SECHSUNDVIERZIG

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Ich wusste nicht genau, wie er es schaffte. Doch Elias hatte uns in dieser Nacht tatsächlich von Dänemark nach Norwegen in die Nähe unseres Hotels befördert. Ich war, wie schon in der Nacht davor, immer mal wieder weggenickt. Aber da wir uns mittlerweile auf ein Hörbuch einigen konnten war es nicht allzu schlimm, da Elias ja quasi irgendwie Unterhaltung hatte. Nur ich bekam leider nicht viel von dem Inhalt des Buches mit.

Gerade hatte sich der Protagonist noch mit seiner Freundin ein Musical angesehen und als mir jetzt sanft die Haare aus dem Gesicht gestrichen wurde hörte ich den Sprecher im Hintergrund etwas über Kommunikationsprobleme bei einem Date reden.

„Oh gut, du bist wach", hörte ich nun auch Elias Stimme, die mich dazu bracht die Augen vollständig zu öffnen.

„Ist irgendwas passiert?", nuschelte ich noch etwas schlaftrunken vor mich hin.

„Nein", beruhigte Elias mich sofort. „Wir sind aber gleich da, deshalb hab ich dich lieber schon mal aufgeweckt."

„Uhh schon?", verwundert schaute ich mich um. Hatte ich tatsächliche so lang geschlafen? Draußen war es zwar noch Dunkel, aber das bedeutete nicht allzu viel. Es hätte Vier Uhr oder auch schon halb Acht sein können. Hier oben im Norden wurde es um diese Jahreszeit herum generell recht späte hell.

„Warum eigentlich Norwegen?", fragte ich in eine Sprechpause des Hörbuch-Sprechers hinein.

Elias dreht mit einer Hand die Lautstärke herunter und grinste mich dann kurz von der Seite an. „Genau das hab ich dich vor etwas mehr als drei Jahren auch gefragt", bemerkte er.

„Stimmt und ich hatte damals eine halbwegs plausible Antwort. Also, warum Norwegen?"

„Eigentlich müsstest du es wissen."

„Müsste ich das?"

„Ja, immerhin war es dein Vorschlag."

„Hä, wie meinst du das denn jetzt?"

„Na, als wir das letzte Mal in diesem Land waren meintest du doch, dass du wieder herkommen möchtest, um die Nordlichter zu sehen."

Stimmt, so etwas hatte ich damals tatsächlich gesagt. Verrückt, dass Elias sich noch daran erinnerte, wenn nicht mal ich das wirklich tat. Und ich hatte den Wunsch ja immerhin geäußert.

„Bei meinen Überlegungen, wo wir denn hin reisen könnten kam mir eben dieser Satz wieder in den Kopf. Und da dachte ich: Warum eigentlich nicht? Die Jahreszeit passt und auf einen Versuch kommt es auf jeden Fall mal an."

„Wow, ich bin gerade echt begeistert, dass du dir dass noch gemerkt hast."

„Oh, ich hab mir noch mehr von unseren Gesprächen damals gemerkt", meinte Elias und seine Stimme hatte einen scherzenden Unterton.

„Was meinst du?", fragte ich leicht irritiert zurück. Was hatte ich damals peinliches vom Stapel gelassen, in dem Glauben den Mann der mit mir diesen Road-Trip gemachte hatte nie wieder zu sehen.

„Ach zu Beispiel die Lebensweisheit von deinem Opa." „Welche Lebens ... oh das", fiel es mir wieder ein und sofort ließ ich mal wieder rot an.

Dabei war es ja gar nicht ich wegessen, die diesen Schwachsinn gesagt hatte. Ich hatte Elias ja nur erzählt was mir mein Opa irgendwann mal geraten hatte. Aber irgendwie hatte ich diesen Rat doch etwas befolgt. Immerhin hatte ich mir mehr oder weniger einen reichen Typen geangelt, der mir jetzt schon das zweite Mal den Urlaub in Norwegen finanzierte.

Ich hatte mir Elias geangelt? Wo kann denn dieser Gedanke auf einmal her?

„Du hast damals aber auch interessante Sachen von dir gegeben", griff ich schnell das eigentliche Thema auf, um nicht weiter in meinen eigenen Gedanken fest zu hängen. „Zum Beispiel, dass du eigentlich nicht Chef einer Firma werden wolltest."

„Stimmt, das wollte ich wirklich nicht", fiel es Elias wieder ein. „Aber dann wurde mir ja mit einer Enterbung gedroht und zack waren wir auf dem Rückweg, damit ich den Chef-Sessel erklimmen konnte."

„Das war doch alles in der Nacht, in der du vergessen hast zu tanken und wir dann irgendwo im Nirgendwo gestrandet sind", bei der Erinnerung an diese Nacht musste ich lächeln.

Elias und ich hatten keinen Sprit mehr und beim warten auf jemanden, der uns zur nächsten Tanke fahren konnte hatten wir uns einfach mit einer Picknickdecke ins Gras gelegt, die Sterne betrachtet und waren von einem Thema ins andere gerutscht.

„Seit diesem Tag hab ich immer die Tankleiste im Blick", lachte Elias auf und steuerte auf ein Parkhaus zu. „Da hatten wir deutlich mehr Glück als Versand, dass jemand vorbei gekommen ist, der dann auch noch Sprit dabei hatte. Und dieses Glück wollte ich nicht nochmal heraus fordern."

„Verständlich", stimmte ich zu und schnallte mich ab, als Elias das Auto komplett zum Stehen gebracht hatte.

Kurze Zeit später standen wir auch schon an der Rezeption des Hotels und Elias musste wohl irgendein Problem klären. Ich machte mir gar nicht erst die Mühe der Unterhaltung zu folgen, da ich schon wieder kurz vorm Einschlafen war. Diese zwei Tage Fahrt hatten meinen Schlafrhythmus definitiv komplett über den Haufen geworfen.

„Malin, ich hatte doch erwähnt, dass das Hotel die Buchung verhauen hat, oder?", wandte sich Elias nach einiger Zeit an mich, die er damit verbracht hatte mit dem Rezeptionisten zu diskutieren.

„Ja, das hattest du erwähnt", stimmt ich zu und musste mir ein Gähnen verkneifen.

„Sie haben es immer noch nicht richtig auf die Reihe bekommen", gab Elias zerknirscht zu.

„Was genau ist des das Problem, haben wir etwas keine Zimmer bekommen?", fragte ich nach und versuchte mein müdes Gehirn irgendwie wieder arbeitsfähig zu bekommen, um wenigstens etwas hilfreich zu sein.

„Naja, mehr oder weniger", gestand Elias. „Wir haben anstatt zwei Einzelzimmern ein Doppelzimmern."

„Hä? Und wo liegt jetzt das Problem?", also entweder war mein Hirn wirklich noch nicht ganz wach, oder hier lag tatsächlich kein Problem vor.

„Wir müssten uns also ein Bett teilen", erklärte Elias weiter.

„Na und? Also mal ehrlich, da sehe ich das geringste Problem", gab ich immer noch leicht verwirrt von mir. „Das haben wir nun wirklich schon oft genug gemacht."

„Für dich ist das also wirklich okay?", fragte Elias nochmal nach, woraufhin er von mir nur ein Augenrollen bekam.

Was war denn auf einmal los mit ihm. Er hatte doch sonst keine Probleme mit mir in einem Bett zu schlafen. Oder wurmte ihn die Sache von Wochenende etwa doch mehr als er zugeben wollte? Immerhin hatte er mich deswegen angeschrien.

Aber da mein Gehirn schon wieder fast im Schlafmodus war, konnte ich nicht wirklich einen qualitativen Gedanken zu diesen Thema fassen. Das verschob ich einfach auf später. Immerhin hatte ich ja jetzt genug Zeit mich mit Elias aus zu sprechen.

Zum Glück hatten wir mittlerweile den Zimmerschlüssel bekommen, so dass ich mich recht schnell unter einer Decke zusammen kuschen und nochmal eine Runde schlafen konnte.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt