„Herzlich Willkommen zu unserem Tanzabend in Ferywood Manor!", verkündete Lord Velton, gekleidet in enge cremefarbene Kniebundhosen, eine primelgelbe Weste und einen schwarzen Rock. Obwohl er noch vor zwei Jahren dem Regencyball skeptisch gegenübergestanden und das ganze nur seiner Frau zuliebe veranstaltet hatte, ging er jetzt als Hausherr und Gastgeber in seiner Rolle vollkommen auf. Samantha schmunzelte, als sie seine ausholenden Gesten sah, aber er war charmant und den Gästen gefiel sein Gehabe.
Samantha tauschte mit Robin einen Blick und ein Lächeln, während Lord Velton seine Begrüßungsrede fortsetzte. Robin stand nicht weit von ihr entfernt und wartete darauf, dass der Eröffnungstanz begann. Sein dunkelblauer Rock mit den silbernen Knöpfen, von denen Samantha noch vor ungefähr zehn Minuten zwei hatte annähen müssen, obwohl sie eigentlich dem Servicepersonal die letzten Anweisungen hätte geben sollen, saß perfekt. Sein Haar hatte er gekonnt im Stil à la Brutus gebürstet und auf den Faltenwurf seines Halstuchs wäre so mancher Dandy neidisch gewesen. Nicht alle Gäste gaben sich solche Mühe mit der Kostümierung. Samantha sah um sich herum Polyester, Reißverschlüsse und hochhakige Schuhe. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass solche Veranstaltungen, trotz ihrer Bemühungen, alles so echt wie möglich aussehen zu lassen, nur ein billiger Abklatsch der Bälle und Gesellschaften sein konnten, die sie in der Vergangenheit besucht hatte. Es waren nicht nur die Kleider, es war der Duft der Wachskerzen, die Parfüms der Damen, das Rascheln der Seidenstoffe und des Musselins, dessen Art der Herstellung längst in Vergessenheit geraten war, die geschliffenen Manieren der Gentleman, die formvollendete Grazie der Damen, die den Unterschied ausmachten. Das alles gab es heute nicht mehr, oder wirkte unnatürlich und aufgesetzt, wie die unbeholfenen Knickse, die um sie herum unter Kichern vollführt wurden. In solchen Momenten bekam sie immer ein bisschen Heimweh nach der Vergangenheit. Nachdenklich betrachtete sie den Fächer in ihrer behandschuhten Hand und bekam gar nicht mit, dass Philipp Latimer seine Rede beendet hatte.
„Es geht los." Robin war neben sie getreten und nahm sie bei der Hand. Samantha nickte und folgte ihm zur Tanzfläche, weil sie ihm aus einer gutmütigen Laune heraus den ersten Tanz versprochen hatte. Ohne jede Nervosität ging sie in Position und vollführte einen eleganten Knicks, während sich Robin verneigte. Sie brauchte beim Tanzen nicht über die Schritte nachdenken, sie hatte jede Bewegung und jede Figur verinnerlicht und konnte ihre Gedanken schweifen lassen. Als der Tanz in die letzte Figur überging nahm Samantha aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung bei der Terrasse wahr, deren Flügeltüren, in dem Versuch frische Luft hereinzulassen, aber die Februarkälte draußen zu lassen, einen Spaltbreit geöffnet waren. Sie vermutete, dass jemand zum Rauchen draußen war und dachte nicht mehr daran.
„Du bist mit Abstand die beste Tänzerin heute", stellte Robin fest, als die Musik aufhörte und die Tänzer für den nächsten Tanz Platz machten.
„Nur heute?", konnte sie sich nicht verkneifen zu antworten und erntete das Grinsen, das sie herausgefordert hatte. Anschließend ließ er sie kurz allein und besorgte zwei Becher Punsch.
„Auf den Tanzabend", sagte er feierlich, als sie anstießen. „Ich finde, wir haben es gut hinbekommen."
„Ja, wir sind ein gutes Team."
Er schien sich über ihre Bemerkung zu freuen und beim Trinken verhakten sich ihre Blicke ineinander. Samantha stand mit dem Rücken zur Tanzfläche und bekam nicht mit, dass sich eine Gruppe von vier oder fünf Personen näherte, die sich mit Ellbogen und allgemeiner Rücksichtslosigkeit einen Weg zum Buffett an der Stirnseite des Saals bahnte. Ehe sie einen Ellbogen ins Gesicht bekam, legte ihr Robin, der die Gruppe hatte nahen sehen, den Arm um die Schulter und zog sie näher zu sich. Samantha gab einen überraschten Laut von sich und bemühte sich, ihren Punsch nicht zu verschütten. Vorsorglich stellte sie das Glas auf dem Fensterbrett ab.
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In Love and War - Geheimnis um Ferywood
FantasyGeister, geheimnisvolle Mächte, eine alte Sage und das Schicksal... Samanthas Leben ist beschaulich und ihre Arbeit im Museum gefällt ihr. Doch dann verirrt sie sich im Wald von Ferywood und findet sich plötzlich im Jahr 1813 wieder. Dort trifft si...