Im Krieg und in der Liebe...

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17. Juni 1815

Die Sonne war noch nicht richtig aufgegangen, über Nacht waren Wolken aufgezogen und es war ungewöhnlich kühl für diese Jahreszeit, nachdem der gestrige Tag brütend heiß gewesen war. Die Sonne hatte am Vortag erbarmungslos auf die unschuldigen Roggenfelder um die Kreuzung von Quatre-Bras geschienen, die später am Tag zu einem blutigen Schlachtfeld geworden waren. Noch immer lagen die Toten dort im niedergetrampelten und blutgetränkten Getreide und Verwundete warteten, dort wo sie gestürzt waren, auf Hilfe, die vielleicht zu spät kommen würde. Aber obwohl die Franzosen sie auf dem falschen Fuß erwischt hatten, weil Wellington Napoleons Pläne zunächst falsch eingeschätzt hatte, hatten die Franzosen die wichtige Kreuzung nicht einnehmen können, sondern hatten sich nach einem langen harten Kampf zurückgezogen. Richard wusste, dass sie Glück gehabt hatten. Hätte Marschall Ney, der von Napoleon den Befehl erhalten hatte, die Kreuzung einzunehmen, früher angegriffen, bevor die Truppen aus Brüssel angekommen waren, oder wäre die britische Verstärkung mit neuer Munition später am Abend eingetroffen, hätte es gut sein können, dass sie eine Niederlage erlitten hätten. Richard wollte gar nicht daran denken, wie knapp es gewesen war, denn das brachte ihn auf den Gedanken, wie es Samantha, Hetta und den Kindern wohl in der Stadt ergehen mochte. Um Hetta machte er sich weniger Sorgen, sie ließ sich nicht so leicht durch wilde Gerüchte in Panik versetzen, aber Samantha hatte eine solche Situation noch nie erlebt und sie war so empfindsam wie sie starrköpfig sein konnte. Er hoffte, dass Colonel Canning, der mit einer Nachricht nach Brüssel geschickt worden war, ihm den Gefallen getan hatte und Samantha und Hetta gesagt hatte, dass es ihm gut ging.

„Tee?" Captain Helwick trat auf ihn zu, zwei dampfende Becher in der Hand. Er sah müde, blass und schmutzig aus und Richard wusste, dass er keinen besseren Anblick bot. Immerhin waren sie beide unverletzt, nur Richards Uniformärmel hatte einen Riss.

„Danke", antwortete Richard und griff nach dem Becher. Er verbrannte sich die Zunge, aber der Tee tat gut. „Ich hätte sie sofort nach Antwerpen schicken sollten", sagte er düster.

Helwick hob den Blick und wusste sofort, von wem sein Freund sprach. „Heute werden die Franzosen jedenfalls nicht bis nach Brüssel vordringen, denn diese Kreuzung gehört noch immer uns", sagte er mit einer umfassenden Geste. „Aber es heißt, dass die Preußen gestern von Napoleon persönlich bei Ligny angegriffen wurden."

„Hast du auch gehört, wie es ausgegangen ist?"

„Es heißt, die Preußen wären zurückgedrängt worden, aber das kann alles und nichts bedeuten."

Richard stieß ein trockenes Lachen aus. „Wenn das wahr ist, bringt uns diese Kreuzung hier nicht viel. Ligny liegt ebenso an einer der wichtigen Straßen in Richtung Brüssel." Richard nahm noch einen Schluck von dem bitteren Tee, der schnell abkühlte. Ein Rückzug war noch keine Niederlage, aber falls die Preußen besiegt waren und sich nach Osten in Richtung Heimat zurückzogen, wäre Wellingtons Armee ohne die Preußischen Verbündeten zu klein, um es alleine mit Napoleon aufnehmen zu können. 

Es hätte ein malerischer Morgen sein können, wenn im Hintergrund nicht das Elend der Verwundeten zu sehen und zu hören gewesen wäre. Kavalleristen halfen dabei, Verwundete zu bergen, indem sie die, die noch sitzen konnten, auf ihre Pferde hoben, andere wurden auf Decken vom Feld getragen. Glück hatte der, der noch in der Lage war, sich selbst vom Schlachtfeld zu schleppen. Richard beobachtete über seinen Becher hinweg einige Männer, die Freunde oder Familienangehörige suchten. Ein paar durchsuchten Taschen und Tornister gefallener Franzosen nach Essbarem und Wertgegenständen. Richard schluckte, als ein junger toter Lieutenant vorbeigetragen wurde, den er am Vorabend noch auf dem Ball der Herzogin von Richmond hatte tanzen sehen. Der Tote trug noch immer Tanzschuhe und Seidenstrümpfe, weil er vom Ball direkt hierher geeilt war. Richard versuchte sich an den Namen des jungen Mannes zu erinnern, aber er wollte ihm nicht einfallen.

In Love and War - Geheimnis um FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt