EINUNDFÜNFZIG

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Ich stand, noch sehr müde, unter meiner Dusche, als aus meinem Flur plötzlich ein fröhliches Kreischen zu hören war. Schnell wickelte ich ein großes Handtuch um mich, damit ich nachschauen konnte war gerade passiert war.

Im Flur angekommen bot sich mir ein interessantes Bild. Elias stand, noch in Schlafklamotten mit vollkommen verstrubelten Haaren und ohne Brille, verdattert vor meiner Eingangstür. Während in dieser Tür meine beste Freundin gerade einen Freudentanz aufführte.

„Ich wusste es. Ich wusste es. Ich wusste es", trällerte Becci unentwegt vor sich hin.

Das war es dann wohl mit dem gemütlichen ersten Büro Morgen nach dem Urlaub. Dieser Morgen würde alles andere werden, aber nicht gemütlich.

„Mein Bad steht dir zur Verfügung", raunte ich Elias leise zu. „Handtücher sind ganz oben im Schrank."

Dankbar drehte der Angesprochene sich zu mir um, gab mir einen Kuss auf die Stirn und verzog sich dann schnell in Richtung Nasszelle.

„Ich wusste es", rief Becci mir nun direkt entgegen. „Von wegen im Urlaub ist nichts zwischen uns gelaufen. Kaum einen Tag aus dem Urlaub zurück schon übernachtet er bei dir. Und diesen Kuss gerade habe ich auch nicht übersehen."

„Als wir im Urlaub telefoniert hatte, war auch wirklich noch nicht zwischen uns", versuchte ich mich halbherzig zu verteidigen. Für eine richtige Diskussion war ich einfach noch zu müde.

Mein Schlafrhythmus war durch unsere Heimfahrt mal wieder ziemlich durch einander gewürfelt worden. Und das Elias uns ich dann gestern, nachdem wir angekommen waren, noch bis spät in der Nacht auf meinem Sofa gesessen und geredet hatten steigerte mein Wachheitslevel auch nicht gerade. Da Percy noch bis heute versorgt wurde, war Elias nach unsere Ankunft einfach mit mir in meine Wohnung gekommen.

Irgendwann spät in der Nacht hatten wir es dann doch noch vom Sofa ins Bett geschafft. Und jetzt verfluchte ich mich dafür, dass ich Becci gestern Abend noch eine Nachricht geschrieben hatte, in welches stand, dass wir gut wieder zu Hause angekommen waren.

„Möchtest du nicht erstmal reinkommen", wandte ich mich wieder an meine beste Freundin, die sofort begeistert nickte.

„Na aber unbedingt", lautete ihre Antwort, als sie schon in meinem Flur stand und die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Du ziehst dich jetzt an, ich mach Kaffee für uns drei und dann will ich aber alles wissen. Hörst du ALLES."

„Ist ja gut", gab ich lachend nach und verzog mich in mein Schlafzimmer.

Kurze Zeit später hatten wir uns alle in meiner Küche versammelt. Elias und ich frisch geduscht und angezogen. Und jeder mit einer Tasse Kaffee vor sich.

„Hast du irgendwas zu deiner Verteidigung zu sagen", wandte Becci sich an Elias, der sie nur verständnislos anblickte.

„Für was muss ich mich denn rechtfertigen?", verwirrte blicke Elias kurz zu mir, aber ich konnte auch nur mit den Schultern zucken. Ich glaube nicht mal Rebecca selbst konnte immer sagen was genau in ihrem Kopf vorging. Wie sollte ich es dann können?

„Dafür, dass es mit euch beiden so lang gedauert hat."

„Ich hab eben den passenden Moment abgewartet."

„Ach und denn gab es in den fast zwei Urlaubswochen nicht schon vor den letzten zwei Tagen, oder wie?" Vollkommen überfordert atmete Elias aus und blickte mich schon fast flehentlich an, was mich allerdings nur zum Kichern brachte.

„Du hättest ja auch mal den ersten Schritt machen können", wandte meine beste Freundin sich nun an mich. „Es war ja kaum aus zu halten wie lang ihr beiden gebraucht habt."

„Aber schlussendlich haben wir es dann ja doch noch irgendwie auf die Reihe bekommen", gab ich zurück.

„Ja genau, irgendwie. Wie genau denn jetzt überhaupt?", interessiert beugte sich Becci über den Tisch näher zu uns. „Lag ich mit meiner Vermutung überhaupt richtig, dass es Elias war der die Initiative ergriffen hat?"

