NEUNUNDFÜNFZIG

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Die restlichen freien Tage verliefen alles in allem recht ruhig. Ich hatte zwar mehr Zeit bei Elias als bei mir zu Hause verbracht, was aber weder ihn oder mich sonderlich störte.

Silvester hatten wir gemeinsam mit Symon, Alice und Mia verbracht. Zum einen weil ich Mia ja versprochen hatte, dass sie Percy mal wieder sehen durfte und auch einfach weil man von Elias Wohnung aus einen wahnsinnig tollen Blick auf die Feuerwerke in der Umgebung hatte. Es war einfach herrlich im warmen zu stehen mit einer Tasse Kakao in den Fingern und den funkelnden Himmel draußen zu beobachten.

Leider waren die Tage zwischen den Jahren mal wieder viel zu schnell vorbei und ich betrat an einem kalten Morgen wieder das große Bürogebäude.

„Morgen Anna", grüßte ich meine Freundin hinter der Empfangstheke und rieb mir dabei die Hände aneinander, die von der Kälte schon fast taub geworden waren.

„Morgen Malin", lächelte Anna zurück. „Na gut ins neue Jahr gekommen?"

„Ja schon. Hab unter anderem mit meiner kleinen Nichte gefeiert. War also keine wilde Party."

„Das hätte ich bei dir auch nicht anders erwartet."

„Du hast groß rein gefeiert, oder?"

„Ich war im 'On top' bei der großen Silvesterparty dabei. Eigentlich kommt man da ja nur rein , wenn man schon ein Jahr davor Karten hat, aber ein Kumpel von mir hat irgendwie spontan noch Karten ergattern könne. Vitamin B ist eben doch sehr wichtig in der Welt."

„Da hast du allerdings recht. So jetzt muss ich aber mal hoch ins Büro, die Mails beantworten sich leider nicht von allein. Sehen wir uns nachher beim Mittagessen."

„Na klaro. Also dann bis später." Oben angekommen musste ich erstmal mein Büro lüften. Das hatte wohl seit kurz vor Weihnachten keiner mehr gemacht, denn die Luft darin stand förmlich.

Um nicht in dem nun kühler werdendem Raum zu bleiben und auch weil es irgendwie zur Routine geworden war, führte mein nächster Weg mich in die Küche, um mir einen Kaffee zu holen.

Zurück in meinem Büro wollte ich dann eigentlich mein Fenster wieder schließen, doch das hatte schon jemand für mich übernommen. „Die Kälte ist bis zu mir rüber gezogen", meinte Elias der noch in meinem Büro stand. „Bist du in zwei Tagen zu einem Pinguin mutiert, oder was?"

„Nein, du Flasche. Ich wollte nur etwas frische Luft", gab ich im selben neckenden Tonfall zurück. „Dann ist ja gut Pandabärchen, sonst müsste ich ja deinen Spitznamen ändern und mir gefällt der jetzige irgendwie ganz gut."

„Mir auch, auch wenn ich ihn am Anfang eher nicht so leiden konnte", musst ich etwas widerwillig zugeben. „Aber ich fiere gerade trotzdem wie ein Pinguin."

„Na dann komm her du Eiszapfen", lächelnd breitete Elias seine Arme aus und ich ließ mich nur zu gern in eine Umarmung ziehen. „Besser?"

„Fast", gab ich als Antworte, ehe ich mich etwas von ihm löste, um ihn küssen zu können. Sofort wurde mir nicht nur durch die Umarmung von außen, sondern auch durch den, vielleicht etwas zu leidenschaftlichen, Kuss von innen warm. Mein Körper reagierte immer noch genauso heftig auf Elias Berührungen wie bei unserem ersten Kuss und ich hoffte, dass genau dieses Gefühl nie verschwinden würde.

„Jetzt ist es besser", gab ich grinsend zu, als wir uns wieder von einander lösten.

„Hmm, ich weiß ja nicht", gab Elias spielerisch zu bedenken. „Ich glaube mir ist immer noch etwas kalt."

„Elende Pfandflasche du", musste ich kichern. „Wenn das so weiter geht komm ich heute nicht mehr zum Arbeiten."

„Och", wank Elias ab. „Es gibt Schlimmeres."

„Und ich hab dich für einen guten Chef gehalten, pff", gespielt empört löste ich mich von ihm und warf meine Harre in einer fließenden Bewegung über meine Schulter. „Ein guter Chef hält seine Mitarbeiter doch nicht vom Arbeiten ab."

„Ich geh ja schon, ich geh ja schon", lachend zog Elias sich aus meinem Büro zurück.

„Viel Spaß beim Arbeiten", rief ich ihm noch halblaut hinterher.

„Den kann ich gebrauchen", kam die gerufene Antworte aus dem Flur. Kopfschüttelnd setze ich mich an meinen Computer und begann die Mails der letzten Wochen ab zu arbeiten.

Ein entspannter erster Arbeitstag nach dem Weihnachtsurlaub. Dachte ich zumindest bis ich beim Mittagessen wieder auf Anna traf, welche mich wohl schon sehnsüchtig erwartet hatte.

„Da bist du ja endlich", Anna rutschte etwas unruhig auf ihrem Platz hin und her.

„Sorry, ich wollte noch die eine Mail fertig schreiben", entschuldigte ich mich, auch wenn ich es etwas übertrieben fand, dass sie sich wegen der paar Minuten so aufregte. „Was ist denn los, dass du so ... eben so bist."

„Mir ist da etwas interessantes zu Ohren gekommen", meinte Anna wie aus der Pistole geschossen.

„Aha und was?", mittlerweile hätte ich es mir ja denken können, dass wieder so ein Thema kam, weshalb ich ungerührt einen Schuck aus meinem Wasserglas nahm.

„Naja zum Beispiel, dass eine gewisse, mir sehr bekannte Angestellte dabei gesehen wurde wie sie ihren Chef in ihrem Büro leidenschaftlich geküsst hat", kaum hatten Annas Worte ihren Mund verlassen, verschluckte ich mich an meinem Wasser und bekam einen heftigen Hustenanfall.

„Bitte was?", brachte ich mit kratziger Stimme hervor, als ich endlich wieder Luft bekam.

„Du wurdest dabei gesehen, wie du mit Herr Thalbach rumgeknutscht hast", verdeutlichte Anna ihre Worte. „Möchtest du vielleicht irgendetwas dazu sagen?"

„Ich wusste nicht, dass uns jemand gesehen hat", gestand ich mit einem etwas zerknirschtem Gesichtsausdruck. „Ich dachte wir wären noch allein in unseren Büroräumen gewesen."

„Anscheinend ja nicht", stellte Anna überflüssigerweise fest. „Aber jetzt mal ernsthaft Malin. Du und dein Chef?"

„Ja, irgendwie schon", gab ich leise zu.

„Seit wann denn überhaupt?"

„Seit der Norwegenreise, in meinem letzten Urlaub."

„Ich glaub es ja nicht. Warum hast du mir denn nie etwas davon erzählt?"

„Du weißt doch was letztes Mal passiert ist, als so ein Gerückt über uns herum ging. Und jetzt ist auch noch etwas Wahres dran. Das könnten Einige mal wieder in den falschen Hals bekommen. Sei mir bitte nicht böse Anna, aber du bist nun mal ein kleines Plappermaul, das wollte ich einfach nicht riskieren."

„Du hast ja recht", räumte Anna ein.

„Du bist mir also nicht böse?", fragte ich sicherheitshalber nach.

„Vielleicht nur so ein kleinen bisschen", gab Anna zu. „Und irgendwie kann ich dich ja verstehe. Aber wie du siehst konntet ihr zwei das auch nicht ewig geheim halten."

„Das war auch nie wirklich der Plan. Wir wollten es eben nur nicht an die große Glocke hängen", versuchte ich zu erklären.

„Verständlich", meinte Anna nickend. „Der Chef und seine Angestellte, das wird einiges an Gesprächsstoff bieten."

„Dabei kennen Elias und ich uns ja schon von früher und außerdem hat er mich ja nicht mal an gestellt. Das war sein ehemaliger Stellvertreter. Aber ich glaube das wird trotzdem ganz schön die Runde machen", seufzend massierte ich mir den Nacken.

„Wenn es dir etwas hilft, verspreche ich dir hiermit, bei diesem Thema die Klappe zu halten", schlug Anna vor. „Auch wenn es mir sehr schwer fallen wird."

„Das würdest du wirklich tun?", ich konnte nicht anders als sie mit großen Augen an zu starren.

„Man muss ja auch mal Opfer für seine Mittagesessens Freundin bringen", gab Anna überaus dramatisch von sich, was mich direkt wieder zum lächeln brachte. „Aber für dieses Opfer möchte ich die ganze Geschichte hören."

„Ich glaube das kann ich verkraften", willigte ich ein und verbrachte meine restliche Mittagspause damit Anna alles zu erzählen. Und ich war mir sicher, dass sie es nie mit Absicht an Dritte weiter geben würde.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt