PROLOG

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„Ich bin aufgeregt", nervös zupfte ich meine Bluse noch einmal zu Recht.

„Das packst du schon und jetzt los!", feuerte mein Bruder mich an und schupste mich dann regelrecht aus seinem Auto.

Okay, das schaffe ich schon, redete ich mir selbst Mut zu. Es war ja schließlich nicht mein erstes Vorstellungsgespräch, also warum war ich so aufgeregt?

„Sind sie Frau Böttcher?", wurde ich von der jungen Dame hinter dem Empfangstressen angesprochen, gleich nachdem ich das große Bürogebäude betreten hatte.

„Ja, die bin ich", bestätigte ich.

„Ihr Vorstellungsgespräch wurde in den Raum 324 verlegt", informierte mich die Frau, die laut ihrem Namensschild Anna Krause hieß. „Gehen sie einfach schon mal in den Raum. Herr Walter wird so schnell wie möglich bei ihnen sein."

„Dankeschön", lächelnd machte ich mich auf den Weg um den richtigen Raum zu finden.

Noch keine 5 Minuten saß ich in dem modernen Büro, da wurde auch schon die Tür geöffnet und ein etwas älterer Herr trat herein. „Guten Morgen, ich bin Herr Walter, der stellvertretende Geschäftsführer", stellte er sich vor. „Und sie müssen Malin Böttcher sein."

„Ja, so ist es", bestätigte ich erneut und erhob mich um ihm die Hand zu schütteln.

„Na dann wollen wir doch mal die Formulare durch gehen", mit einer Handbewegung deutete Herr Walter mir an, dass ich mich wieder setzen konnte. „Kommen wir doch gleich mal zu ihrem Lebenslauf. Sie haben erfolgreich ihr Fachabitur abgeschlossen, dann steht hier, dass sie ein FSJ gemacht haben und anschließend haben sie ihre Ausbildung als Bürokauffrau begonnen."

„Ja, genau."

„Moment, hier ist eine Lücke. Zwischen ihrem FSJ und dem Beginn ihrer Ausbildung fehlt ja fast ein halbes Jahr."

„Das war gewissermaßen eine Selbstfindungsphase", erklärte ich und das wohl ziemlich wage.

„Alkohol-, oder Drogenabsturz?", kam nämlich sofort die nächste Frage von Herr Walter.

„Natürlich nicht", lächelte ich ehrlich. „Es war eine Norwegenreise."

Mit anschließender Bedenk-Phase, wie es in meinem Leben weiter gehen soll. Erstaunlich, dass die Reise jetzt wirklich schon fast drei Jahre her war. Es kam mir vor als wäre es erst vor ein paar Wochen gewesen, als Elias mich am Bahnhof abgeliefert hatte.

„Interessant", murmelte Herr Walter und ries mich damit aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart.

Verdammt, reiß dich zusammen Malin, ermahnte ich mich selbst. Immerhin saß ich in einem wichtigen Vorstellungsgespräch, da konnte ich jetzt schlecht der gemeinsamen Zeit mit Elias hinterher trauern.

Also konzentrierte ich mich auf seine erklärenden Worte. Was die Ziele der Firma seien. In welchen Bereichen ich tätig werden würde. Und welche Aufgaben auf mich zukommen würden.

„Ich möchte ehrlich zu ihnen sein", begann Herr Walter mit ernster Miene. „Dieser Firmenzweig ist noch recht neu und wir können ihnen vorerst keine feste Stelle anbieten."

„Das ist mir durchaus bewusst. Immerhin stand es ja auch so in der Stellenbeschreibung."

„Ähm ja richtig. Haben sie noch irgendwelche Fragen ihrerseits?"

„Sie haben noch gar nicht erwähnt, was ich für Arbeitszeiten hätte."

„Recht normale Bürozeiten. Von 8 Uhr bis ca. 17 Uhr. Natürlich mit einer Mittagspause."

Da ich keine weiteren Fragen hatte blieb ich still. Was Herr Walter wohl als Zeichen sah, denn er stand auf und reichte mir die Hand. „Vielen Dank für ihre Zeit."

„Danke für die Einladung."

„Wir melden uns schnellst möglich bei ihnen."

Und da Herr Walter sich wieder setzte verließ ich das Büro. Ich wusste nicht, ob ich gute Chancen hatte, oder nicht.

„Schönen Tag noch", wünschte ich Anna Krause am Empfang und dem jungen Mann, der bei ihr stand und sich mit ihr unterhielt.

„Und wie war's?", wollte Symon wissen, der sein Auto geparkt und schon draußen auf mich gewartet hatte.

„Ich glaube es lief gut ... vielleicht."

„Wie vielleicht?"

„Du weißt doch, ich kann sowas nie wirklich einschätzen."

„Ach, du warst bestimmt gut", freudig legte mein Bruder seinen Arm über meine Schulter. „Und jetzt müssen wir los. Mia anholen."

„Das klingt nach einem guten Plan."

„Aber bitte verwöhn sie nicht schon wieder so."

„Aber sie ist meine Nichte. Ist sowas da nicht meine Pflicht als Tante?"

Dafür bekam ich nur einen warnenden Blick von Symon, bevor wir in die Tiefgarage gingen, in der er sein Auto abgestellt hatte.

Aber ich konnte wirklich fast nichts dafür, Mia war nun mal wahnsinnig niedlich.

Schade eigentlich, dass sie irgendwann gelernt hatte, was das Wort Mama wirklich bedeutete. Früher hatte sie fast jeden Mama oder Papa genannt. Aber kurz nach meiner Norwegenreise hatte sie diese Phase hinter sich gelassen ... leider.

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Das hier ist die Fortsetzung zu 'Lange Reise durch die Nacht'. Es ist nicht zwingend notwendig, aber vielleicht hilfreich auch den ersten Teil zu kennen.

A.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt