SECHSZEHN

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„Du wirst es mir nicht glauben", Anna lehnte sich aufgeregt über den Empfangsschalter zu mir.

„Tut mir leid, du musst es mir nachher erzählen. Ich bin spät dran", mit diesen Worten hastete ich an ihr vorbei.

Ich hatte die Mail erst heute Morgen gelesen aber anscheinend gab es jetzt ein wichtiges Meeting mit ein paar Kooperationspartnern. Zu dem ich zum Glück gerade noch pünktlich kam.

Auch wenn Herr Walter mir einen finsteren Blick zuwarf, als ich mich etwas atemlos neben Elias setzte. Dieser lächelte mich nur kurz an und begann dann das Meeting.

Mit einem noch etwas rauchenden Kopf setzte ich mich gute vier Stunden später mit meinem Essen zu Anna an den Tisch. Diese ganze Meeting Sache war noch ziemlich neu für mich. Außerdem fühlte ich mich etwas überfordert damit. Eigentlich sollte ich mich doch nur um die Buchhaltung kümmern.

„Also, was wolltest du mir jetzt erzählen?", fragte ich an Anna gewandt.

„Du weißt doch dieses Gerücht wegen einer Beziehung zwischen einer Angestellten und ihrem Chef."

„Ja, was ist damit?"

„Ich weiß jetzt um wen es geht. Angeblich wurden sie zwei sogar schon mal dabei erwischt wie sie kurz davor war ihm einen zu blasen. Mitten im Büro", Anna warf mir einen vielsagenden Blick zu.

„Schön und gut, aber um wen handelt es sich?"

„Um", Anna legte eine dramatische Pause ein. „Dich und deinen Chef. Angeblich hast du mit ihm geschlafen um diesen Job hier zu bekommen und jetzt seist du seine kleine Büroaffäre."

„Wie bitte?", ich verschluckte mich fast an meinem Essen. „Wer erzählt den so einen Mist?"

„Das würde mich aber auch interessieren", Elias war hinter mir aufgetaucht und schaute Anna erwartungsvoll an.

„Man hört eben so Gerüchte", meinte diese schulterzuckend.

„Gerüchte schön und gut, aber das ist doch wohl eher Rufschädigung", beschwerte ich mich und warf einen kurzen Seitenblick zu Elias.

„Wenn sowas an die Presse gelangt bin ich geliefert. Sohn des berühmten Großunternehmers Thalbach vögelt seine Angestellte. Das wäre ein gefundenes Fressen für diese Geier und auch für einen Vater."

„Ich kann mich ja mal für euch umhören", bot Anna an, die den ernst der Lage nun auch begriffen hatte.

„Danke", sagte Elias etwas matt und stand dann wieder auf. „Ich muss dann mal los."

„Der Arme", Anna schaute ihm etwas mitleidig nach. „Es trifft doch wirklich immer die falschen Leute mit solchen Gerüchten."

Das stimmte schon. Mich würde es wohl nicht so hart treffen, aber Elias konnte so ein Gerücht wirklich das Leben zerstören. Hoffentlich fanden wir bald heraus wer so etwas über uns in die Welt setzte.

Fieberhaft dachte ich nach. An jedem Gerücht war ein Fünkchen Wahrheit zu finden. Gab es eine Situation, die auf eine Affäre zwischen Elias und mir schließen ließ? Die Umarmung nach meiner Festanstellung? Nein, daraus konnte man doch nicht so eine Story spinnen. Und schon gar nicht, dass ich Elias einen geblasen hatte.

Dazu fiel mir tatsächlich nur eine Sache ein. Der Tag als ich Elias das erste Mal als meinen Chef kennen gelernt hatte. Als ich mich verbrüht hatte. Aber diese Situation hatte doch außer uns nur eine Person mitbekommen.

„Herr Walter", sprach ich meine Gedanken nun laut aus.

„Wie bitte?", fragte Anna verständnislos nach.

„Ach nichts", wank ich ab. „Mir ist gerade nur etwas eingefallen. Ich muss dann auch los. Bis später." Ich eilte direkt nach oben und klopfte an Elias Zugangstür im Treppenhaus.

„Herein", erklang es von innen. Mit Schwung öffnete ich die Tür und rannte Elias fast über den Haufen, da er gerade an dem Aktenregal neben der Tür stand.

„Na du hast es aber eilig", Elias hatte seine gewohnte Lässigkeit wieder gefunden und stoppte mich gerade noch so, bevor ich gegen seine Brust prallte.

„Sorry", nuschelte ich schnell. „Aber ich glaube ich weiß jetzt wer diese Gerüchte über uns verbreitet. Oder ich habe zumindest eine Vermutung, aber noch keine Beweise. Und eigentlich soll man ja keinen ohne Beweise etwas unterstellen. Aber es ist die einzige sinnvolle Erklärung. Außerdem ..."

„Hol mal Luft", unterbrach Elias mich lächelnd. „Wen hast du denn im Verdacht?"

„Herrn Walter", atmete ich ein. „Er ist der Einzige der uns nach der Verbrüh-Aktion in meinem Büro gesehen hat."

„Ja, dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen."

„Außerdem scheint er in letzter Zeit irgendwas gegen mich zu haben."

„Das hab ich auch schon bemerkt. Aber warum sollte Herr Walter so etwas verbreiten?"

„Ich weiß es nicht", gab ich ehrlich zu. „Naja, vielleicht findet Anna ja noch etwas raus. Ich mach mich dann mal wieder an die Arbeit. Nicht das uns noch mehr unterstellt wird."

„Das regelt sich schon wieder", beruhigte Elias mich. „Und das nächste Mal sollten diese Gerüchte doch bitte wahre Hintergründe haben."

„Hm?", verwirrt blieb ich stehen. Den letzten Satz hatte Elias gesagt, als ich eigentlich schon zur Tür raus war.

„Ach nichts", wank Elias ab und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt