fragte er freundlich und erhob sich höflich von seinem Platz.
"Danke, ich nehme Brot und Marmelade", erklärte sie, mit gerunzelter Stirn besagte Delikatesse betrachtend, und goss sich eine Tasse Kaffee ein. "Wo ist Seine Lordschaft?"
"Latimer ist seit Stunden auf", erklärte er und nahm sich selbst eine dicke Scheibe von der gepökelten Rinderzunge, die zusammen mit den anderen Speisen auf dem Tisch stand. Samantha erschauderte bei dem Anblick.
"Er will die Schäden begutachten, die das Unwetter angerichtet hat", fuhr Helwick zwischen zwei Bissen fort.
"Schläft er denn niemals?", wunderte sie sich.
Lord Velton und sie hatten gestern mit den Kindern bei den Felsen ausgeharrt, bis sich das Gewitter endlich verzogen und der Wind ein wenig nachgelassen hatte. Dann hatten sie die verängstigten Mädchen unversehrt, und zu Hettas grenzenloser Erleichterung, ins Haus gebracht. Nachdem die Kinder mit einer heißen Milch ins Bett gebracht worden waren, war sie selbst vollkommen erledigt und durchgefroren ins Bett gefallen, aber sie hatte dennoch unruhig geschlafen, weil ihr die Furcht und die Sorge noch nachgegangen waren. Dafür war sie am Morgen kaum aus dem Bett gekommen. Sie staunte, wie robust Seine Lordschaft offensichtlich war.
"Wir alten Soldaten kommen mit wenig Schlaf aus", bemerkte Helwick und schob ihr das Töpfchen mit Marmelade hin. "Ich kann nicht fassen, dass Sie bei dem Unwetter da draußen waren."
Samantha sah von der Scheibe Brot auf, die sie sich gerade mit Butter bestrich. "Was ist denn daran so erstaunlich? Die Kinder waren allein da draußen."
"Sie hätten es Latimer, mir und den Dienern überlassen sollen, die Kinder zu suchen. Es war viel zu gefährlich für Sie da draußen."
"Etwa weil ich eine Frau bin? Was hat denn das damit zu tun? Es war für einen Mann da draußen nicht weniger gefährlich als für mich", empörte sich Samantha und traktierte dabei ihr Brot mit dem Buttermesser.
"Um genau zu sein, wollte ich sie ins Haus zurückschicken", bemerkte eine wohlvertraute tiefe Stimme von der Tür her, "aber versuche einmal, Miss Stevens zu etwas zu überreden, wozu sie keine Lust hat."
Richard trat ein und schloss die Tür hinter sich, die zuvor nur angelehnt gewesen war, so dass er die Unterhaltung schon von der Halle her mit angehört haben musste. Er trug Reitkleidung und seinen Stiefeln sah man an, dass er bereits einen beträchtlichen Teil des Morgens draußen verbracht hatte.
"Oh, das kann ich mir vorstellen!", sagte Helwick, den Samanthas Ausbruch eher belustigt hatte.
Richard umrundete den Tisch, wechselte einen amüsierten Blick mit Helwick und sah Samantha forschend an. "Haben Sie gut geschlafen, Miss Stevens?"
"Um ehrlich zu sein, nicht besonders gut."
"Das ist verständlich."
"Sie sehen aber auch nicht aus, als hätten Sie eine besonders ruhige Nacht verbracht."
Ein schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Das ist wahr. Es ließ mir keine Ruhe, welche Schäden das Unwetter angerichtet haben mochte, und so bin ich sehr früh aufgestanden. Meine Sorge war nicht unberechtigt, leider. Ehe ich morgen nach London reise ist och viel zu tun."
"Aber für eine Tasse Kaffee haben Sie sicherlich Zeit."
"Eine Tasse Kaffee werde ich mir wohl genehmigen können." Er ließ sich neben Helwick, Samantha gegenüber am Tisch nieder.
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In Love and War - Geheimnis um Ferywood
FantasyGeister, geheimnisvolle Mächte, eine alte Sage und das Schicksal... Samanthas Leben ist beschaulich und ihre Arbeit im Museum gefällt ihr. Doch dann verirrt sie sich im Wald von Ferywood und findet sich plötzlich im Jahr 1813 wieder. Dort trifft si...