„Wenn du uns nicht direkt so sinnlose Anschuldigungen an den Kopf geworfen hättest hätten wir es dir bestimmt schon längst erzählt", souverän lächelnd lehnte Elias sich in seinem Stuhl zurück und ich konnte ihn einfach nur glücklich anlächeln.

Langsam verstand er also, wie man mit meiner besten Freundin umgehen musste.

„Pff", kam es von Becci, während ich mich kurz herüber lehnte und Elias einen Kuss auf die Lippen drückte.

„Erzählt ihr es mir jetzt endlich, oder soll ich euch doch lieber alleine lassen?", fragte sie schließlich nach.

„Willst du eine ehrliche Antwort auf diese Frage?", schoss ich grinsend zurück.

„Nein, ich will endlich die Geschichte hören. Also raus damit. Ich hab schließlich nicht den ganzen Tag zeit. Immerhin muss ich demnächst auch mal bei der Arbeit auftauchen. Denn ich bezweifle stark, dass mein Chef mein zu spät kommen nach einem kurzen Kuss einfach vergessen würde."

„He", beschwerte Elias sich gespeilt beleidigt, bevor sein Blick auf meine Küchenuhr fiel und er wie von der Tarantel gestochen aufsprang. Zum Glück war der Kaffee in seiner Tasse schon leer, sonst hätte ich glatt ein zweites Mal an diesem Tag geduscht. „Scheiße, ich muss los. Für das Meeting bin ich schon fast schon zu spät."

Noch während er sprach, war Elias in den Flur gerannt und hatte sich in Windeseile Schuhe und Jacke angezogen. Bevor er meine Wohnung fluchtartig verlassen konnte kam er nochmal kurz bei uns in der Küche vorbei um mir einen Abschiedskuss zu geben. „Bis später im Büro."

Glücklich lächelnd schaute ich noch eine Weile zur Wohnungstür, auch wenn Elias schon längst durch sie verschwunden war.

„Hallo, Erde an Malin, ich bin auch noch da", machte Becci wieder auf sich aufmerksam. „Bekomm ich heute noch meine Antworten, oder was? Elias kannst auch nachher noch anschmachten."

„Du bist ein elender Quälgeist", seufzte ich auf, wandte mich dann aber doch wieder zu ihr.

„Also, er hat dich zuerst geküsst. Stimmt's oder hab ich recht?"

„Du hast recht", gab ich noch einen unnötig langen Kunstpause zu.

„Wusste ich es doch", triumphierte Becci. „Und jetzt erzähl endlich. Ich will meine Details."

„Ist ja schon gut", lachend gab ich nach und erzählte ihr wie genau es zu dem Kuss gekommen war. Allein bei der Erinnerung bekam ich schon ein wolliges Kribbeln in der Magengegend.

All zu lange hatte ich allerdings nicht Zeit mich wieder in der Erinnerung zu verlieren, da sowohl Becci als auch ich zur Arbeit mussten.

Auf dem Weg ins Büro machte ich noch einen kleinen Umweg, um beim Bäcker vorbei zu schauen. Immerhin hatten weder Elias noch ich ein richtiges Frühstück gehabt. Also trat ich nach kurzer Zeit mit belegten Brötchen bewaffnet leise in Elias Büro ein, der wohl gerade seine Video-Konferenz beendet hatte.

„Du kommst wie gerufen", seufzend ließ Elias sich tiefer in den Bürostuhl sinken. Ich legte die Bäckertüte vor uns auf den Tisch und zog mir den Besucherstuhl heran.

„Stressiges Meeting gehabt?"

„Ja, das auch. Vor allem, weil ich immer darauf achten musste, dass mein Magenknurren nicht die Gespräche unterbricht. Ich hab sowieso schon genug strenge Blicke von meinem Vater abbekommen. Ich glaub der hält mich immer noch für einen stümperhaften Anfänger."

„Pff, der hat doch keine Ahnung. Ich finde du bist ein guter Chef", sagte ich und meinte es auch genau so.

„Böses Zungen könnten jetzt behaupten, du seist nicht mehr ganz unparteiisch", grinste Elias mich an, nachdem er den ersten Bissen seines Brötchens herunter geschluckt hatte.

„Dann geh ich jetzt besser mal an die Arbeit, nicht dass die bösen Zungen auch noch behaupten können wir würden uns von der Arbeit abhalten", lächelnd nahm ich mir mein Brötchen mit und verließ Elias Büro.

Kurzes Treffen am TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt